Wenn die Rumänen heute Abend gegen Deutschland spielen, könnten sie einen wie Gheorghe Hagi gut gebrauchen. Wobei das vermutlich auf jede Mannschaft zutrifft. Der Spielmacher über sein Ballgefühl, den Kommunismus und Diego Maradona.
Schöner als Ihr Tor zum 3:1 gegen Kolumbien?
Immerhin ein Schuss aus 35 Metern. Oscar Cordoba stand einfach zu weit vor dem Tor. Das machte er oft, und das wussten wir. Wir hatten Kolumbien einen Monat lang analysiert, weil sie eine fantastische Mannschaft hatten. Während der Analyse war mir aufgefallen, dass Cordoba gerne rauslief. Im Spiel hab ich es dann mit Weitschüssen probiert. Einmal, zweimal, beim dritten Mal hat es geklappt.
Bei der WM 1994 war die rumänische Nationalmannschaft auf ihrem Höhepunkt.
Trotzdem schied sie gegen Schweden im Viertelfinale aus.
Es war bitter, ein Torwartfehler. Uns hätten fünf Minuten gefehlt, um ins Halbfinale zu kommen. Wir konnten mit allen mithalten. Glauben Sie mir! Es war sowieso ein tolles Turnier, schon als ich unser WM-Trikot das erste Mal sah, dachte ich: Das wird super. Da hat alles gestimmt, das Aussehen, die Qualität, der Stoff –und natürlich die Rückennummer.
1998 galt Rumänien wieder als WM-Geheimfavorit.
Aber auch diesmal schieden wir nach einer guten Vorrunde früh aus, im Achtelfinale gegen Kroatien. Dabei starteten wir sehr gut und gewannen die ersten beiden Spiele gegen England und Kolumbien.
Warum lief die Mannschaft im dritten Spiel mit blonden Haaren auf?
Das war eine Wette zwischen dem Trainer Anghel Iordanescu und uns Spielern. Wir sagten ihm, dass wir mit Sicherheit die ersten beiden Spiele gewinnen werden, er glaubte, dass die Gegner zu stark sind.
Und Sie mussten sich als Gewinner die Haare färben?
Der Einsatz war: Er muss sich eine Glatze rasieren, und wir färben unsere Haare blond. Als Kapitän ging ich natürlich voran. Zum Glück haben die anderen mitgemacht.
Hat diese Aktion die Konzentration beeinflusst?
Zwei Tage später verlor Rumänien 0:1 gegen Kroatien. Ich denke nicht. Wir hatten eigentlich ein tolles Mannschaftsgefühl. Es herrschte sehr viel Respekt untereinander. Das Ausscheiden hatte andere Gründe. Wir konnten gegen Kroatien einfach nicht unsere Leistung bringen.
Auch in den Jahren danach blieb Ihr Einfluss groß. 2000 wurde Rumäniens Nationaltrainer Victor Piturca entlassen, weil er gesagt hatte: „Wir hätten auch ohne Hagi die EM-Qualifikation geschafft.“
Ich hatte das Gefühl, dass er zu wenig Respekt für die Spieler hatte. Eigentlich war das alles ein großes Missverständnis. Schlechte Kommunikation. Vom Trainer, von mir und vom Verband. Mittlerweile haben wir ein sehr gutes Verhältnis.
Mit welcher Einstellung gingen Sie in die EM?
Es war mein letztes Turnier, und es drehte sich nicht mehr um mich. Mir war wichtig, dass eine neue Generation um Cristian Chivu und Adrian Mutu in der rumänischen Nationalmannschaft übernimmt. Ich habe mich in den letzten Jahren meiner Karriere viel um junge Spieler gekümmert. Ich lud sie zum Abendessen ein und stärkte ihnen den Rücken. Zumindest zwei, drei Jahre lang muss man ihnen Vertrauen schenken und darf sie nicht unter Druck setzen. Mir lag Emre bei Galatasaray besonders am Herzen. Bei mir haben das Ilie Balaci und Mircea Lucescu gemacht. Sie haben mir beigebracht, wie man Fußball spielt und sich in Mannschaften behauptet.
In Ihrem letzten Spiel für die Nationalmannschaft, der 0:2‑Niederlage im Viertelfinale gegen Italien, flogen Sie wegen einer Schwalbe mit Gelb-Rot vom Platz. Fast so tragisch wie das letzte Länderspiel von Zinédine Zidane.
Moment! Es war ein Elfmeter. Zu hundert Prozent Elfmeter. Aber egal. So ist das Leben, so ist der Fußball, und da läuft das manchmal so. Ich hatte so eine tolle Karriere mit der Nationalmannschaft, da ist es ganz, egal wie das letzte Spiel läuft. Als ich vom Platz ging, haben mir auch die gegnerischen Fans applaudiert. Sie lieben offensive Spieler, die Tore schießen und vorbereiten. Wer will schon Mannschaften sehen, die sich hinten reinstellen und auf 0:0 spielen?