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Als Thierry Henry am 9. Dezember ver­gan­genen Jahres anläss­lich des 125-jäh­rigen Jubi­läums des FC Arsenal und seiner dar­aufhin ein­ge­weihten Statue eine Rede halten soll, muss er schlu­cken. Der rot-weiße Schal mit dem gol­denen Emblem hängt ihm lässig über der Schulter, wäh­rend ihn sein ehe­ma­liger Mentor Arséne Wenger in der zu groß gera­tenen Trai­nings­jacke von der Seite beäugt. Wieder so ein his­to­ri­scher Moment in der Bezie­hung Henry-Arsenal, Arsenal-Henry.

Es ist zu einer unsag­baren Mode im eng­li­schen Fuß­ball ver­kommen, dass ein Verein jedem noch so ver­dientem Spieler eine Statue baut. Auch der FC Arsenal ließ sich zum 125-jäh­rigen Jubi­läum zu einer pathe­ti­schen Geste hin­reißen und hul­digte gleich drei Akteuren vor den Toren des Emi­rates“ in Form eines bron­ze­far­benen Denk­mals. Neben Erfolgs­trainer Her­bert Chapman und dem eisen­harten Ver­tei­diger Tony Adams bekam auch Thierry Henry sein Monu­ment gesetzt.

Henry kehrt zurück – nicht nur als Statue, son­dern aus Fleisch und Blut

Dabei fallen vor allem zwei Sachen auf: Zum einen ist die Statue optisch so nah am Stürmer wie Trainer Arséne Wenger einem ent­spannten Gesichts­aus­druck, zum anderen wird Henry bald wieder als Spieler in den Norden Lon­dons zurück­kehren. Und zwar nicht nur als Statue, son­dern aus Fleisch und Blut.

Für den FC Arsenal soll der Fran­zose, der zur­zeit bei den New York Red Bulls unter Ver­trag steht, von Anfang Januar bis Ende Februar wieder auf Tore­jagd gehen. Das ist mög­lich, weil in die USA wäh­rend dieser Zeit kein Fuß­ball gespielt wird. Nun kann man durchaus argu­men­tieren, dass der Aus­druck lebende Arsenal-Legende“ auf Nie­manden besser zutrifft als auf Thierry Henry. Genauso wirft die Ver­pflich­tung aber die Frage auf, wie sinn­voll die Rück­kehr des Stür­mers denn eigent­lich ist.

Henrys Qua­li­täten und Ver­dienste für den Verein stehen außer Frage: Mit 226 Toren in 369 Spielen ist er der beste Tor­schütze, der je für die Gun­ners gespielt hat. Zu seinen Hoch­zeiten gehörte der Fran­zose zu den besten Stür­mern der Welt. Den­noch werden die Kri­tiker lauter, die Henry das hohe Niveau der Pre­mier League nach zwei Jahren in der unter­klas­sigen Major League Soccer nicht mehr zutrauen.

Der beste Back-Up der Welt

Aber: Kurz­fristig ist Henrys Rück­kehr an die alte Wir­kungs­stätte ein tod­si­cheres Ding. Sein Status als Legende ist unum­stritten, das was er in acht Jahren Arsenal geleistet hat, lässt sich unmög­lich in zwei Monaten rui­nieren. Er hat nichts zu ver­lieren, was auch auf den Klub zutrifft. Durch den Afrika-Cup muss Arsenal zwi­schen Neu­jahr und Februar fast schon tra­di­tio­nell auf Spieler ver­zichten. Mit dem Marok­kaner Marouane Cha­makh und dem Ivorer Ger­vinho werden gleich zwei Offen­siv­kräfte nach Gabun, bzw. Äqua­to­ri­al­guinea reisen. Wäh­rend Ger­vinho in der Hin­serie mit zehn Scor­er­punkten zurecht zum Stamm­per­sonal zählt, befindet sich Cha­makh in einem Form­tief, das mitt­ler­weile nun schon andert­halb Jahre andauert. In Arsenal-Fan­kreisen wit­zelt man bereits, dass selbst ein ange­schos­sener Henry häu­figer das Tor trifft, als ein fitter Marouane Cha­makh.

Arséne Wenger geht also kein beson­ders hohes Risiko ein, wenn er Henry für die kurze Dauer von zwei Monaten an den Verein bindet. Die Frage, wo Titi“ spielen soll, gestaltet sich jedoch etwas schwie­riger. Vieles deutet darauf hin, dass der Fran­zose vor allem als Back-Up für seinen legi­timen Nach­folger, Arse­nals Mit­tel­stürmer Robin van Persie, geholt wurde. Der Hol­länder ist der­zeit einer der besten Angreifer der Welt, nur Chris­tiano Ronaldo kann im Kalen­der­jahr 2011 eine bes­sere Tref­fer­quote nach­weisen.

Henrys Ein­satz als Flü­gel­stürmer hin­gegen macht aus meh­reren Gründen wenig Sinn. Zum einen ist er die Taug­lich­keit auf den Außen im kata­la­ni­schen Star­ensemble des FC Bar­ce­lona über drei Jahre mehr oder weniger schuldig geblieben, zum anderen fehlt ihm im Herbst seiner Kar­riere das, was die Eng­länder pace“ nennen. Tempo und Geschwin­dig­keit, die man im schnellen Spiel der Pre­mier League braucht, um sich auf dem Flügel durch­zu­setzen.

