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Herr Wimmer, wie sieht denn das per­fekte Fuß­ball­sta­dion aus?

Es muss ein Kessel der Emo­tionen sein. Vor­aus­set­zung dafür ist, dass die Zuschauer mög­lichst nahe am Spiel­feld sind und das Sta­dion als akus­tisch und licht­tech­nisch opti­mierter Raum kon­zi­piert wurde. Das Sta­dion sollte ein weithin sicht­barer Iden­ti­fi­ka­ti­onsort der Stadt und ein Anzie­hungs­punkt für die Massen sein. Iden­ti­fi­ka­ti­ons­ge­halt, Nach­hal­tig­keit und Inno­va­tion sind die zen­tralen Aspekte.

Wie hat sich die Bedeu­tung des Fuß­ball­sta­dions als gesell­schaft­liche Begeg­nungs­stätte ver­än­dert? Fuß­ball ist ja längst kein Unter­schich­ten­sport mehr.
Es findet ein Trend zu einem gesamt­heit­li­chen Erleb­nis­an­spruch im Sinne der Event­ge­sell­schaft statt. Der Arbeits­titel für meine Kon­zep­tionen lautet daher auch: Sta­dien sind die Markt­plätze der Zukunft. Bei der Kon­zep­tion der Sta­dien ist darauf zu achten, dass ein Aus­ein­an­der­driften der Gesell­schafts­gruppen kei­nes­falls statt­findet.

Busi­ness-Logen, die in modernen Sta­dien nicht mehr weg­zu­denken sind, sorgen doch gerade für die Sepa­rie­rung der gesell­schaft­li­chen Gruppen – auch im Fuß­ball.

Ver­glei­chen wir die Situa­tion mit jener im Theater. Selbst­ver­ständ­lich gibt es dort die Sitz­plätze flan­kie­renden Logen. Sie sind aber so posi­tio­niert, dass eine räum­liche Inter­ak­tion statt­findet. Genau das gleiche Prinzip ver­wende ich im Sta­di­onbau. Der VIP-Bereich im Sta­dion in Kla­gen­furt ist ein groß­zü­giger offener Bereich, der zwi­schen Sta­di­on­in­nen­welt und ‑außen­welt gespannt und nicht in kleine Ein­heiten unter­teilt ist. Diese offene Situa­tion mit den vor­ge­la­gerten Bal­kon­sitz­plätzen eröffnet die ange­spro­chene räum­liche Inter­ak­tion.

Sie bezeich­neten vorher moderne Fuß­ball­sta­dien als Markt­plätze der Zukunft.

Wenn ich von Markt­plätzen spreche, sehe ich das Breu­ghel-Bild vor mir, jung und alt treffen ein­ander. Markt­platz bedeutet für mich Abbau von Bar­rieren, Erlebnis der Fülle und Leere, Lust und Lebens­freude, Ein­sam­keit und Gemein­sam­keit. Die von mir ent­wi­ckelten Sta­dien formen ein markt­platz­ar­tiges Geschehen: in Inns­bruck ist die Tivoli-Pas­sage mit Klet­ter­halle, dem Haus des Sports und den Lokalen ein Stadt­treff. Ein Sta­dion muss nicht nur fami­li­en­ge­recht sein, son­dern umfang­reiche Attrak­ti­vi­täten vor und nach dem Spiel bieten können. Die Ange­bote rei­chen vom Kin­der­ta­ges­heim bis zu den Ver­an­stal­tungs­räum­lich­keiten. Der Besuch des Sta­dions wird zum Tages­er­eignis.

Markt­platz klingt in den Ohren der Tra­di­tio­na­listen nach Kom­mer­zia­li­sie­rung des Fuß­balls…

Für mich nicht. Markt­platz bedeutet für mich auch die Inan­spruch­nahme von öffent­li­chem Raum und das bedeutet ja a priori Nicht­kom­mer­zia­li­sie­rung.

Welche dra­ma­tur­gi­schen“ Mittel kann der Archi­tekt ein­setzen, um das Sta­dion zum Fuß­ball-Erleb­nis­raum zu machen?

Lassen Sie mich es so erklären: man bewegt sich alleine zum Sta­dion hin, erlebt das Spiel mit all seinen Höhen und Tiefen aber kol­lektiv und löst sich beim Hin­aus­gehen aus der Gemein­schaft wieder langsam heraus. Hier ist eine Dra­ma­turgie bereits vor­ge­schrieben. Nehmen wir das Bei­spiel Kla­gen­furt. Vom Sport­park, einem groß­zü­gigen freien Raum, erreicht man über eine ein­drucks­volle Rampe die Ver­tei­ler­ebene des Sta­di­en­baus, jenem Bereich wo Ober- und Unter­rang zusam­men­treffen. Aber diese Rampe ist nicht nur als dra­ma­tur­gi­sches Mittel ein­ge­setzt, son­dern ist auch ein Bei­trag zur Sta­di­en­si­cher­heit. Denn auf dieser groß­zü­gigen Anram­pung können Emo­tionen auf- und auch wieder abge­baut werden.

Was ist für einen Archi­tekten das Fas­zi­nie­rende am Thema Fuß­ball­sta­dion?

Ein sol­ches Bau­werk lebt aus der Opu­lenz und dem Kon­trast von robusten, struk­tu­rellen Ele­menten einer­seits und qua­li­tativ hoch­wer­tigsten, sen­si­blen, feinen Ele­menten ande­rer­seits. Und selbst­ver­ständ­lich sind die Themen Masse und Markt­plätze der Zukunft eine enorme Her­aus­for­de­rung. Dazu kommt noch, dass ich selber fuß­ball­be­geis­tert bin.

