Gerhard Tremmel, inzwischen 37, kennt als Torwart von Swansea die walisische Fußball-Seele. Wie ist die Stimmung nach der für Wales so spektakulären EM?
Wie wird Swansea City von den englischen Fans in der Premier League wahrgenommen?
Wir werden immer noch müde belächelt, obwohl Swansea City jetzt in die sechste Premier League-Saison geht. Bei den Auswärtsspielen werden unsere Fans als „Sheepshagger“ bezeichnet – ich möchte das lieber nicht übersetzen. Aber die Swansea-Fans haben das längst aufgegriffen und schießen damit zurück, wenn die „Sheepshagger“ in Führung gehen.
Ihr Teamkollege Ashley Williams und nicht Real-Star Gareth Bale hat die walisische Nationalmannschaft als Kapitän bei der Euro angeführt. So etwas wäre bei Portugal undenkbar…
Es ist halt nicht immer so, dass der beste Fußballer auch der Kopf einer Mannschaft ist. Ashley Williams hat unbestritten große Leader-Fähigkeiten. Er ist sehr fordernd gegenüber seinen Mitspielern und nimmt auch kein Blatt vor den Mund.
Dass er ein gebürtiger Engländer ist, wie acht weitere Spieler im walisischen EM-Kader, spielt dabei keine Rolle?
Nein. Die deutsche Nationalelf hat ja auch nicht nur deutschstämmige Spieler in ihren Reihen. Das ist doch kein Problem. Ashley Williams ist eine absolute Integrationsfigur, die bei den Walisern sehr hoch angesehen ist.
Den Text der Nationalhymne keltischer Sprache musste er allerdings wie die anderen „Wales’s Anglos“ auswendig lernen – eine echte Herausforderung, allein schon wenn man nur die erste Zeile auszusprechen versucht: „Mae hen wlad fy nhadau yn annwyl i mi“. Wie sieht es mit Ihrem Keltisch aus, Sie leben immerhin schon seit fünf Jahren in Swansea?
Keine Chance. Ich kann gar nichts, und ich habe ehrlich gesagt nicht einmal versucht, wenigsten ein paar Brocken zu lernen. Das ist einfach extrem schwierig – obwohl man ja sagt, dass die Sprache so ähnlich wie Deutsch klingt… Hier in der Stadt wird sowieso nur Englisch gesprochen. Auf dem Land sieht das teilweise anders aus.
Von Januar bis Juni hat Swansea City Sie an den SV Werder Bremen ausgeliehen. Jetzt sind Sie wieder zurück in Wales. Für wie lange noch?
Mein Vertrag läuft noch ein Jahr hier. Aber im Fußball kann ja alles sehr schnell gehen. Fakt ist, dass ich mich hier Swansea sehr, sehr wohl fühle. Ich habe hier viele Freunde gefunden. Die Leute begegnen einem mit einer Offenheit und Herzlichkeit, wie ich sie sonst noch nirgends erlebt habe. Das kannte ich so aus Deutschland oder aus England nicht. Soweit man das mitbekommen hat, haben ja auch die walisischen Fans in Frankreich einen super Eindruck hinterlassen.