Am 18. April 2009 gewinnt der FC Bayern 1:0 gegen Arminia Bielefeld – eine Woche später musst Trainer Jürgen Klinsmann gehen. Erinnerungen an die letzten Tagen einer neuen Ära, die keine wurde.
Uli Hoeneß hatte Jürgen Klinsmann verdammt lieb. Bei den Spielen saß er meistens neben ihm auf der Bank, und wenn die Bayern ein Tor schossen oder einen Sieg holten, dann knuddelte der Manager seinen Trainer durch. Im März 2009, als es nach drei sieglosen Spielen in Folge sehr brenzlig für Klinsi wurde, nahm er ihn sogar in den Schwitzkasten. Später berichtete der Trainer von großer Freude und Atemnot. Es war ein Druck der ganz besonderen Art.
Am 18. April 2009 umarmten sich die beiden zum letzten Mal – beim bis heute letzten Aufeinandertreffen zwischen dem FC Bayern und Arminia Bielfeld. Der Rekordmeister gewann auf der Alm mit 1:0. Ein Arbeitssieg, wie man im Fußball sagt, dreckig, humorlos und mit Luca Toni. Nach dem Spiel sagte Klinsmann: „Der Manager ist mein wichtigster Begleiter in dieser turbulenten Saison, er ist immer an meiner Seite, er steht zu mir.“ Er sollte sich irren.
Womit er allerdings Recht hatte: Die Saison war wirklich sehr turbulent verlaufen. Mal fegten die Bayern Gegner wie Sporting Lissabon 7:1 und 5:0 aus dem Stadion, dann verloren sie gegen Hertha oder Köln. Gegen Bochum mühte sich das Team zu einem 3:3, gegen Rot-Weiß Erfurt stand es schon in der ersten Pokalrunde vor dem Aus (4:3), das dann im Viertelfinale gegen Leverkusen kam (2:4). Von einem Licht am Ende des Tunnels sprachen die Verantwortlichen nach Siegen gerne. In Wahrheit war stets ein Tunnel am Ende des Lichts zu sehen.
„Wir haben das Jahr 2009, die Zukunft des FC Bayern steht auf dem Spiel“
Richtig düster wurde es Anfang April, und man wundert sich heute, wie Klinsmann diese ersten Tage noch überlebte. Am 4. April verloren die Bayern 1:5 gegen den VfL Wolfsburg, Grafite tanzte dabei die halbe Bayern-Defensive aus schob den Ball genüsslich per Hacke ins Tor. Es war eine Demütigung. Eine Demonstration. So etwas hatte eine Abwehr nicht mehr erlebt, seit Jay-Jay Okocha 1993 Oliver Kahn und vier weitere KSC-Verteidiger ausgetanzt hatte.
Die Bayern rutschen auf den vierten Platz in der Liga ab, und Klinsmann, sonst eher Sonnyboy als Choleriker, schien zum ersten Mal richtig aufgebracht. Noch am Morgen nach dem Spiel habe er vor Wut gekocht, sagte er auf der Pressekonferenz am Sonntag. „Wir haben das Jahr 2009, die Zukunft des FC Bayern steht auf dem Spiel“, zürnte er, die FAZ schrieb daraufhin: „Klinsmann lächelt nicht mehr.“ Nur einer, nämlich Uli Hoeneß, hielt weiter zum Trainer: „Wir schauen von Spiel zu Spiel.“
Das machten die Bayern vier Tage später beim FC Barcelona, Viertelfinalhinspiel in der Champions League. Klinsmann überraschte mit einem Wechsel: Statt Michael Rensing stand nun Hans-Jörg Butt im Tor. Aber es ging genauso katastrophal weiter. 0:4 stand es schon zur Halbzeit, zweimal Messi, je einmal Eto’o und Henry. Die Bayern wirkten neben den leichtfüßigen Barca-Zauberern wie übergewichtige Oktoberfesttouristen nach ihrer fünften Maß. Aber so richtig störte sich kaum ein Spieler daran, in der Halbzeitpause sollen zwei Bayern-Profis die Barca-Stürmer Eto’o und Henry nach ihren Trikots gefragt haben. „Wie Fans!“, schnappatmete die „Bild“, die das 0:4 als „Nacht der Schande von Barcelona“ bezeichnete. Hoeneß sagte erst mal wenig, nur dass er „drüber schlafen“ müsse.
Aber auch am nächsten Morgen war Klinsmann noch Trainer. Vermutlich auch weil niemand, am allerwenigsten Hoeneß, eingestehen wollte, dass die Verpflichtung ein Fehler gewesen war. Diese Klinsi-Story musste eine Erfolgsstory werden. Und ja, da flackerte bald wieder ein Hoffnungsschimmer. In der Liga gewann die Mannschaft 4:0 gegen Frankfurt, Umarmungen, Schwitzkasten, ja mei, wir schaffen das. Im Rückspiel gegen Barcelona kamen die Bayern zu einem 1:1‑Achtungserfolg. Dann ging es nach Bielefeld.