Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Image ist, was du draus machst. Die (Fußball-)Welt kannte für die deut­sche Natio­nal­mann­schaft in den ver­gan­genen 60 Jahren eigent­lich nur ein Kli­schee: Elf don­nernde Panzer, die gna­denlos jeden Gegner über­rollen. Wenn es sein musste, dann eben in der Nach­spiel­zeit. Dass man sie für die unmit­tel­baren Erben der nazi­deut­schen Kriegs­treiber hielt, dafür konnten die Natio­nal­mann­schaften aus der BRD nun wirk­lich nichts – aber sie taten auch wenig, um sich vom metal­lenen Panzer-Image zu befreien. Deut­sche Vor­zeige-Natio­nal­spieler, das waren stets die rackernden Uwe See­lers, die schwer zu stop­penden Gerd Mül­lers, die dau­er­lau­fenden Jürgen Klins­manns. Selbst ein Edel­tech­niker wie Fritz Walter wurde gna­denlos in die Pan­zer­schub­lade gesperrt – wel­cher Schön­spieler nannte denn auch schon nass­kaltes Regen­wetter als liebste Grund­lage für sein Spiel?

Auch die so gefei­erten 72er-Euro­pa­meister mit Netzer, Becken­bauer und Gra­bowski – stil­si­chere Aus­nah­me­könner – konnten am Bild der deut­schen DFB-Kicker im Aus­land nicht dau­er­haft etwas ändern. Nur zwei Jahre später war der hol­län­di­sche Fuß­ball Marke Cruyff“ so unglaub­lich sexy, dass selbst der gepflegte Fuß­ball aus Deutsch­land dagegen aussah wie ein im Morast fest­ge­fah­renes Ket­ten­fahr­zeug.

Brie­gels Schien­beine brüllten: Ihr könnt mich nicht besiegen!

Hatten die Sieb­ziger-Deut­schen zumin­dest ver­sucht, sich von ihrem Image zu befreien, so ergötzte sich der gemeine Acht­ziger-Kicker gera­dezu an der Sache mit dem Panzer. Von Hans-Peter Briegel, diesem Mus­kel­berg im Baum­woll­trikot, werden ehe­ma­lige Gegen­spieler aus Bra­si­lien, Frank­reich oder Ita­lien sicher­lich noch heute in ihren Alp­träumen ver­folgt. Briegel, ein ehe­ma­liger Zehn­kämpfer, ver­zich­tete stets auf etwas so über­flüs­siges wie Schein­bein­schoner, da konnte die zu bekämp­fende Mann­schaft noch so viele ker­nige Voll­zeit-Treter in ihren Reihen haben. Seht her!“, schienen Brie­gels blank glän­zende Unter­schenkel zu schreien, ich bin viel­leicht nicht so talen­tiert wie ihr, aber besiegen könnt ihr mich trotzdem nicht!“

Und auch wenn nie­mand den 1990er-Welt­meis­tern die Berech­ti­gung am Titel­ge­winn abspre­chen wollte, wie sollte man ihren besten Mann denn sonst bezeichnen, als (wenn auch tie­risch schnellen) Panzer? Als Lothar Mat­thäus gegen Jugo­sla­wien mit einem bra­chialen Solo das viel­leicht schönste Tor des Tur­niers schoss, da war das nicht eine gra­zile Ein­zel­leis­tung mit Hacke­spitze-Has­tenich­ge­sehen, son­dern ein gewal­tiger Kano­nen­schlag.

Und das Aus­land? Hatte das Panzer-Image so lieb gewonnen und war viel­leicht auch so unkreativ, dass es die deut­schen Natio­nal­spieler in der Folge wei­terhin kon­se­quent mit Stahl­helmen schmückte, galt es, die Teu­tonen mal wieder zu illus­trieren. Wer weiß, wenn Gary Lineker, der smarte Eng­länder, nicht seinen „…am Ende gewinnen immer die Deutschen“-Satz in die Welt posaunt hätte, womög­lich hätte die Welt irgend­wann die Angst vor den bru­talen Fuß­bal­lern mit dem ein­ge­bauten Spät­zünder ver­loren. So aber durfte der deut­sche Fuß­ball selbst in den gru­se­ligen ersten Jahren der Nuller-Epoche von dieser Furcht zehren. Dabei war die Gene­ra­tion der Reh­mers und Rame­lows meist so harmlos wie ein Rudel Hun­de­welpen.

2011: Keine Kriegs­ma­schinen, son­dern krea­tive Alles­könner

Das ist nun anders. Dem Fuß­ball-Jahr 2011 sei Dank. Die deut­sche Natio­nal­mann­schaft hat sich dank der Siege gegen Bra­si­lien und vor allem Hol­land selbst erfunden, besser noch: Sie hat das sechs Jahr­zehnte alte Panzer-Image ein­fach auf den Müll geworfen und ein neues kon­stru­iert. Dass die Welt wei­terhin Angst vor Fuß­ball made in Ger­many hat, hat jetzt eine ganz andere Ursache. Gegen Bra­si­lien und Hol­land, über all die Jahre die hüb­schen Spie­gel­bilder zum häss­li­chen (aber erfolg­rei­chen) deut­schen Ent­lein, rollten keine Kriegs­ma­schinen über den Rasen, warfen keine Zehn­kämpfer ihre nackten Schien­beine in die Schlacht. Da zele­brierten elf Aus­nah­me­fuß­baller ihr Können, da wetzten krea­tive Alles­könner über den Platz und hin­ter­ließen restlos rat­lose Hol­länder.

Dass aus­ge­rechnet die Hol­länder, die Schön­spieler der Geschichte, auf das deut­sche Feu­er­werk der guten Ideen nur her­an­flie­gende Alu­st­ollen als Gegen­mittel ein­zu­setzen wussten, hat den hie­sigen Image­wandel der Gene­ra­tion Müller/​Özil/​Kroos nur noch beschleu­nigt. Deutsch­land schlägt Hol­land durch schönes Spiel – das klingt so, als habe Mike Tyson seinen Gegner mit einer sanften Nacken­mas­sage zur Strecke gebracht.

Frank­reich braucht Eine Kerze und zwei Aspirin“

Der Image­wandel vom rol­lenden Panzer zum Multi-Kulti-Fuß­bal­l­äs­theten ist voll­zogen. Sicher­lich die größte Leis­tung der deut­schen Natio­nal­mann­schaft im so erfolg­rei­chen Jahr 2011. Was die Sache für Bun­des­trainer Joa­chim Löw, seinen Stab, seine Mann­schaft und vor allem uns Fans, so richtig lecker macht, ist die Tat­sache, dass das Aus­land den Image­wandel nicht als Chance ver­standen hat, die Angst vor dem deut­schen Fuß­ball auf die Müll­kippe der Geschichte zu werfen. Im Gegen­teil. Eine Kerze und zwei Aspirin“, schrieb die fran­zö­si­sche l´Equipe“ nach dem deut­schen 3:0‑Erfolg gegen Hol­land, das ist es, was Lau­rent Blanc (der fran­zö­si­sche Natio­nal­trainer, d. Red.) braucht, wenn er sich die DVD von Deutsch­land anschaut. Die Kerze, um das Schicksal anzu­flehen, dass Frank­reich bei der EM-Aus­lo­sung nicht in die­selbe Gruppe wie Deutsch­land kommt. Die Aspirin, um das Kopf­zer­bre­chen zu mini­mieren.“

Frank­reich hat die Hosen voll, weil Deutsch­land so gut Fuß­ball spielt. Diese Nach­richt ist doch fast zu schön, um wahr zu sein.