Vor drei Jahren noch war Harry Maguire teuerster Verteidiger aller Zeiten, Liebling der Massen, einer von ihnen. Nun pfeifen ihn die Fans der englischen Nationalmannschaft aus. Was ist passiert?
Natürlich sind auch seine sportlichen Leistungen für diese Entwicklung nicht unerheblich. In seinen mittlerweile knapp drei Jahren bei ManUnited hat es Maguire nie richtig geschafft, die hohen Erwartungen in seine Person zu erfüllen. Er gilt als fehleranfällig, behäbig und unzureichend im Spielaufbau. Die Rückkehr zu alten Glanzzeiten ist bei Manchester United bis dato ausgeblieben – was die Fans eng mit dem Namen Harry Maguire verknüpfen. Vor allem im Verlauf des letzten Jahres mehrte sich die Kritik am Abwehrspieler, die ersten „Harry Maguire Fail Compilations“, voll mit Patzern Maguires, fanden ihren Weg ins Internet.
Und auch Experten kritisierten den Hünen. Der ehemalige niederländische Nationalspieler Rafael van der Vaart sagte beispielsweise: „Ich kann nicht verstehen, wieso Manchester United so viel Geld für ihn bezahlt hat. Er ist einfach schlecht. Man findet Spieler wie ihn auf jedem Amateuersportplatz in den Niederlanden.“ Auch United-Ikone Rio Ferdinand, einst selbst Innenverteidiger, äußerte kürzlich seine Zweifel, ob Maguire der Kragenweite von Manchester United gewachsen sei. Immerhin sei er ja bis heute Kapitän. Spätestens als Maguire seinen Teamkollegen Fred wegen eines Fehlpasses während einem Spiel als „verdammten Idioten“ bezeichnete, kippte die Stimmung in den englischen Medien. Maguire sollte von nun an unter permanenter Beobachtung stehen, jede seiner Leistungen bis ins kleinste Detail zerrissen werden.
Diesem Druck hielt Maguire nicht stand. Seine Leistungen wurden immer schwankender, die Ergebnisse United ebenfalls. Teilweise wurden Auswechslungen des Innenverteidigers mit höhnischem Beifall quittiert. Selbst ein Song, den die Fans Maguire widmeten, dreht sich nur um dessen ziemlich massiven Schädel und seine kantige Statur. Lobpreisungen seiner Leistung? Fehlanzeige. Der einstige Hoffnungsträger der Engländer verkommt immer mehr zum Meme des englischen Fußballs. Seit kurzem kursiert etwa ein Video, das Maguire im Rahmen einer Fußball-Simulation zeigt, wie er in Jeans-Hosen orientierungslos über den Platz stolpert. Für den Urheber wohl ein Symbol der sportlichen Leistungen Maguires.
Den negativen Höhepunkt erreichte die Stimmung gegen Harry Maguire dann beim Testspiel gegen die Elfenbeinküste am vergangenen Dienstag. Bereits während der Durchsage seines Namens bei der Mannschaftsaufstellung wurden Pfiffe laut, diese setzten sich auch während des Spiels bei Ballkontakten Maguires fort. Selbst die Tatsache, dass der Abwehr-Hüne an zwei Treffern beim 5:0 Sieg direkt beteiligt war, brachte die Fans nicht zum Schweigen. Sein Trainer Gareth Southgate und seine Mitspieler stellten sich daraufhin hinter Maguire. Sie betonten, welchen Einfluss der Verteidiger auf das Spiel der Mannschaft habe, wie wichtig er als Kapitän sei und welchen Stellenwert er genieße. Liverpools Jordan Henderson, seines Zeichens Vize-Kapitän hinter Maguire, setzte sogar einen Post via Instagram ab, in dem er die Fans für ihr Verhalten scharf kritisierte.
Für die „Three Lions“ kommt dieses Pfeifkonzert zur Unzeit. Während der Ära Southgate hatte die Mannschaft bereits einige Anstrengungen unternommen, um die Gunst der traditionell launischen Anhänger zurückzugewinnen. Gerade der Vize-EM-Titel 2021 hat beide Parteien zusammengeschweißt. Ein erneuter Graben zwischen Fans und Mannschaft durch Themen der Kategorie Maguire würde dieses Rad wieder zurückdrehen. Maguire selbst wird wohl in Zukunft vor allem durch sportliche Leistungen und Skandalfreiheit die Gunst der Anhänger zurückgewinnen können. Dann sollte der englischen Fußballwelt auch wieder bewusst werden, wie der bodenständige und nahbare Mensch Harry Maguire einst ihre Herzen im Sturm erobert hat. Vielleicht taucht dann ja auch bald ein Video auf, das wirklich von der Kunst des Verteidigens des Harry Maguire handelt. Aktuell benötigen diese Kunst vor allem seine Nationalmannschaftskollegen, um ihn vor dem harten Gericht der englischen Fans zu verteidigen.
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