Vor elf Jahren trafen Deutschland und England zuletzt bei einem Turnier aufeinander. Für die eine Seite war das 4:1 im Achtelfinale der WM 2010 ein Desaster – für die andere die Übernahme einer Goldenen Generation. Über einen Nachmittag in Bloemfontein.
Knapp zehn Minuten später das 2:0, ein wenig anders: Sami Khedira, Mesut Özil und Thomas Müller leiteten den Treffer mit kurzen, schnellen Pässen auf der rechten Außenbahn gemeinsam ein. Müller gab nach einem feinen Außenristpass von Miroslav Klose die Vorlage auf Lukas Podolski – dessen Schuss von links unhaltbar für James im langen Eck einschlug. Viel entscheidender als diese einzelnen Aktionen war allerdings das Bild, das die deutsche Mannschaft abgab in diesem Spiel: Sie vermittelte das Gefühl, jeden Gegner besiegen und vor allem herspielen zu können. „Sie haben sie spielerisch beherrscht“, sagte Günter Netzer im TV-Studio.
„Geile Kiste heute!“
Davon zeigte sich auch Oldie Miroslav Klose beeindruckt. „Ich habe immer wieder betont, dass wir eine klasse Mannschaft haben. Das hat mir heute sehr imponiert“, sagte er im Anschluss an die Partie. Oder in den Worten des Mannes, der an diesem 27. Juni besonders glänzte: „Geile Kiste heute!“ Klar, Thomas Müller.
Schon gegen Australien hatte er seine Qualitäten angedeutet und nicht nur ein Tor vorbereitet, sondern auch eins geschossen. Gegen England allerdings erreichte auch er ein neues Niveau: Ein Jahr zuvor erst von den Bayern-Amateuren in die A‑Mannschaft hochgezogen worden, bestimmte er in seiner mittlerweile so bekannten Art das Spiel. Machte den Raumdeuter, legte das 2:0 von Lukas Podolski vor und schoss die nächsten beiden selbst. Thomas Müller verkörperte die Entschlossenheit von 2014 schon vier Jahre vorher. Und sie übertrug sich auf die ganze Mannschaft.
Es hätte allerdings auch anders kommen können. Beim Stand von 2:0 führte England eine Ecke kurz aus, im Rückraum des deutschen Strafraums blieb Matthew Upson sträflich ungedeckt, der zum Anschlusstreffer einnickte. In die kurze Ratlosigkeit nach dem 2:1 fiel eine Szene, die diesen Juniabend zum Mythos werden ließ: Der Ausgleich.
Beziehungsweise der vermeintliche Ausgleich. Aus 17 Metern traf Frank Lampard die Unterkante der Latte. Der Ball prallte von dort auf den Boden, wieder an die Latte, bevor Manuel Neuer ihn greifen konnte. Lampard und die Fans der Three Lions jubelten, waren außer sich – das Spiel jedoch ging weiter. Kein Tor. Obwohl der Ball deutlich hinter der Linie aufgekommen war. „It’s 1966 all over again!“, rief der englische Kommentator in sein Mikrofon. Wembley 2.0. Klar ist: Mit VAR und Torlinientechnik wäre diese Geschichte wohl anders verlaufen.