Fenerbahçe Istanbul eilte jahrelang von einem Erfolg zum nächsten. Dann führte Präsident Aziz Yıldırım den Verein ins Chaos und landete im Knast. Kann der neue starke Mann die Talfahrt des Traditionsvereins stoppen?
Für viele Fans und Experte war die Skandalsaison der Anfang des Abschwungs. Fener wurde für zwei Jahre von der UEFA von allen Wettbewerben ausgeschlossen und verlor viele Leistungsträger. Statt weitsichtiger Planung wurde das Heil in teuren ausländischen Altstars gesucht, Trainer wechselten nahezu jährlich und junge Spieler überlegten sich zweimal, ob sie zum Talentfriedhof Fenerbahçe wechseln sollten. Die Vereinsverschuldung stieg massiv in diesen Jahren und spätestens als Rekordspieler und Fanliebling Alex de Souza im Herbst 2012 unrühmlich den Verein verlassen musste, wurde die Kluft zwischen Anhängern und Führung immer größer.
„Das System Yıldırım hatte sich über die Jahre abgenutzt“, so Alper Kaya, Fußball-Kolumnist für die türkische Zeitung „Evrensel“. Doch der Altpräsident und seine Vertrauten seien nicht ohne Kampf gegangen: „Auf dem Papier hat Yıldırım zwar verloren, aber er verfügt noch immer über genügend Verbündete im Verein, die es dem neuen Führungsteam schwermachen können.“ Der schmutzige Wahlkampf Yıldırıms stand politischen Kampagnen in nichts nach – schließlich ist die Führung Fenerbahçes mit seinen Abermillionen fanatischen Fans auch eines der einflussreichsten Ämter des Landes.
Yıldırım versuchte sich als Bastion gegen eine Verschwörung von außen darzustellen und sprach seinem Kontrahenten die Qualifikation für den Job ab. Einige Beobachter stilisierten das Duell gar zur politischen Systemfrage hoch: Yıldırım als sich an seiner Macht festklammernder Alleinherrscher gegen Koç, dessen Familie und gleichnamige Holdinggesellschaft als Symbol für die „alte“ kemalistische Türkei gilt.
621 Millionen Euro Schulden
Tatsächlich versprach der neue Präsident in fast jedem Punkt eine 180-Grad-Wende. Sanierung der Finanzen statt überbordender Gehälter, Jugendförderung statt Altstars, Transparenz statt Hinterzimmer. Ali Koç ist eloquent und Spross der reichsten Familie der Türkei; zudem ein bekennender Fener-Fan, der bereits für einige Jahre im Aufsichtsrat saß. Mit 77 Prozent der Stimmen war seine Wahl ein deutliches Signal gegen die alte Führung. Und für den angekündigten Reformkurs.
In der Folge brach eine regelrechte Euphorie unter den Fans aus, über 39.000 Dauerkarten wurden verkauft. Koç machte schnell klar, dass er keinen Stein auf dem anderen lassen würde: Vizemeistertrainer Aykut Koçaman wurde entlassen, der niederländische Erfolgscoach Phillip Cocu verpflichtet und mit Damien Comolli zusätzlich ein französischer Sportdirektor mit Premier-League-Erfahrung installiert.
Die Hypothek, die der neue Präsident Ali Koç in seine erste Saison trug, wog jedoch schwer. Fenerbahçes Schuldenberg war mittlerweile auf 621 Millionen Euro angewachsen. Nach eigenen Angaben schoss Koç direkt im Juni 50 Millionen Euro zu, um laufende Kosten zu decken – darunter auch offene Spielergehälter. Zu dem schon fragilen Finanzkonstrukt kam die kriselnde türkische Währung hinzu. Die Verträge der Spieler werden üblicherweise in Euro oder Dollar verhandelt, so dass sich mit der dramatischen Abwertung der Lira über Nacht die Gehaltskosten fast verdoppelten. Mit Josef, Fernandão und Giuliano musste der Verein kurz vor Transferschluss drei Topverdiener und Leistungsträger kurzfristig ziehen lassen. Als Ersatz kamen weniger teure Spieler, teils zur Leihe aus der Premier League und Ligue 1, sowie die türkischen Talente Berke Özer, Barış Alıcı und Ferdi Kadıoğlu.