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Manuel Neuer
Hat Deutsch­lands Nummer 1 nun ein über­ra­gendes Spiel gelie­fert oder ein­fach als einer der ganz wenigen Natio­nal­spieler seinen Job gemacht? Schon lange stand der Welt­tor­hüter nicht mehr so im Ram­pen­licht wie am gest­rigen Abend. Er bot trotzdem eine rou­ti­nierte Klasse-Show wie eine alternde Diva, die noch immer weiß, mit wel­chen Tricks sie ihre Fans in den Bann ziehen muss. Neuer bot das ganze Best-of seiner Tor­wart-Qua­li­täten: Pflückte hohe Bälle zuver­lässig runter wie ein erfah­rener Sai­son­ar­beiter die Äpfel zur Ern­te­zeit, ließ sich von hart getre­tenen Distanz­schüssen nicht aus der Ruhe bringen, reflexte einige Bälle mit erstaun­li­chen Kör­per­ver­ren­kungen aus dem Gefah­ren­be­reich und bügelte in alter Wasch­frau-Manier die Fehler seiner Vor­der­leute aus. Weil das so viele waren, dass circa 82 Mil­lionen Deut­sche noch heute wack­lige Knie haben dürften, und weil Neuer dabei feh­ler­frei blieb, dürfen wir uns schon jetzt über die nächste Talk­show-Beset­zung bei Markus Lanz freuen: Lothar Mat­thäus, Klaus Augen­thaler, Franz Becken­bauer und Tommy Ohrner zum Thema Die Rück­kehr des Liberos – warum Deutsch­land seinen letzten Mann so braucht“. Neuers Tor­wart­kol­lege Oliver Kahn nannte die Aus­flüge seines Nach­fol­gers in der Halb­zeit Hara­kiri“. Dazu möchten wir wiki­pedia“ bemühen: Unter anderem diente Hara­kiri“ dazu, Schande zu ver­meiden, wenn man wäh­rend einer Schlacht dem Gegner in die Hände fiel“. So gesehen werten wir die Kahn­sche Ein­schät­zung ein­fach als dank­bare Lob­prei­sung.

Shko­dran Mus­tafi
Als Andy Möller 1995 unge­fähr zehn Meter ent­fernt vom Karls­ruher Dirk Schuster den Wind­hauch einer Grät­sche ver­spürte, umfiel und so einen Elf­meter pro­vo­zierte, der seinen Dort­mun­dern letzt­lich die Meis­ter­schaft ein­brachte, ver­suchte sich Möller später mit einer legen­dären Inter­pre­ta­tion seines eigenen Ver­hal­tens zu recht­fer­tigen. Es habe sich dabei ledig­lich um eine Schutz­schwalbe“ gehan­delt. Am gest­rigen Abend könnte Fuß­ball-Deutsch­land die Rück­kehr der Schutz“-Aktion eines nam­haften Profis erlebt haben. Es han­delte sich hierbei um den gelernten Innen­ver­tei­diger Shko­dran Mus­tafi, den vor der WM eigent­lich nur Jogi Löw kannte, und der in diesem Ach­tel­fi­nale plötz­lich als rechter Ver­tei­diger aufs Feld geschickt wurde. Der bedau­erns­werte Mus­tafi spielte 70 Minuten so der­maßen glücklos und ein­ge­schüch­tert, dass sich fol­gender Dialog vor dem Spiel mög­li­cher­weise wirk­lich so abge­spielt haben könnte:

Löw: Ssscchh­go­draan. Du sschpiii­üüllst gegen Alge­rien übri­gens auf rechts.“
Mus­tafi: Was? Trainer, bei allem Respekt, wollen sie mich ver­gack­eiern?“
Löw: Wii­üeso?“
Mus­tafi: Wir haben doch den Groß­kreutz!“
Löw: Schon mal was von hööögschder Dis­zi­plin gehört?“
Mus­tafi: Boateng auf rechts, der Höwedes in die Mitte, Durm auf links!“
Löw: Neee. Der Hööw­we­desch isch defen­siiüv sscch­t­a­biiül!“
Mus­tafi: Ginter?“
Löw: Hahaha.“
Mus­tafi: Lahm! Lahm auf rechts, der Sami in die Mitte neben Schweini!“
Löw: Der Ffiii­l­ippp ist jetzt zen­traal!“

Wie auch immer, Mus­tafi stand auf dem Rasen und das war wie einem kleinen Kind dabei hilflos zusehen zu müssen, wie es mit einem Mes­serset Mama, Papa, Kind spielt: Immer gefähr­lich, immer kurz vor der Kata­strophe. Bis sich Mus­tafi ver­letzte, womit wir wieder bei Andy Möller wären. Nach einem Zwei­kampf blieb Mus­tafi schreiend liegen und zog sich dabei einen Mus­kel­bün­del­riss zu, die WM ist für ihn beendet. Löw konnte jetzt nicht anders, brachte Khe­dira, zog Lahm auf rechts und Deutsch­land gewann. Dank der Schutz­ver­let­zung von Shko­dran Mus­tafi.