Sie haben die EM-Sta­dien in Salz­burg, Inns­bruck und Kla­gen­furt geplant. In letz­terem finden zwei der drei Vor­run­den­spiele der deut­schen Mann­schaft statt. Welche Idee steckt hinter der Gestal­tung des Wör­ther­see­sta­dions?

Bevor ich Kla­gen­furt rea­li­sieren konnte, gab es die EM in Por­tugal sowie die WM in Deutsch­land. Sta­di­on­bauten lösten, was das Pres­tige für Städte betrifft, mitt­ler­weile Muse­ums­bauten ab. So waren die Ziele für Kla­gen­furt sehr ehr­geizig, mein gesamtes Reper­toire steckt in diesem Bau­werk: begin­nend mit der Insze­nie­rung der Dra­ma­turgie des zum Sta­dion kommen“ durch die Sta­di­on­rampe bis zum Gesamtraum­er­lebnis von der Ver­tei­ler­ebene aus und zum Ver­lassen des Tem­pels der Emo­tionen. Der dyna­mi­sche Ver­lauf der Dach­kante, die Sta­di­on­welle ver­fol­gend, sowie der glä­serne VIP-Bereich mit seinem Innen-Außen­bezug sind wei­tere Cha­rak­te­ris­tika des Bau­werkes, das zum Stadt­si­gnet avan­cierte.

Was zeichnet die öster­rei­chi­schen EM-Sta­dien aus?

Grund­sätz­lich die öko­no­mi­sche und res­sour­cen­scho­nende Her­an­ge­hens­weise. Unsere Sta­di­en­bauten sind nur halb so teuer wie die Objekte der Schweiz. Zudem ist für jeden Ort ein eigener Typus ent­wi­ckelt und dem Topos ent­spre­chend arti­ku­liert worden. In Inns­bruck wurde ein Kon­zept ver­folgt, das die herr­liche Berg­kette als natür­li­chen Rahmen akzep­tiert, quasi zwi­schen dem Erleb­nis­kessel Sta­dion als Innen­welt und der Kulisse Berg­welt als Außen­welt per­fekt ver­mit­telt. Die Auf­sto­ckung des Sta­dions für die Euro 2008 bezeichne ich als Stadt­loge mit herr­li­chem Aus­blick ins Inntal.

Nach der EM ver­schwindet diese Loge wieder. Auch die Sta­dien in Salz­burg und Kla­gen­furt werden erheb­lich ver­klei­nert. Blutet da nicht das Archi­tek­ten­herz?

Selbst­ver­ständ­lich. Ande­rer­seits ist die Aus­ein­an­der­set­zung mit tem­po­rärer Archi­tektur, also der unmit­tel­baren Ver­än­de­rung von Bau­werken ein wesent­li­ches zukünf­tiges Thema meines Ate­liers im Bereich Sta­di­enbau.

Viele öster­rei­chi­sche Fuß­ball-Fans schüt­teln ange­sichts der Rück­baus nur den Kopf.

Inns­bruck bei­spiels­weise hat einen Ein­zugs­ra­dius von rund 600.000 Bewoh­nern. Dies bedeutet, auf poten­ti­elle Sta­di­on­be­su­cher umge­legt, eine Sta­di­en­größe zwi­schen 15.000 und 20.000 Besu­cher als opti­male Größe. Dem­nach wird Inns­bruck rück­ge­baut, wobei von mir auf­ge­zeigt wurde, wie mit den Rück­bau­ele­menten an anderen Spiel­stätten wieder etwas auf­ge­baut werden kann.

Ist Ein­fach­heit“ im Sta­di­onbau ein wich­tiges Ele­ment und wie viel Luxus darf es denn sein?

Die Pola­rität zwi­schen Ele­ganz beim Fuß­ball­fest und robuster struk­tu­reller Klar­heit beim Sta­di­enbau macht unter anderem den Reiz in der Pro­jekts­ent­wick­lung aus. Seit der Euro­pa­meis­ter­schaft in Por­tugal und der Welt­meis­ter­schaft in Deutsch­land ist ein deut­li­ches Ansteigen der Qua­li­täts­stan­dards fest­zu­stellen.

Die eng­li­schen Arenen gelten häufig als Vor­bilder. Für Sie auch?

Was die Besu­cher­zahlen und Aus­strah­lungs­kraft der Spiel­orte betrifft jeden­falls.

In Deutsch­land gibt es unter den Fans viele Nost­al­giker, die lieber im alten Sta­dion als in einer modernen Arena ihren Klub unter­stützen wollen. Ver­stehen Sie das?

Selbst­ver­ständ­lich, wenn ich davon aus­gehe, dass in vielen neuen Sta­dien auf den unglaub­li­chen emo­tio­nalen Wert der Heim­fans zu wenig Rück­sicht genommen wird. Die Heim­fans sind der Garant für Stim­mung. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit ihren Vor­stel­lungen ist enorm wichtig.

Was sind Ihre per­sön­li­chen Lieb­lings­fuß­ball-Sta­dien?

Das Sant­iago-Ber­nabéu-Sta­dion in Madrid und das Pra­ter­sta­dion in Wien. Mich begeis­tern die Impo­sanz des einen sowie die struk­tu­relle Klar­heit und das enorme Poten­tial des anderen.