2007 verpflichtete die TSG Hoffenheim gleich sieben B‑Junioren des VfL Neckarau. Aber der Weg zum Profi ist hart, nicht alle schafften den Sprung. Freunde sind sie geblieben.
Für die übrigen sechs Freunde geht der Weg derweil weiter nach oben. Gulde und Terrazzino werden mit der goldenen Fritz-Walter-Medaille ausgezeichnet, nach der Meistersaison gehören Terrazzino, Groß und Gulde den Profis an und feiern nach und nach ihre Bundesligadebüts. Während vor allem Marco Terrazzino als Next Big Thing gehypt wird, arbeiten die anderen in der U19 an der Profikarriere. Philipp Meyer verfolgt die Spiele der TSG am Wochenende in der Sky-Einzeloption und hofft darauf, dass er seine Kumpels sieht. „Das war richtig geil, wenn sie eingewechselt wurden. Ich habe immer sofort per SMS gratuliert.“ Auch Szarka, Loviso und Gruber gönnen ihren Kumpels den Erfolg, Neid gibt es nicht. „Ich habe mich für sie gefreut. Ich war auch nicht enttäuscht, dass ich noch nicht bei den Profis dabei war. Ich dachte, dann soll es eben noch nicht sein“, sagt Robin Szarka. Doch die Euphorie weicht schnell den Realitäten des Profigeschäfts. Manuel Gulde zieht sich eine Verletzung nach der anderen zu, Terrazzino und Groß kämpfen mit der unbekannten Drucksituation in einem Profikader. Nach fünf Jahren Party kommt der Kater.
„Der Hype war viel zu viel“, sagt Terrazzino über diese Zeit, und man sieht, wie ihm die Lockerheit, die er an sich hat, schlagartig abgeht, wenn er darüber spricht. „Als ich einmal leicht verletzt war, war sofort eine Doppelseite über mich in der Zeitung, ›Rangnick bangt um dieses Talent‹ war der Titel. Da war ich 17 und dachte nur: Was ist denn jetzt los?! Ich war noch nicht bereit für die Bundesliga, weder mental noch körperlich.“ Der Übergang vom Jugend- zum Herrenbereich droht im ersten Anlauf zu scheitern, auch weil der Verein ungeduldig ist. „Es wurde zu früh zu viel von uns gefordert. Bei meinem vorletzten Spiel für die Profis sagte Rangnick in der Halbzeit zu mir: ›Du kommst jetzt rein und drehst das Spiel.‹ Aber ich spielte nicht gut, ich war ängstlich. Nach der Partie kritisierte er mich öffentlich auf der Pressekonferenz“, sagt Terrazzino, und würde man ihn erst in diesem Moment kennenlernen, man würde nicht verstehen, was die anderen meinen, wenn sie ihn als „Gute Seele“ oder „Spaßvogel“ beschreiben.
„Wir sind verheizt worden.“
Es sind vor allem der hohe Erwartungsdruck und die Doppelbelastung mit Schule bzw. Berufsschule und Ausbildung, die Terrazzino und Groß zusetzen. „Ich bin jeden Tag, Marco zweimal die Woche um sechs Uhr früh mit dem Zug zur Schule gefahren. Tagsüber war dann Training und spätabends war ich wieder zu Hause“, sagt Groß. „Es gab Tage, da saßen Marco und ich morgens im Zug, haben uns angeguckt und gesagt: Komm, wir bleiben einfach sitzen. Wir fahren einfach weiter, egal. Ich war nur noch erschöpft.“ Sie trainieren mit den Profis, helfen in der U19 und U23 aus, haben gesondertes Athletiktraining – der Sport ist parallel zur Schule zum Beruf geworden. Und überfordert die Jungs. „Irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Fußball“, sagt Terrazzino. „Wir sind verheizt worden.“
Auch bei den übrigen stockt die Karriere. Der richtige Trainer, Gesundheit, Glück – auf dem Weg zum Profi spielt alles eine Rolle. Marcel Gruber, der mit 15 Jahren der erste Juniorennationalspieler aus der Gruppe war, verletzt sich zu einem ungünstigen Zeitpunkt, der Verein lässt ihn fallen. Gruber wechselt zu Astoria Walldorf in die Verbandsliga, für die er eigentlich zu gut ist. Nach einem gescheiterten Versuch, über die Reserve des FSV Frankfurt noch den Sprung in die zweite Liga zu schaffen, entscheidet er sich 2013 für ein Architekturstudium in Darmstadt, wo er nun seinen Master macht. „Für mich ist es nicht optimal gelaufen. Aber trotzdem will ich die Zeit nicht missen. Damals war es die richtige Entscheidung, nach Hoffenheim zu gehen.“
„Ich bin in ein ziemliches Loch gefallen“
Ähnlich wie Gruber ergeht es Anthony Loviso, der mittlerweile im Vertrieb eines italienischen Unternehmens in Mannheim arbeitet. In der A‑Jugend noch Kapitän, eröffnet ihm der damalige Sportdirektor Ernst Tanner, dass es für den Profibereich nicht reicht. Ein Einschnitt, mit dem Loviso lange zu kämpfen hat. „Ich bin in ein ziemliches Loch gefallen und durch die Gegend getingelt, habe mal in Cottbus mittrainiert oder bei Odense BK. Aber letztlich war es utopisch, dass ich Profi werde. Ich habe von Anfang an zu wenig für meinen Traum getan. Wenn die anderen im Kraftraum waren, habe ich in der Küche eine große Schüssel Kellogg’s gegessen“, sagt er heute.
Für die Beliebigkeit, mit der eine Fußballerkarriere in die eine oder andere Richtung führen kann, steht exemplarisch Pascal Groß. Gemeinsam mit Terrazzino bei Hoffenheim in die U23 zurückgestuft, geht er 2011 zum KSC in die zweite Liga und schließlich nach Ingolstadt. Unter Marco Kurz ist Groß „plötzlich Sechser Nummer sechs im Kader. Wenn die anderen zum Trainingsspiel antraten, habe ich dem dritten Torwart auf dem Nebenplatz die Bälle aufs Tor geschossen.“