Und doch blieb der russische Verband hart. Auch deshalb, weil Präsident Wjatscheslaw Koloskow wusste, dass die eigentliche Kritik der Spieler ihm galt. Die Profis waren unzufrieden mit den Prämienregelungen der letzten beiden Turniere – und vor allem mit dem neuen Ausrüstervertrag der Nationalelf. Der Verband hatte einen Deal mit Reebok abgeschlossen. Und das bedeutete damals noch, dass die Nationalspieler in Schuhen dieser Marke auflaufen mussten, obwohl sie eigene lukrative Verträge mit anderen Firmen hatten.
Was auch bei der deutschen Nationalelf ein Jahrzehnt später zum „Schuhkrieg“ führen sollte, wurde für die Russen zur großen Zerreissprobe. Die Verhandlungen zogen sich über Monate hin. Juran und Salenko nahmen ihre Drohung relativ früh zurück. Kurz vor dem Turnier knickten schließlich auch Mostowoi und Karpin ein. Insgesamt acht der vierzehn Aufrührer fuhren schließlich doch mit in die USA.
WM ohne den Kapitän
Aber das bedeutete eben auch, dass gleich sechs der besten Spieler des Landes lieber auf eine WM verzichteten, als unter Sadyrin – und in fremden Schuhen – zu spielen! Der begnadete Kantschelskis blieb dem Turnier ebenso fern wie Kapitän Schalimow, Kirjakow und Dobrowolski. Außerdem fehlten Vasili Kulkow von Benfica Lissabon sowie Igor Kolywanow, der für Foggia in der Serie A spielte (und einst der letzte „Fußballer des Jahres“ in der UdSSR gewesen war). „Was mich betrifft, so existieren diese Personen nicht“, sagte Sadyrin über die Boykotteure.
Salenko wurde in den USA für seinen Sinneswandel belohnt: In den Schuhen, die er eigentlich nicht mochte, schoss der Stürmer gegen Kamerun fünf Tore, bis heute WM-Rekord. Doch dieser Erfolg nutzte seiner Elf wenig. Gegen Brasilien hatten die Russen ohne die Meuterer um Kantschelskis keine Chance, und auch gegen Schweden verloren sie sang- und klanglos mit 1:3. „Ich kann mich nicht freuen, wenn mein Land verliert“, sagte Kirjakow in einem Interview, „aber ich habe früh gesagt, dass Russland mit diesem Trainer keine Chance haben wird, insofern fühle ich mich nun bestätigt.“
Eine Woche nach dem Ende der WM trat Sadyrin zurück und wurde durch Oleg Romanzew ersetzt. Zwei Monate später, im September 1994, verlor Russland etwas unglücklich ein Freundschaftsspiel gegen Deutschland. Igor Schalimow führte die Elf als Kapitän auf den Rasen. Andrei Kantschelskis spielte ebenso wie Vasili Kulkow, Igor Kolywanow und Sergei Kirjakow. Alle in Schuhen von Reebok.