Auch Huub Stevens kann Schalkes Talfahrt nicht stoppen. Das Team ist offensiv nicht erstligatauglich. Vier Dinge, die bei Schalkes 0:1‑Niederlage gegen Bielefeld aufgefallen sind.
Wenn Huub Stevens in die Bundesliga zurückkehrt, ist das für den jeweiligen Verein selten ein Anlass zur Freude. Der Mann, der seine Trainerkarriere eigentlich bereits beendet hat, kehrte im vergangenen Jahrzehnt immer dann aus der Rente zurück, wenn ein Verein kurz vor dem Abstieg stand. Zweimal rettete er den VfB Stuttgart, einmal übernahm er Hoffenheim und vor rund eineinhalb Jahren führte er den FC Schalke 04 zum Klassenerhalt.
Selten schien die Situation für Stevens Verein jedoch derart aussichtslos wie aktuell auf Schalke. Die Königsblauen stehen am Tabellenende, seit 28 Spielen waren sie ohne Sieg. Und auch Stevens konnte in seinem ersten Spiel nicht helfen. Schalke verlor 0:1 gegen Arminia Bielefeld und feiert Weihnachten unter der Roten Laterne. Wie verlief die Rückkehr des Niederländers? Was hat er versucht? Vier Punkte zu Schalkes Auftritt gegen Bielefeld.
„Die Null muss stehen!“ – Für dieses Motto ist Stevens berühmt. Sein Ruf als Mauerpapst mag ungerechtfertigt sein, immerhin überzeugte der Niederländer in der Vergangenheit häufig mit offensiver Spielweise. Gerade auf Schalke war Stevens‘ Fußball nie so defensiv wie sein Ruf.
Doch nach seiner Rückkehr auf den Schalker Trainerposten befeuerte er selbst dieses Klischee. Bereits vor dem Spiel sagte er, seine Mannschaft werde gegen Bielefeld nicht allzu offensiv antreten. Das war eine Untertreibung: Schalke zog sich gegen den Aufsteiger in eine 4 – 4‑1 – 1‑Formation zurück. Druck übten die Königsblauen allenfalls in der eigenen Hälfte aus. Schalke ließ die Bielefelder machen. Bis zum Treffer zum 1:0 hatte die Arminia 60 Prozent Ballbesitz; Schalke ließ sie im Spielaufbau fast unbehelligt. Hauptsache die Null steht.
Schalkes defensive Strategie ging insofern auf, als dass die Bielefelder lange Zeit kaum Raumgewinn erzielen konnten. Sie spielten viele Quer‑, aber nur wenige Tiefenpässe. Schalke konzentrierte sich auf die Defensive und provozierte ein Spiel mit wenigen Chancen auf beiden Seiten.
Das hilft jedoch alles nichts, wenn die Verteidiger in den entscheidenden Situationen schlafen. Das Defensivverhalten nach Hereingaben war bereits in den vergangenen Wochen ein großes Problem. Auch gegen Bielefeld fingen sich die Schalker ein Gegentor nach einer Flanke. Stürmer Fabian Klos kam völlig frei zum Kopfball (53.).
Diese Gegentore folgen einem Muster: Normalerweise sollte eine Mannschaft sofort von Raum- auf Mannorientierung umschalten, sobald der Ball in die Nähe des Strafraums gelangt. So lässt sich Druck auf den Spieler ausüben, der den Ball erhält. Schalke verpasst den Übergang wieder und wieder – und lässt damit den Gegner frei zum Kopfball kommen. Das ist letztlich kein taktisches Problem, sondern zeugt von fehlendem Selbstvertrauen: Kein Spieler übernimmt die Verantwortung in der jeweiligen Situation.
Zugegeben: Stevens‘ Aufstellung war kreativ. Hamza Mendyl stand erstmals in dieser Saison in der Startformation, Alessandro Schöpf durfte ebenfalls wieder ran. Beide agierten als nominelle Außenstürmer. Das zeigt Schalkes ganzes Dilemma: Zwei Spieler, die lieber als Außenverteidiger einer Fünferkette agieren, sollten gegen Bielefeld offensives Feuer entfachen. Das gelang nicht.
Im Gegenteil. Bielefeld wusste um die Schalker Schwächen auf den Flügeln. Ihr Spielplan sah vor, mit langen Bällen auf die Außen Raumgewinn zu erzielen. Das gelang nicht immer; zumindest aber gewannen die Bielefelder die Duelle um die zweiten Bälle. Dank der Dominanz auf den Flügeln konnte der Außenseiter selbst während Schalkes Schlussoffensive das Spiel kontrollieren.
Stevens hatte gerade einmal einen Trainingstag Zeit, die Mannschaft auf das Spiel vorzubereiten. Das drängendste Problem des Teams konnte auch er in dieser kurzen Zeit nicht lösen: Schalke ist offensiv nicht erstligatauglich. In sieben von dreizehn Spielen dieser Saison blieb die Mannschaft ohne eigenen Treffer. Aus dem Spiel heraus konnten sie gerade einmal vier Tore erzielen. Zum Vergleich: Selbst dem Tabellen-17. aus Mainz gelangen zehn Treffer aus dem Spiel.
Im zentralen Mittefeld der Schalker klafft ein großes Kreativitätsloch. Spätestens nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Omar Mascarell war kein Spieler mehr auf dem Rasen, der den Ball aus der Abwehr ins zweite Drittel beförderte. Die Folge? Schalke schlug viele lange Bälle, für die vorne allerdings ein Zielspieler fehlte.
Seit Jahren schon mangelt es Schalke an Spielkultur, das eigene Ballbesitzspiel wurde sträflich vernachlässigt. Dafür zahlt der Klub jetzt den Preis. Selbst Aufsteiger Bielefeld war den Königsblauen spielerisch weit überlegen.
Der Klassenerhalt rückt damit in weite Ferne. Im kommenden Jahr könnte Schalke den jahrzehntealten Negativrekord von Tasmania Berlin knacken. Sie sind nur noch zwei sieglose Spiele davon entfernt.