Die PR-Abtei­lung des Ver­eins bemüht sich indes darum, keine Zweifel an Henrys bestechender Ver­fas­sung auf­kommen zu lassen. Dieser trai­niert schon seit meh­reren Wochen mit der Mann­schaft. Auf Arse­nals offi­zi­eller Home­page betont Per Mer­te­sa­cker die tolle Form des neuen Kol­legen genau so wie Robin van Persie, der schon voller Vor­freude ist: Ich will nicht zu viel Druck auf ihn aus­üben, aber er ist immer noch der Alte und außer­or­dent­lich fit. Ich freue mich unheim­lich auf ihn!“

Dabei kann der Fran­zose kör­per­lich nicht mehr auf dem glei­chen Level wie früher sein. Was aber noch viel wich­tiger ist: Er muss es gar nicht, an van Persie ist sowieso kein Vor­bei­kommen. Ent­schei­dender als das, was Henry auf dem Platz macht, ist das, was er abseits des Spiel­felds leistet.

Der Henrik-Larsson-Effekt

Die Periode nach Weih­nachten ist in den ver­gan­genen Jahren meist die Phase, in der die junge Mann­schaft von Arsenal jeg­liche Chancen darauf ver­spielt, etwas Zähl­bares aus der Saison mit­zu­nehmen. Mit Henry kehrt das Herz­stück der Invin­ci­bles“ („Die Unbe­zwing­baren“) zurück in den Norden Lon­dons. Das beste Team, das je für Arsenal auf­lief, verlor in der Saison 2003/2004 nicht ein ein­ziges Liga­spiel. Der­zeit steht die Mann­schaft nach einem grau­sigen Sai­son­start (unter anderem ging Arsenal am 3. Spieltag mit 2:8 bei Man­chester United unter) auf dem fünften Tabel­len­platz. Zuletzt schafften die Gun­ners“ beim FC Fulham das Kunst­stück, nach einer 1:0‑Führung in der 85. Minute noch als Ver­lierer vom Platz zu gehen.

Henrys Erfah­rung kann vor allem den ver­un­si­cherten, uner­fah­renen Spie­lern helfen, wie van Persie betont: Die ganzen Jungen schauen alle zu ihm auf. Es ist in etwa so: Thierry ist zurück, lasst uns Spaß haben.‚“

Vieles erin­nert an den Transfer von Henrik Larsson zu Man­chester United im Jahre 2007, als im theatre of dreams“ akuter Stür­mer­mangel herrschte. Zwar erzielte Henke“ nur drei Treffer in 13 Spielen für die Red Devils, Alex Fer­guson erin­nert sich trotzdem nur allzu gern an den Schweden: Er war ein­fach fan­tas­tisch mit seiner Ein­stel­lung und seiner Erfah­rung. Alles was er getan hat, war groß­artig.“ Arse­nals Trainer Arséne Wenger hofft mit der Rück­kehr seines besten Schü­lers nun auf den Larsson-Effekt: Thierry hat immer noch die Klasse und Qua­lität. Ich mache mir da gar keine Gedanken. Wenn wir ihn brau­chen, werden wir ihn bringen.“

Die Taktik, einen ver­dienten Alt­star zu holen, um die kurz­fris­tige Per­so­nalnot zu über­brü­cken, ist auch in Wen­gers Reper­toire, das sonst in erster Linie aus dem Scouten von her­aus­ra­genden Talenten besteht, nichts Unge­wöhn­li­ches. Mit Jens Leh­mann und Sol Camp­bell holte der Coach in den ver­gan­genen Sai­sons zu einem ver­gleich­baren Zeit­punkt jeweils ein Mit­glied der Invin­ci­bles“ zurück.

Auch wenn beide beim Blick auf die blanken Sta­tis­tiken nicht die über­ra­genden Akteure waren, gelang es Wenger doch, im Schatten der Ver­dienten, neue Leis­tungs­träger zu formen. So hat Wojciech Szc­zesny genauso von Leh­mann lernen können wie Thomas Ver­maelen von Sol Camp­bell. Szc­zesny und Ver­maelen gehören heute zum Besten, was die Pre­mier League auf der jewei­ligen Posi­tion zu bieten hat. Nun kehrt auch Henry an alte Wir­kungs­stätte zurück, für den Fran­zosen schließt sich der Kreis.

Hier habt ihr´s: Jetzt zeige ich meine Gefühle!“

Mitt­ler­weile hat der kalte Dezem­ber­wind Arséne Wen­gers Nase einen leicht röt­li­chen Anstrich ver­liehen, die Hände sind tief in den Taschen der Trai­nings­jacke ver­graben. Sein neuer und alter Schüler Henry kämpft mit den Tränen. Men­schen, die mich kennen, wissen, wie selten ich meine Emo­tionen nach Außen trage. Hier habt ihr´s: Jetzt gerade zeige ich meine Gefühle“, spricht er rühr­selig in die auf­ge­stellten Mikro­fone, wäh­rend sich die anwe­senden Fans durch das Anstimmen von Henrys Schlacht­ge­sang („Thierry Henry!“) die Sen­ti­men­ta­lität vom Leibe halten wollen.

Dabei liegt in Henrys Aus­sage neben der gesamten sport­li­chen Betrach­tungs­weise wohl das größte Stück Wahr­heit: Die Geschichte zwi­schen ihm und Arsenal war schon immer eine beson­dere.
Mit dem Fran­zosen kehrt der König zurück.
Einen, den sie in den Jahren fernab der Titel­ge­winne nicht nur schmerz­lich ver­misst haben, son­dern auch heute noch zu gerne auf den Thron setzen. Und sei es nur für zwei Monate.