Nach mehr als 750 Spielen bestritt Andrea Pirlo am vergangenen Wochenende sein letztes. Er war einer der besten Fußballer unserer Zeit und vermutlich der coolste jemals. Weswegen er uns fehlen wird wie kein Zweiter.
„Bist du wahnsinnig, Andrea?“, fragten ihn seine Team-Kollegen, nachdem er im Viertelfinal-Elfmeterschießen gegen England bei der Europameisterschaft 2012 den Ball in die Mitte gechippt hatte. Doch seine Erklärung dafür? Klingt nicht nach Wahnsinn, sondern logisch, lässig und unglaublich cool zugleich, sie klingt nach ihm: „Dass ich den Ball in die Mitte chippte, hatte den einfachen Grund, dass mir im allerletzten Moment klar wurde, dass das die sicherste Möglichkeit war, meinen Elfmeter im Netz unterzubringen.“
Drei Jahre, nachdem Antonin Panenka einen Elfer erstmals derartig im Netz versenkte, erblickte Andrea Pirlo 1979 im italienischen Flero das Licht der Welt. Zum Glück. Denn es gibt viele gute Fußballspieler und auch einige Weltklasse-Spieler, aber es gibt nur wenige wie Andrea Pirlo. Spieler, die dem Spiel einen bestimmten Glanz verleihen, nicht unbedingt durch auffällige Aktionen, sondern einfach durch ihre Art das Spiel zu lenken, es zu bestimmen. Andrea Pirlo war ein echter „Maestro“. Doch er war nicht nur der Meister, vielmehr der Architekt, der Erschaffer des Spiels.
Der Ball suchte ihn
Pirlo suchte nie nach dem Ball, der Ball suchte ihn und er fand ihn – immer. Pirlo selbst fand dagegen Räume, wo keine waren, die sonst keiner sah, doch auf einmal waren sie da. In diese Räume spielte er Pässe, mit so einer perfekten Präzision, wie es nur wenige können. Die Idee ist mit Sicherheit in den Köpfen vieler guter Spieler, doch die Ausführung, den Pass genau in diesem Moment, mit genau dieser Stärke zu spielen, gelingt nur wenigen.
Wenn er nicht gerade zufällig einen Traumpass schlug oder den Pass vor dem Pass, der zum Erfolg führte, schoss Pirlo natürlich auch selber Tore. Aber nicht irgendwelche, nein, selbstverständlich schoss er eben diese Tore, die einen mindestens für zehn Minuten mit offenem Mund dasitzen lassen. Aus 30, 35 Metern Entfernung, völlig unerwartet schlenzte Pirlo auf einmal den Ball ins rechte obere Eck – immer und immer wieder.