Per Mer­te­sa­cker
Hatte seinen besten Auf­tritt nach dem Spiel, als er dem ZDF-Frager Boris Büchler aggres­siver anraunzte als ein Ber­liner Bus­fahrer seine Gäste nach einer durch­zechten Nacht, die mit dem Ende seiner Ehe geendet hat. So viel Direkt­heit hätte man sich von Mer­te­sa­cker auch gegen Alge­rien gewünscht. Eigent­lich soll der lange Defen­siv­mann die Rolle des Abwehr­chefs ein­nehmen, aber ges­tern hatte diese Che­fig­keit etwas Strom­berg­ar­tiges: Man konnte nicht mehr ganz genau sagen, wer Mer­te­sa­cker eigent­lich eine lei­tende Posi­tion über­geben hatte, pha­sen­weise musste man sich sogar ein wenig fremd­schämen. Wir hoffen mal, dass Mer­te­sa­cker diese Kritik nie­mals in die Finger bekommt. Gut mög­lich, dass der Mann bei seiner gegen­wär­tigen Laune gegen­über Jour­na­listen mit einem Panzer in den dritten Stock der Pali­sa­den­straße rat­tert und den Autoren dieser Zeilen mit ein paar gezielten Ellen­bo­gen­schlägen aus dem Leben haut.

Jerome Boateng
Wäh­rend sich sein Neben­mann Per Mer­te­sa­cker übli­cher­weise mit der Agi­lität eines hüft­kranken Rent­ners über den Rasen bewegt, hat der geschmeidig-lässig-mons­ter­coole Bewe­gungs­ab­lauf von Jerome Boateng etwas Pim­p­ar­tiges. Den deut­schen Ver­tei­diger könnten wir uns auch gut als Dar­steller einer New Yorker Kiez­größe aus den acht­ziger Jahren vor­stellen, der mit Nerz­mantel und Pfau­en­feder in der Hut­krempe durch sein Viertel schwankt. An guten Tagen auf dem Fuß­ball­platz sieht das dann ele­gant und über­legen aus. An weniger guten Tagen möchte man 90 Minuten lang die Polizei rufen, um den Typen mit dem Nerz­mantel und der Pfau­en­feder end­lich weg­sperren zulassen, weil man in ihm eine öffent­liche Gefahr ver­mutet. Womit wir beim gest­rigen Auf­tritt von Boateng gegen Alge­rien ange­kommen wären.

Bene­dikt Höwedes
Man stelle sich das vor: Tiger Woods als Mini­golf­spieler! Shaquille O´Neal als Play­maker! Mario Basler als Diplomat im Aus­wär­tigen Amt! Und Bene­dikt Höwedes als Links­ver­tei­diger! Finde den Fehler.

Bas­tian Schwein­steiger
Der Mann mit dem Berg­füh­rer­ge­sicht“ (Süd­deut­sche Zei­tung 2009 bis heute) war zwar noch einer der soli­desten deut­schen Spieler, zeit­weise bau­melte aber auch Schwein­steiger wie einst Syl­vester Stal­lone in Cliff­hanger“ mit nur noch einem Finger an der Fel­sen­kante, ein letzter kaputter Muskel ent­fernt vom freien Fall. Aber irgendwie wuch­tete sich Schwein­steiger mit seiner Mann­schaft doch noch ins ret­tende Basis­lager. Was Schwein­steiger dabei von Syl­vester Stal­lone und ver­mut­lich auch allen Berg­füh­rern dieser Welt unter­scheidet: Er gibt seine Befehle, wenn er denn welche ver­teilt, eher non­verbal weiter. Die bei vielen deut­schen Fuß­ball­fans immer noch exis­tie­rende Sehn­sucht nach der Effen­ber­gig­keit, also der Pose des wet­ter­ge­gerbten Kapi­täns, der sich kernig der nächsten Mons­ter­welle in den Weg stellt und dabei mit don­nernder Stimme Ret­tungs­maß­nahmen anweist, kann Schwein­steiger ein­fach nicht aus­füllen. Viel­leicht will er das auch gar nicht. Schwein­steiger brüllt nicht, er ver­sucht gleich zu retten. Denn was hilft der ker­nigste ver­bale Kapi­täns-Auf­tritt, wenn das Schiff am Ende unter­geht?

