Ein Vereinsmuseum im eigenen Wohnzimmer mag was Feines sein. Doch was tun, wenn kein Platz mehr ist? Eine vereinsübergreifende Fan-Initiative sammelt jetzt alte Schals oder Trikots und unterstützt damit Flüchtlingsprojekte. Mit-Initiator Martin Endemann erklärt die Idee.
Martin Endemann, das BAFF („Bündniss Aktiver Fußballfans“) und die FSE („Football Supporters Europe“) rufen derzeit zur „Second-Fan-Shirt“-Kampagne auf. Was steckt dahinter?
Viele Fußballanhänger kaufen Fanartikel nur als Andenken. Bevor sie einstauben, möchten wir die Artikel einsammeln und am Ende der Saison versteigern. Das Geld spenden wir wiederum den Flüchtlingsprojekte.
Gab es in der Vergangenheit ähnliche Aktionen?
Diese Idee hatte ein FSE-Mitglied aus Dänemark, das uns angesichts der katastrophalen Flüchtlingssituation auf der ganzen Welt angeschrieben hat. In Deutschland gibt es viele Ultra-Gruppen, die auch in der Vergangenheit schon sehr aktiv waren und Kleiderspenden für Flüchtlinge oder Obdachlose gesammelt haben. Der große Unterschied ist dieses Mal, dass wir vereinsübergreifend agieren und dass es sich nicht um Kleiderspenden handelt, sondern wir direkt Geld generieren wollen.
Wie sieht die deutschlandweite Zusammenarbeit der einzelnen Fangruppen aus?
Die Resonanz ist gewaltig. Wir sind sehr gut vernetzt in vielen Gruppen, Städten und Fanklubs. Es melden sich auch viele Fans, die nicht direkt beim „BAFF“ aktiv sind, und täglich kommen neue Gruppen hinzu, die in ihrem Stadion sammeln wollen. Auch verschiedene Fangruppen aus ganz Europa bereiten momentan Sammelstellen in ihren Stadien und Städten auf.
Wie viele Fanartikel sind bislang zusammengekommen?
Schwierig zu sagen. Die Gruppen sammeln ja erst einmal unabhänig voneinander. Bei uns läuft alles erst Ende der Saison zusammen. Dennoch: Ich habe schon einige prall gefüllte Kisten gesehen, in denen auch viele Originaltrikots steckten – teilweise sogar mit Unterschiften.
Gibt es unter den Fanszenen einen Konsens zum Thema Flüchtlingspolitik?
Auch das ist schwer zu beantworten, weil ich natürlich nicht für alle Fanszenen in Deutschland sprechen kann. Aber klar ist, dass sich gerade viele Ultra-Gruppen in den vergangenen Jahren sehr deutlich gegen Rassismus und Diskriminierung und auch für die Rechte Geflüchteter ausgesprochen haben. Dennoch denke ich, dass es einen klaren Konsens nur innerhalb der Gruppen gibt, die ein wenig progressiver sind.
Sie sind Tennis-Borussia-Anhänger. Wie positioniert sich Ihre Fanszene?
Bei TeBe wird Flüchtlingspolitik in Berlin durchaus kritisch diskutiert. Einige von uns sind ohnehin in anti-rassistischen Initiativen in Berlin aktiv, dort waren gerade die rassistischen Mobilmachungen in Berlin-Hellersdorf gegen das Flüchtlingsheim ein großes Thema, ebenso der respektlose Umgang des Senats und des Bezirkes mit dem Camp am Oranienplatz in Kreuzberg. Daher unterstützen wir natürlich auch eine Aktion wie „Second Fan Shirt“. Wir pflegen darüber hinaus auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Refugee-Fussballprojekt „Champions ohne Grenzen“.
Es gibt in Deutschland allerdings auch etliche Fan- und Ultra-Gruppen, die sich als unpolitisch verstehen. Gibt es keine negative Kritik?
Nein, bei dieser Aktion nicht unbedingt, zumindest habe ich diese noch nicht gehört. Klar, in einigen Szenen herrscht immer noch der alte Leitspruch „Politik ist Politik, Fußball ist Fußball“. Das sind Gruppen, die jegliches politisches Engagement ablehnen. Aber das interessiert uns nicht, solange wir viele Teilnehmer zusammenbekommen. Ich bin jedenfalls durchweg positiv gestimmt, denn so etwas wie diese Aktion hat es bisher noch nicht gegeben.
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Martin Endemann ist Politologe und langjähriger Sprecher des „Bündnisses Aktiver Fußballfans“ (BAFF). Ihr wollt auch spenden? Hier gibt es weitere Informationen zur Initiative.