2007 verpflichtete die TSG Hoffenheim gleich sieben B‑Junioren des VfL Neckarau. Aber der Weg zum Profi ist hart, nicht alle schafften den Sprung. Freunde sind sie geblieben.
Für Stephan Groß selbst war klar, dass Neckarau nur ein Sprungbrett für die Talente sein würde. „Es hat geschmerzt, als sie gegangen sind, aber es war richtig. Sie waren einfach zu gut.“ Die Nachwuchsleistungszentren der umliegenden Profiklubs können den Jungs Bedingungen und einen Wettbewerb bieten, wie es der VfL ab einem gewissen Punkt nicht mehr vermag. Kaiserslautern, Karlsruhe, Stuttgart, Frankfurt – Die Frage ist längst nicht mehr, ob, sondern wohin sie wechseln. „Ich hätte eigentlich überall hingehen können“, sagt Manuel Gulde, „wir hatten alle mehrere Angebote.“
Dass sich gleich alle sieben für Hoffenheim entscheiden, entwickelt sich nach und nach. Gulde ist der erste, der zur nur 45 Autominuten entfernten TSG tendiert, nachdem Trainer Ralf Rangnick und Mäzen Dietmar Hopp ihn zu einem persönlichen Gespräch treffen. Terrazzino und Groß ziehen nach einem Gespräch mit Rangnick nach, sukzessive entscheiden sich auch die übrigen, das Angebot aus dem Kraichgau anzunehmen. „Hoffenheim hat uns parallel angesprochen. Wir haben nicht gesagt: Komm, wir gehen da alle hin. Jeder hat sich für sich Gedanken gemacht“, sagt Anthony Loviso. „Aber als klar war, dass wir alle nach Hoffenheim gehen, haben wir uns riesig gefreut.“
Vier Jahre nach der Kreisliga stehen sie im Finale um die Deutsche Meisterschaft.
Beim 2007 noch aufstrebenden Fußballprojekt im Kraichgau erwartet die Jungs eine andere Welt. Ein Ufo von Trainingszentrum ist im Bau, fortan kümmern sich eine Ernährungsberaterin, drei Physiotherapeuten und ein eigener Athletiktrainer um die sieben Neuzugänge. Was sie freilich nicht davon abhält, sich nach dem Training in Hoffenheim noch in Neckarau auf dem Bolzplatz zu treffen, um weiterzukicken, die Taschen voller Schokoriegel und Haribo. „Wenn das unser Trainer gewusst hätte, hätte es riesigen Ärger gegeben“, sagt Pascal Groß.
Dass es den nicht gibt, liegt daran, dass die Jungs auch in der Bundesliga eine Klasse für sich darstellen. „Plötzlich haben wir gemerkt, dass wir auch die Top-Talente aus ganz Deutschland schlagen können“, sagt Gulde. Nach kleineren Startschwierigkeiten schwebt die TSG durch die Saison, Marco Terrazzino macht 24 Tore, auch die übrigen werden zu Stützen des Teams. „Irgendwann wussten wir einfach, dass wir gewinnen. Selbst wenn wir in Rückstand gerieten“, so Groß. Sie werden Erster der B‑Jugend Süd/Südwest, im Halbfinale überrollen sie Hertha BSC mit 6:1. Vier Jahre, nachdem die sieben Kumpels noch in der Kreisliga kickten, stehen sie im Finale um die Deutsche Meisterschaft.
„Vielleicht hätte ich irgendwann Regionalliga spielen können“
Und wieder wird alles eine Nummer größer. Das Team übernachtet vor dem Spiel im Hotel, es gibt ein Bankett mit Vertretern des DFB. Jeder Spieler bekommt einen Brief von Trainer Guido Streichsbier, in dem in warmen Worten die Stärken der Jungs betont werden, am Finaltag hängen im Kabinengang gerahmte Bilder der Spieler aus ihrer Kindheit. „Um uns zu zeigen, dass wir einfach Spaß haben sollen, so wie früher“, sagt Terrazzino. Die Motivation wirkt, Hoffenheim gewinnt 6:4 gegen Borussia Dortmund, sechs der sieben Jungs stehen in der Startelf, vier von ihnen treffen. Der VfL Neckarau wird, ein bisschen zumindest, Deutscher Meister. „Ein unbeschreibliches Gefühl“, sagt Marcel Gruber, das die Kumpels mit dem ersten leichten Rausch ihres Lebens feiern, auf einer Party, die – schließlich sind sie angehende Profisportler – um ein Uhr von den Betreuern aufgelöst wird.
Für einen ist der gemeinsame Weg nach der Meisterschaft aber bereits zu Ende. Philipp Meyer, im Laufe der Saison nur noch Joker, wechselt zu Waldhof Mannheim. „Mir wurde gesagt, dass es für die U19 der TSG nicht reicht.“ Er beginnt, neben der Schule als DJ zu arbeiten, und während er mit dem neuen Klub in die A‑Jugend-Bundesliga aufsteigt und noch ein Jahr auf höchstem Juniorenniveau spielt, rutscht er durch seine Tätigkeit als DJ in ein kleines Produktionsteam, Laserkraft 3D, das mit „Nein, Mann!“ 2010 einen internationalen Charterfolg hat. Fortan arbeitet Meyer als Tourmanager der Gruppe; statt auf Fußballplätzen verbringt er seine Wochenenden nun in den großen Klubs der Technoszene. „Ich bin zwei Jahre lang durch ganz Europa getourt, war jedes Wochenende in einem anderen Klub.“ Die Musik wird zum neuen Lebensinhalt, Meyer beginnt ein Studium an der Popakademie Mannheim, mittlerweile lebt er als Musikmanager in Berlin. „Vielleicht hätte ich irgendwann Regionalliga spielen können. Aber ich wusste, dass es für ganz oben nicht reicht, und rumdümpeln wollte ich nicht. So wie es ist, bin ich froh.“