Drittligist KFC Uerdingen verpflichtet Stefan Effenberg als Manager, um der Krise zu entkommen. „Effe“ wird viel Mut und Geschick in seinem neuen Amt brauchen, denn auf ihn warten nicht nur sportliche Herausforderungen.
Als Stefan Effenberg vor vier Jahren als Trainer des SC Paderborn vorgestellt wurde, war er sich der Brisanz dieser Aufgabenstellung bewusst: „Der erste Schuss muss sitzen“, sprach Effe. Schließlich waren einige Jahre ins Land gegangen, seit der kantige Mittelfeldstratege aus dem aktiven Geschäft ausgestiegen war. Nun war es an ihm zu beweisen, dass er als Trainer genug Fachwissen und emotionale Intelligenz besaß, um wieder im Profibereich Fuß zu fassen.
Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Nach sechs Monaten durfte er sich seine Papiere wieder abholen. Der sportliche Erfolg war ausgeblieben. Mäzen Finke quatschte ihm in die Aufstellung rein. Im Trainingslager ereigneten sich seltsame Dinge, wie die sogenannte „Penis-Affäre“ um Nick Proschwitz. Am Ende blieb der Eindruck zurück, dass Effenberg, der zur aktiven Zeit als Mann klarer Ansagen galt und sich jeder sportlichen Herausforderung so aufrecht und fintenreich stellte wie Terence Hill in Filmen einem halben Dutzend Mafiaschergen, als Trainer sein Chef-Karma verloren hatte.
Starkstrom-Pundit auf Lebenszeit
Nach Paderborn trat er jedenfalls nie mehr als Übungsleiter in Erscheinung. Die Journaille hatte sich längst damit abgefunden, Deutschlands bekanntesten Stinkefinger bis zur Verrentung nur noch als Gesichtsvermieter zu erleben. Als Starkstrom-Pundit in Spartenkanälen oder als Graue Eminenz in mediokren Spielerberatungsagenturen. Doch Stefan Effenberg will es offenbar noch einmal wissen. Am Freitag wurde bekannt, dass er ab sofort als Manager des KFC Uerdingen fungiert. Der Verein verkündetet, dass er dem sinistren Präsidenten Mikhail Ponomarev, Geschäftsführer Nikolas Weinhart und dem Trainerteam bei sportlichen Entscheidungen zur Seite stehen soll. Der Mannschaft wurde sogleich ein medialer Maulkorb verpasst – die Spieler dürfen sich nicht zur der Neuverpflichtung auf dem Managerposten äußern. Offenbar fürchtete die KFC-Führung, dass sich einige um Kopf und Kragen reden könnten.
Denn die Effenberg-Verpflichtung fügt sich auf den ersten Blick perfekt in das öffentliche Gesamtbild vom Chaosklub, das der KFC Uerdingen seit geraumer Zeit abgibt. Von Klubchef Ponomarev ist bekannt, dass er nach Gutsherrenart regiert und Kündigungen gern mal im Affekt ausspricht, ohne sich vorher über die arebitsrechtlichen Konsequenzen Gedanken gemacht zu haben. Allein in diesem Jahr saßen bereits fünf Trainer beim KFC auf der Bank. Und jetzt soll ausgerechnet ein sportlicher Leiter die Situation verbessern, der zuvor noch nie als Manager gewirkt hat?
Hat sein Image den Ausschlag gegeben?
Vielleicht gab Effenbergs Image den Ausschlag bei seiner Verpflichtung. Als Spieler war er bekannt, gerade in prekären Situationen das Heft des Handelns an sich zu reißen und dem Gegner im Stile eines Wasserwerfers Respekt einzuflößen. Effe zeichnete aus, dass er vor nichts und niemand Angst hatte – und damit auch seinen Teamkollegen signalisierte, sie müssten den Kopf nur oben behalten. Ein Effekt, den der KFC sehr gut brauchen könnte. Effenberg wird die Ellenbogen ausfahren müssen, wenn er mit einem Vorgesetzten wie Ponomarev zusammenarbeiten will.
Denn der Russe hat die Verdrängung eines Walrosses. Wenn ihm etwas nicht passt, macht er kurzen Prozess. Gut möglich, dass einer wie er sich unterbewusst in Effenberg sogar einen Konterpart erhofft, der ihm auf Augenhöhe begegnet. Der ihm, wenn es sein muss, auch mal sagt, aus welchen Belangen er sich rauszuhalten kann. Der die Interessen des Mäzens moderiert, ihm aber in wichtigen Fragen auch mal Kontra gibt. Denn eins ist sicher: So ungeordnet und ohne erkennbare Strategie kann es beim KFC nicht weitergehen.
Frühere Bundesliga-Stars wie Kevin Großkreutz, Jan Kirchhoff oder Assani Lukimya laufen ihrer Form meilenweit hinterher. Der Kader wirkt unausgegoren und gehemmt. Dass es einen Funktionär braucht, der sportliche Expertise mitbringt, der einen groben Überblick über den Transfermarkt hat und eine Idee, wie erfolgreiche Mannschaften funktionieren, steht außer Frage. Niemand würde Effenberg diese Eigenschaften absprechen. Nun muss er beweisen, dass er auch über die Empathie, das pädagogische Geschick und ausreichend Rationalität verfügt, um auf allen Klubebenen die Verkrampfung zu lösen, die die hohen sportlichen Erwartungen in Verbindung mit den jüngsten menschlichen Verwerfungen offenbar ausgelöst haben.
Effe kann viel Reputation verspielen
Dass Stefan Effenberg den Mut aufbringt, sich auf dieses unsichere Terrain zu begeben, um wieder Anschluss im aktiven Geschäft zu findet, verdient Respekt. Er hätte es sich leicht machen können und wäre wie die Ex-Kollegen Matthäus und Basler den Rest seines Berufslebens als schlaffer TV-Experte über die Runden gekommen. Doch offenbar fehlt ihm der Geruch von Gras so sehr, dass er lieber den Sprung ins eisige Wasser von Uerdingen riskiert, in dem sich einige namhafte Protagnisten – Stefan Krämer, Norbert Meier, Michael Wiesinger, you name it – eine fiese Grippe eingehandelt hatten.
Und die Reputation, die ein Mann wie Effenberg bei diesem Deal verspielen kann, ist da freilich noch um einiges bedeutsamer. Als Stefan Effenberg im Oktober 2015 bei seiner ersten Pressekonferenz in Paderborn die Bühne betrat, sagte er: „Ich bin es wirklich“. Als müsse er sich selbst noch einmal versichern, dass er nun als Trainer in den Niederungen der zweiten Bundesliga angekommen sei. Ihm ist nur zu wünschen, dass er sich vor dem Engagement in Uerdingen gut überlegt hat, wohin er sich begibt: Als Manager-Greenhorn zu einem schlingernden Drittligisten im Greifarm eines selbstverliebten Investors.
Gehen wir davon aus, dass er sich der Gefahr bewusst ist, was für ihn hier auf dem Spiel steht. Ansonsten könnte es Effenbergs letzte Patrone im großen Fußball-Monopoly gewesen sein.