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Es gibt viele Daten, die tief im kol­lek­tiven Gedächtnis der ita­lie­ni­schen Fuß­ball­fans ein­ge­brannt sind. Der 17. Juni 1970, als die Squadra Azzurra durch ein 4:3 gegen Deutsch­land im Jahr­hun­dert­spiel ins WM-Finale ein­zieht. Der 9. Juli 2006, als sie im Ber­liner Olym­pia­sta­dion zum vierten Mal Welt­meister wird. Oder der 13. November 2017, der schwarze Montag, an dem die Mann­schaft durch ein 0:0 im Play-off-Rückspiel gegen Schweden nach fast 60 Jahren wieder eine WM ver­passt.

Die Bedeu­tung des 3. März 2010 kennen hin­gegen nur abso­lute Sta­tis­tik­nerds – und das ist nicht ver­wun­der­lich, denn alles beginnt sehr unscheinbar. Die ita­lie­ni­sche Natio­nal­mann­schaft bereitet sich im Stade Louis II von Monaco mit einem Test­spiel gegen Kamerun auf die nahende WM in Südafrika vor. Die Azzurri, immerhin amtie­render Welt­meister, sind zu jener Zeit ein konfus zusam­men­ge­stellter Haufen, bei dem zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit eine rie­sige Lücke klafft. Alte Seil­schaften und Mar­cello Lippis Loyalität gegenüber den Welt­meis­tern von 2006 stehen einem nötigen Neu­aufbau im Weg und in Südafrika gibt es die Quit­tung: Ita­lien scheidet schon in der Vor­runde aus. Doch auch im Miss­erfolg muss nicht alles schlecht sein. Und so wird an diesem Vorfrühlingstag vor elf Jahren, in einem bie­deren Test­spiel vor 18 000 Zuschauern, eines der besten Ver­tei­di­ger­duos der jüngeren Fuß­ball­ge­schichte geboren. In der Drei­er­kette der Ita­liener stehen neben Veteran Fabio Canna­varo erst­mals Giorgio Chiel­lini, 25, und Leo­nardo Bonucci, 22, gemeinsam auf dem Feld – und spielen zu Null.

Bonucci und Chiel­lini ver­stehen sich blind

Wenige Monate später wech­selt Bonucci aus Bari zu Juventus Turin, wo Chiel­lini schon seit Jahren spielt. Es gibt im inter­na­tio­nalen Spit­zen­fuß­ball keine zwei Innen­ver­tei­diger, die seitdem so oft neben­ein­ander auf dem Platz standen. Mehr als 400 Spiele haben Bonucci, mitt­ler­weile 34 Jahre alt, und Chiel­lini, 36, gemeinsam bestritten. Im EM-Vier­tel­fi­nale gegen Bel­gien am Freitag (21 Uhr, ZDF und Magenta) werden sie wieder die ita­lie­ni­sche Abwehr­zen­trale bilden, zusammen kommen sie dann auf 217 Länderspiele.

Zuletzt musste Bonucci ohne seinen Stamm­partner aus­kommen. Chiel­lini hatte sich im zweiten Grup­pen­spiel gegen die Schweiz eine leichte muskuläre Ver­let­zung zuge­zogen, recht­zeitig zum Duell mit dem Welt­rang­lis­ten­ersten ist er aber wieder fit. Es ist nicht ganz ohne Risiko, einen frisch gene­senen Ver­tei­diger ohne Spiel­rhythmus in einem K.o.-Spiel gegen eine der besten Offen­siven der Welt auf­zu­stellen. Gerade in der Defen­sive setzen die meisten Trainer eher auf Sicher­heit und Kontinuität. Doch dass Roberto Man­cini seinem Kapitän sofort wieder das Ver­trauen schenkt, steht außer Frage. Zumal Chiel­lini derart erfahren ist – und das gilt zu seinem Leid­wesen auch für den Umgang mit muskulären Ver­let­zungen –, dass er nor­ma­ler­weise keine Anlauf­zeit braucht. Mit Bonucci ver­steht er sich ohnehin blind. Leo und ich spielen schon so lange zusammen, dass wir natürlich ein ganz spe­zi­elles Fee­ling haben. Wir müssen uns nicht mal mehr anschauen“, sagte Chiel­lini vor dem Tur­nier in einem Inter­view mit der Uefa.

In der breiten Öffentlichkeit wird das Ver­hin­dern von Toren eher als not­wen­dige, aber wenig sehens­werte Arbeit ange­sehen. In High­light-Videos finden sich Tore, Pässe, Tricks, jedoch kaum gewon­nene Defensivzweikämpfe oder guter Spiel­aufbau. Daher ist es nicht ver­wun­der­lich, dass Chiel­lini und Bonucci in der Fuß­ball­branche deut­lich mehr Wertschätzung genießen als bei den meisten Fans. Mat­thijs De Ligt, in Turin so etwas wie Lehr­ling und poten­zi­eller Nach­folger des Duos, sagte wenige Monate nach seinem Wechsel von Ajax Ams­terdam, Ver­tei­digen sei in Ita­lien eine Kunst­form“ und Chiel­lini ein Meister dieses Fachs. 2018 schwärmte mit José Mour­inho ein Mann von den zwei Ita­lie­nern, der eben­falls ein exzel­lentes Auge für Abwehr­ar­beit hat. Nach einer 0:1- Nie­der­lage mit Man­chester United gegen Juve hielt der Trainer auf der Pres­se­kon­fe­renz unge­fragt eine Lob­rede. Mister Bonucci und Mister Chiel­lini könnten an die Har­vard Uni­ver­sity gehen und dort unter­richten, wie man als Innen­ver­tei­diger spielt. Fan­tas­tisch, absolut fan­tas­tisch!“, sagte Mour­inho.