Toni Kroos
Nein, auch Toni Kroos können wir uns nicht vor­stellen, wie er in einem epi­schen Schlussakt unseres Lieb­lings­block­bus­ters mit breiter Brust und blit­zendem Lang­schwert zuerst die Außer­ir­di­schen ver­treibt, ein Gegen­mittel gegen den töd­li­chen Virus findet, den US-Prä­si­denten vor den bösen Ter­ro­risten rettet oder kurz vor dem Ein­schlag des gewal­tigen Meteo­riten in seinen Jet steigt und den kos­mi­schen Stein mit einer hel­den­haften Hara­kiri-Aktion zur Explo­sion bringt. Anführer zu sein, das sei nicht so das Ding von Toni Kroos, sagen die Experten immer. Der fein­fü­ßige Kroos sei eher ideen­rei­cher Strip­pen­zieher. Bloß: Was macht so ein ideen­rei­cher Strip­pen­zieher, wenn ihm fin­dige Alge­rier die Strippen durch­schnitten und so die Ideen geklaut haben? In Par­tien wie diesen, wenn schon nach zehn Minuten die Alarm­si­rene schrillt, hat man beim Spiel von Toni Kroos den Ein­druck, es han­dele sich um ein gefei­ertes Fes­tival voller Kunst und Krea­ti­vität, bei dem die Orga­ni­sa­toren ledig­lich einen funk­tio­nie­renden Not­fall­plan ver­gessen haben.

Philipp Lahm
Viel­leicht ist ein­fach Pep Guar­diola Schuld am Bei­nahe-Aus­scheiden der deut­schen Natio­nal­mann­schaft. Denn war es nicht Pep, der vor knapp einem Jahr Philipp Lahm die Flausen in den Kopf gesetzt hatte, seine eigent­liche Bestim­mung sei der Platz im zen­tralen defen­siven Mit­tel­feld? Sicher, Lahm füllte diese neue Rolle dann auch gleich exzel­lent aus, aber ver­mut­lich ist Lahm so der­maßen talen­tiert, dass er auch als Stoß­stürmer oder Tor­wart auf inter­na­tio­nalem Spit­zen­ni­veau agieren könnte. Und weil sich Jogi Löw von Guar­diolas Idee hat über­zeugen lassen, hatte Deutsch­land gegen Alge­rien etwas, dass wir doch eigent­lich nie wieder in diesem Land sehen wollten: Ein rechtes Pro­blem. Dort spur­tete statt Lahm Shko­dran Mus­tafi die Linie rauf und runter. Als würde statt Boris Becker Marc-Kevin Goellner das ent­schei­dende Spiel im Daviscup-Finale bestreiten. Nach Mus­tafis Aus­wechs­lung (siehe: Schutz­ver­let­zung) war zumin­dest die rechte Seite der deut­schen Mann­schaft wieder inter­na­tional taug­lich. Oder, um es mit den Worten Pep Guar­diolas zu sagen: In der Mitte ist Lahm top. Aber auf der rechten Außen­bahn eben immer noch top-top-top.

Mesut Özil
Gehen wir jetzt ein­fach mal davon aus, dass bei Mesut Özil nach seinem Tor zum 2:0 in der 119. Minute ein Knoten geplatzt ist. Wenn ein Knoten bei Fuß­bal­lern platzt, bedeutet das etwas Gutes (Zwi­schen­frage: Gilt das eigent­lich auch bei Berg­führer-Fuß­bal­lern?). Das würde also im Falle Mesut Özils bedeuten, dass er jetzt fol­gende Qua­li­täten zeigt: Ball­kon­trolle, Krea­ti­vität, Tor­ge­fähr­lich­keit, Raum­über­sicht. Vier Ele­mente, die Özils Spiel an guten Tagen so anschau­lich machen, wie die schönen Mäd­chen an der Copa­ca­bana (bei denen sich bestimmt auch so man­cher Beob­achter erhofft, dass ab und an mal ein Knoten platzt). Wie gesagt: Wir gehen jetzt ein­fach mal davon aus. Denn noch so ein Spiel von Mesut Özil ertragen wir ein­fach nicht.

