Hertha wollte Richtung Europa durchstarten – jetzt steht die Mannschaft von Pál Dárdai auf dem Relegationsplatz. Kann der Ungar seinen Verein retten? Fünf Beobachtungen nach der 0:2‑Niederlage gegen Borussia Dortmund.
Sollte es so etwas wie einen Trainerwechsel-Effekt geben – bei Hertha BSC ist er verpufft. Ende Januar entließ der Hauptstadt-Klub Trainer Bruno Labbadia und ersetzte ihn durch Pál Dárdai. Die Rückholaktion sollte den Abwärtstrend stoppen.
Knapp zwei Monate später steckt die Hertha tiefer im Abstiegskampf als je zuvor. Nach der 0:2‑Niederlage gegen Borussia Dortmund rutschte Hertha auf den Relegationsrang ab. In sieben Spielen unter Dardai holten die Berliner gerade einmal vier Punkte, fünf der Partien gingen verloren. Wieso blieb ein Trainereffekt bislang aus? Und gibt es dennoch Hoffnung, dass Dardai das Ruder noch herumreißt? Fünf Beobachtungen.
1. Dardai hatte (Spielplan-)Pech
Die vermeintlich schwache Bilanz unter Dardai relativiert sich schnell, betrachtet man den Spielplan. In seinen ersten sieben Partien musste Dardai gegen die Top‑5 der Tabelle antreten. Die Spiele gegen Bayern München (0:1), RB Leipzig (0:3), den VfL Wolfsburg (0:2), Eintracht Frankfurt (1:3) und Borussia Dortmund (0:2) gingen erwartungsgemäß verloren.
In den beiden übrigen Partien trafen Dardais Herthaner auf Teams aus dem Tabellen-Mittelfeld – und punkteten. Gegen den VfB Stuttgart gab es ein 1:1‑Unentschieden, den FC Augsburg besiegten die Berliner mit 2:1. Trotz der 0:2‑Niederlage gegen Borussia Dortmund am vergangenen Samstag bleibt also das Fazit: Noch haben die Berliner nur gegen Gegner verloren, gegen die etwas anderes als eine Niederlage eine Überraschung gewesen wäre.
2. Hertha spielt passiver als unter Labbadia
Kritiker mögen einwerfen: Auch gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte darf ein Abstiegskandidat punkten. Mainz etwa hat sich auf diese Weise in der Tabelle voran gearbeitet. Mit ihrem hohen Pressing nerven sie selbst Spitzenteams (oder vermeintliche Spitzenteams) wie Leipzig oder Mönchengladbach.
Dardai wählt bei der Hertha hingegen einen defensiven Ansatz. Sein Team zieht sich wesentlich weiter zurück, als dies unter Labbadia der Fall war. Gegen Borussia Dortmund etwa verharrten die Berliner über nahezu die komplette Spielzeit am eigenen Strafraum. Das Schließen der defensiven Räume stand im Vordergrund.
Da die Hertha gegen die Top-Teams der Liga wesentlich passiver auftrat als unter Labbadia, sank der Ballbesitz des Teams: Unter Labbadia hatten die Hertha durchschnittlich knapp 53 Prozent Ballbesitz, unter Dardai liegt dieser Wert bei 44 Prozent. Dardai sucht das Heil bisher in der (passiven) Verteidigung.
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3. Dardai bringt die Fünferkette zurück
Egal ob 4−2−3−1, 4−4−2 oder 4−3−1−2 mit Mittelfeldraute: Unter Labbadia war die Viererkette in den meisten Spielen gesetzt. Auch Dardai setzte in der Vergangenheit zumeist auf eine Vier-Mann-Abwehr, in den ersten Partien hielt er an dieser Variante fest.
Mittlerweile weicht er von der Viererkette ab. Gegen Borussia Dortmund und in der Woche zuvor gegen Augsburg liefen die Berliner mit einer Fünferkette auf. Was gegen Augsburg noch für offensiven Schwung gesorgt hatte, war in Dortmund vor allem als Abwehrriegel gedacht. Aus einem (tiefen) 5 – 3‑2-System heraus versuchten sie die Räume im Zentrum zu versperren und den Gegner auf den Flügel zu leiten. Die Fünferkette soll dem Team mehr defensive Stabilität verleihen.
Interessant ist vor allem Dardais Personalwahl. Neben Niklas Stark verteidigen in der Fünferkette mit Lukas Klünter und Dardais Sohn Marton zwei schnelle Akteure. Sie sollen mit ihrer Geschwindigkeit helfen, Pässe hinter die Abwehr zu erlaufen. Das funktioniert: Sowohl Klünter als auch Marton Dardai haben sich auf der Position eingewöhnt. Die Abwehrkette war zuletzt nicht das Problem.
4. Torchancen kreieren über die Außen
Im Mittelfeld setzt Dardai ebenfalls auf Geschwindigkeit – und auf Kampfstärke. Lucas Tousart sollte als Sechser gegen den BVB die Räume schließen, Vladimir Darida und Maximilian Mittelstädt davor ebenfalls für eine hohe Kompaktheit sorgen. Gerade hier setzt Dardai vermehrt auf Zweikampfstärke. So bekamen die (am Wochenende verletzten) Sami Khedira und Santiago Ascacibar im Zentrum ihre Chance. Auch das ist typisch Dardai: Er steht auf Kämpfer im Mittelfeld-Zentrum.
Nach vorne soll das Spiel eher über die Flügel getragen werden. Die Außenverteidiger sollen hier nach vorne stoßen. Die Herthaner spielen viele Bälle den Flügel entlang. Diese Spielweise hat Dardai schon in der Vergangenheit bei der Hertha angewandt. Noch führen die Flanken aber selten zu Erfolg, zumal die Taktik gegen den BVB angesichts der tiefen Grundstaffelung selten aufging.
5. Spielerische Fragezeichen
Trotz der 0:2‑Niederlage zeigte sich Dardai nach dem BVB-Spiel zufrieden – zumindest mit der ersten Halbzeit. Nach der Pause habe seiner Mannschaft der Mut gefehlt, nach vorne zu spielen. Die Stürmer hingen in der Luft, wie die Schuss-Statistik belegt: Gerade einmal drei Schüsse gaben die Berliner ab, davon ging nur einer aufs Tor.
Die Offensive bleibt die Schwachstelle der Berliner. Auch Dardai schafft es bisher nicht, dem Team die nötige Balance aus defensiver Stabilität und offensiver Durchschlagskraft zu verschaffen. Gerade das Konterspiel funktioniert noch nicht so, wie Dardai sich das vorstellt. Gerade einmal vier Tore erzielten die Herthaner unter Dardai. Mit Matheus Cunha fehlt der einzige Spieler, der mit Pässen und Dribblings die Stürmer einzusetzen weiß.
Insofern lässt sich auch die wichtigste Frage noch nicht beantworten: Kann Dardai die Trendwende schaffen? Auf die direkte Konkurrenz im Abstiegskampf trifft die Hertha erst am 29. Spieltag, ab dann warten Spiele gegen Mainz, Schalke, Bielefeld und Köln. Der Weg der Herthaner wird sich erst in diesen Partien bestimmen.
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