Jeremy Wachter ist der treffsicherste Oberliga-Stürmer Deutschlands – und hätte beste Chancen, die erstmals auch für die fünfte Liga vergebene Torjägerkanone zu holen. Bloß: Er ist verletzt. Darf sich einer wie er über die Corona-Pause freuen?
Jeremy Wachter, Sie haben in 119 Oberligaspielen 101 Tore für Osdorf geschossen. Warum sind Sie kein Profi?
Ich hatte schon ein paar Angebote, aber ich wollte zunächst meine Lehre beenden, die ich erst relativ spät im Leben begonnen hatte. Das hatte für mich Vorrang.
Was für Angebote?
Von Schalke II und von St. Pauli II. Vor eineinhalb Jahren war das, da hatte ich mein letztes Lehrjahr noch vor mir. Schalke hat mich zum Beispiel auf einen Sonntagabend angerufen und gesagt: „Morgen um 13:00 Uhr kannst du bei uns in Gelsenkirchen Probetraining machen.“ Da habe ich nur gesagt: „Wie stellt ihr euch das vor? Es ist 21:00 Uhr, ich liege hier nackig im Bett, habe einen Job und zwei Kinder. Ich kann jetzt nicht einfach ins Auto steigen und abhauen.“
Und bei St. Pauli?
Die haben sich gemeldet, als deren Mannschaft schon vier Wochen in der Saisonvorbereitung war und voll im Saft stand. Wir bei TuS Osdorf hatten mit unserer noch nicht mal losgelegt. Da habe ich für mich keinen Sinn gesehen, komplett ohne Fitness bei St. Pauli zu trainieren. Außerdem wollte ich mich wie gesagt nicht von der Lehre ablenken lassen. Aber: Die habe ich jetzt in der Tasche. Und in Hamburg spricht sich auch so langsam rum, dass ich noch mal angreifen will. Ich bin zwar schon 27 Jahre alt, also nicht mehr sehr jung, aber ich hoffe darauf, dass noch mal ein paar Anfragen kommen.
Wo erwischen wir Sie gerade?
Natürlich zu Hause. Einerseits aufgrund der Corona-Einschränkungen, andererseits bin ich auch krankgeschrieben. Ich habe mit meinen Adduktoren zu kämpfen und auch das Schambein macht Probleme. Kurz gesagt: Es zieht eklig. Sogar bis hinten ins Steißbein rein.
Wo wären Sie jetzt eigentlich? Ohne Krankschreibung?
Ich bin Lagerarbeiter, also wäre ich normalerweise im Lager. Aber da ich zur Zeit überhaupt nicht belasten darf, geht das nicht.
„Hat natürlich sofort ‚ne Bude gemacht“
Die Verletzung ist für sie auch aus fußballerischer Sicht bitter. In diesem Jahr verleiht der DFB gemeinsam mit dem Kicker erstmals auch eine Torjägerkanone an den treffsichersten Fünftliga-Spieler, aktuell stehen Sie mit 27 Toren in 23 Einsätzen in der Liste auf Platz eins.
Weshalb ich aus Fußballersicht auch ganz ehrlich sagen muss: Dass gerade alle pausieren müssen, ist für mich persönlich passend. Ich habe nun mal diesen einen großen Ansporn: die bundesweite Torjägerkanone. Die will ich unbedingt holen, da bin ich total scharf drauf und das weiß auch jeder. Von daher wäre es für mich in Ordnung, so blöd das klingt, wenn die Pause noch ein bisschen andauern würde. Was ja – insgesamt natürlich leider – sehr wahrscheinlich ist.
Kennen Sie Ihre übers ganze Land verteilte Konkurrenz um die Kanone? Und dachten im Saisonverlauf manchmal: Dieser verdammte Marco Schubring von Curslack-Neuengamme!
Ja, klar. (Lacht.) Witzig, dass Sie den ansprechen. Der war nämlich auch verletzt, auch am Schambein – und dann schaue ich nach dem ersten Spieltag, den ich verletzt verpasst habe, im Internet nach und sehe, dass er plötzlich wieder auf dem Platz steht. Wunderheilung nach ein paar Wochen. Ich dachte nur: Was ist denn jetzt los? Hat natürlich sofort ‚ne Bude gemacht. (Lacht.) Als ich mich verletzt habe, hatte ich sechs oder sieben Tore Vorsprung. Jetzt sind es noch vier.