Mario Götze
Beim Auf­tritt von Mario Götze gegen Alge­rien fühlten wir uns an die unschönen Szenen auf dem Schulhof erin­nert, wenn die Hau­degen aus den höheren Jahr­gängen dem armen Schwein aus der eigenen Klasse mal wieder den Ranzen geklaut hatten und nun ihr fieses Spiel abzogen. Fast die gesamte große Pause lang jagte dann das arme Schwein seinem Ranzen nach und wurde im Glauben gelassen, doch irgendwie gegen die Hau­degen zu bestehen. Denn hatte nicht Mama heute morgen noch gesagt, er sei etwas Bes­seres und ihm wert­volle Tipps für den Schulhof-Zwei­kampf mit­ge­geben? Bis er dann doch schließ­lich mit dem Kopf ins Klo gesteckt wurde. So geschehen mit Mario Götze gegen die Hau­degen aus Alge­rien. Nett von Ver­trau­ens­lehrer Löw, dass er Götze zur Halb­zeit nach Hause schickte.

Thomas Müller
Ein Spiel im Kon­junktiv: Hätte seine Tur­nier­tore fünf und sechs machen können. Hätte sich bei­nahe den Emil-Zatopek-Gedächt­nis­preis für die erstaun­lichste Lauf­leis­tung der WM abge­holt. Hätte bei­nahe eines der schönsten Tore des Jahres geschossen. Aber wie war das noch mal? Wenn die Oma von Dieter Eilts ein Bus gewesen wäre, hätte sie gehupt. Einmal gelang dem so auf­op­fe­rungs­voll ackernden Müller dann doch ein Impe­rativ: Seine Vor­lage ver­wer­tete der ein­ge­wech­selte Schürrle zum erlö­senden 1:0. Und so hat Müller zumin­dest die Vor­lage für eines der schönsten Tore dieses Jahres gegeben.

Sami Khe­dira
Kaum auf dem Platz, setzte Sami Khe­dira zum Press­schlag an und brachte damit den Ball zum platzen. Ein Spiel­gerät, dass zuvor viele tau­send Mal von Maschinen auf seine Wider­stands­kraft getestet worden war, machte Sami Khe­dira kaputt. Mit seinem rechten Bein, zu dem auch sein rechtes Knie gehört. Das war vor einem halben Jahr noch so kaputt, dass es keine Maschine brauchte, um die feh­lende Wider­stands­kraft des Mit­tel­feld­spie­lers Sami Khe­dira fest­zu­stellen. Der ker­nige Press­schlag von Khe­dira war sym­pto­ma­tisch, denn mit ihm kam die Kör­per­lich­keit zurück ins deut­sche Spiel. Und dafür war man als Zuschauer so unglaub­lich dankbar, dass man selbst die Trauer über das Ableben des teuren WM-Balls für kurze Zeit erfolg­reich ver­drängte.

André Schürrle
Berlin (und viele andere deut­sche Städte) sind ja voll von Men­schen, die sich wun­der­liche Dinge unter die Haut ste­chen lassen. Was man da alles zu sehen bekommt, wenn man die träge Büro-Plauze doch mal an den See schleppt! An all diese Men­schen: Der Autor dieser Zeilen würde sich auf ewig mit der Kunst des Tatä­to­wie­rens ver­söhnen, wenn bei seinem nächsten Besuch min­des­tens ein poten­ti­eller Schland-Fan das Kon­terfei von Ach­tel­final-Retter André Schürrle zur Schau trägt. Der Mann hat das nach seinem Auf­tritt gegen Alge­rien ver­dient. Seine Ein­wechs­lung wirkte wie die auf­re­gende Affäre, die dem gebeu­telten Ehe­partner wieder die Lust am Leben zurück­bringt. Schürrle sprin­tete so beherzt durch die alge­ri­schen Abwehr­reihen, dass man jeder­zeit das Gefühl hatte, er würde gleich einen Staf­fel­stab wei­ter­rei­chen. Und dann gelang Schürrle, dem Mann, der als ein­ziger Mensch der Welt Geschwin­dig­keit­streifen im Gesicht hat, auch noch ein Tor, von dem wir früher dachten, dass es deut­schen Natio­nal­spieler gericht­lich ver­boten sei. Mit der Hacke. Aus vollem Lauf. Hinter dem Rücken. Als Auf­setzer. Ins Tor. Sehen sie dem­nächst im Thea­ter­spiel­haus ihres Ver­trauens: André Schürrles Tor und der Auf­tritt der deut­schen Natio­nal­mann­schaft gegen Alge­rien in: Das Schöne und das Biest“.

Chris­toph Kramer
Als Bas­tian Schwein­steiger dann auch noch Krämpfe in den Wim­pern bekam, schickte Löw Chris­toph Kramer auf den Platz. Und in wenigen Sekunden zer­streute der Frisch­ling die Bedenken an seiner Taug­lich­keit, dieses Spiel über die Zeit zu retten.