Wenn die Rumänen heute Abend gegen Deutschland spielen, könnten sie einen wie Gheorghe Hagi gut gebrauchen. Wobei das vermutlich auf jede Mannschaft zutrifft. Der Spielmacher über sein Ballgefühl, den Kommunismus und Diego Maradona.
Sie sind einer der wenigen Spieler, die sowohl für Real Madrid als auch für den FC Barcelona gespielt haben. Hatten Sie keine Gewissensbisse beim Wechsel?
Ich kann mich noch genau erinnern, wie im Sommer 1994 mein Telefon geklingelt hat und Johan Cruyff am anderen Ende der Leitung war. Cruyff war ein Held meiner Jugend, der beste Zehner aller Zeiten. Ich war fünf Jahre alt, als ich ihn zum ersten Mal spielen sah, seitdem habe ich ihn bewundert. Dass er mich persönlich auswählte, machte mich unglaublich stolz.
Was bewunderten Sie an ihm?
Seine Technik und seinen Führungsstil. Alles, was er machte, sah so einfach aus.
Hatten Sie als Cruyffs Wunschspieler einen Vorteil in der Mannschaft?
Nein. Cruyff war extrem anspruchsvoll. Keiner durfte sich irgendetwas erlauben. Einmal hat er mich zwei Monate lang aus dem Kader gestrichen.
Weshalb?
Große Persönlichkeiten sind immer etwas eigen.
Hatten Sie schlecht trainiert?
Nein, wir hatten in der Kabine einen kleinen Disput. Alles unter vier Augen. Ich habe aber darüber mit der Presse gesprochen, das war ein Fehler. Am nächsten Tag stand es in der Zeitung und Cruyff sagte zu mir: „Was wir reden, bleibt zwischen dir und mir.“ Danach war ich erst mal draußen. Ich musste jeden Tag, in jedem Training kämpfen. Am Ende durfte ich wieder spielen. Es war eine Lektion fürs Leben. Cruyff war der beste Trainer, den ich je hatte. Alles was ich weiß, habe ich von ihm.
Welcher Verein hatte die besseren Zehner: Barcelona oder Real?
Ich entscheide mich für die Linksfüße, und Barcelona hatte immer großartige Linksfüße. Lionel Messi, Diego Maradona, Gheorghe Hagi. (Lacht.)
Sie wurden „Maradona der Karpaten“ genannt. Empfanden Sie das als Lob oder als Herabwürdigung Ihrer Leistung?
Ich war sehr stolz, denn Diego war einzigartig. Aber nach und nach haben die Leute mich besser kennengelernt. Je mehr ich gespielt habe, desto öfter haben sie meinen Namen gerufen.
Bei der WM 1990 trafen Sie beim 1:1 in der Vorrunde aufeinander.
Ich wusste, ich spiele gegen einen der größten Spieler aller Zeiten. Ich lag die ganze Nacht wach und habe gedacht: „Wie wird das morgen sein? Was wird er machen, was werde ich machen? Ich will besser spielen als er!“ Es war aufregend.
Wer war besser?
Ich glaube, ich.
Haben Sie nach dem Spiel, das 1:1 endete, mit ihm geredet?
Ich bin nach dem Spiel zu den Argentiniern in die Kabine gegangen und habe ihn gefragt, ob wir das Trikot tauschen wollen.
Vier Jahre später traf Rumänien im WM-Achtelfinale wieder auf Argentinien.
Diesmal fehlte Maradona wegen einer Dopingsperre.
Rumänien gewann 3:2, Sie hatten einen großen Anteil daran.
Das Tor zum 2:1 war in meinen Augen das schönste des ganzen Turniers. Doppelpass mit Lupescu, ich laufe die Seitenlinie entlang. Dumitrescu startet in der Mitte. Eine tolle Kombination, die ganze Mannschaft war beteiligt.
War das einstudiert?
Nein, gar nicht. Manchmal ist Fußball wie Geometrie. Man muss wissen, wo man auf dem Platz ist, welche Winkel die Spieler laufen und wie man den Ball genau da hinbekommt, wo der Mitspieler abschließen kann. Wenn das alles in deinem Kopf automatisch passiert, kannst du wunderschönen Fußball spielen.
Aber für den letzten Pass auf Dumitrescu brauchte es mehr als Mathematik.
Zugegeben, es war wirklich nicht einfach. Argentinien stand mit vier Verteidigern im Strafraum. Dumitrescu war im Vollsprint und wurde von Diego Simeone gedeckt. Die einzige Möglichkeit ihn zu bedienen, war, den Ball zwischen Oscar Ruggeri und Fernando Caceres durchzustecken. Da musste einfach alles stimmen. Ich musste den Instinkt haben, den Laufweg vorhersagen und den Pass mit großer Präzision spielen. Wie gesagt, das schönste Tor der WM.