Rund um den DFB macht mal wieder das Wort „Nachwuchsproblem“ die Runde. Was aber sagen Kai Havertz, Thilo Kehrer und Co. zu dieser Kritik? Wir haben die größten deutschen Talente besucht.
Kai Havertz, war es schwer, mit 15 für den Fußball von daheim wegzuziehen?
Es war nicht einfach, meine Mutter war anfangs total dagegen. Doch letzten Endes haben meine Eltern mir die Entscheidung überlassen. Der Kompromiss war, dass sie sich meine Gastfamilie aussuchen konnten. Es wurde zufällig der Stadionsprecher von Bayer Leverkusen, und wir verstanden uns direkt im ersten Gespräch prächtig. Ich zog dann in seinem Altbau in eine Art WG mit zwei anderen Spielern.
Wie lebt es sich mit der Doppelbelastung von Schule und Fußballinternat?
Die Schulzeit war hart, das gebe ich zu. Ich erinnere mich an unser Pokalspiel mit den Profis in Lotte. Das Spiel ging in die Verlängerung, dann ins Elfmeterschießen. Ich habe meinen Versuch verwandelt, aber wir schieden aus. Da war ich um vier Uhr nachts zu Hause, und um acht Uhr morgens musste ich eine Englischklausur schreiben. Die Klausur ist dann dementsprechend nicht so gut ausgefallen – ähnlich wie das Spiel in Lotte. Aber ich habe mich doch durchgekämpft und mein Abitur geschafft.
Sie haben angefangen, Klavier zu spielen. Warum?
Zur Ablenkung, ich muss den Kopf freibekommen. Momentan lerne ich ein klassisches Stück und versuche mich an den Songs aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Ich will nicht jede Tonart lernen, sondern nur einzelne Lieder. Ich habe Unterricht, wenn es gerade passt. Eine Zeitlang traf ich mich ein Mal pro Woche mit einer Lehrerin, aber das ist bei den „Englischen Wochen“ natürlich schwer.
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Sie sind mit den Kollegen Arne Maier und Gian-Luca Itter befreundet. Haben Sie auch Freunde außerhalb des Fußballs?
Früher war mein Freundeskreis in Aachen größer, heute habe ich außerhalb des Fußballs eigentlich nur noch zwei echte Freunde. Der Kreis sollte auch nicht zu groß sein. Ich merke nämlich schon, dass sich nun mehr Leute bei mir melden, mit denen ich früher nicht viel zu tun hatte. Sie fragen mich dann nach Trikots oder Eintrittskarten. Ihnen geht es dann mehr um den Profifußballer Kai Havertz als um den Menschen. Da muss ich aufpassen, nicht ausgenutzt zu werden.
Trotz Ihnen und Maier scheiterte die U19 an der EM-Quali. Auch andere U‑Teams stagnieren. Hat der deutsche Nachwuchs ein Problem?
Andere Länder wie Frankreich oder England sind in der Jugendarbeit weiter, gerade beim Thema Athletik. Viele Spieler aus diesen Ländern waren in der U17 schon richtige Büffel und ganz andere Kaliber; sie waren größer, schwerer und athletischer als wir. Der deutsche Fußball hat immer noch einen sehr guten Ruf, wenn man sich all die Talente anschaut, aber klar: Andere Länder schlafen nicht.
Haben Sie einen Zukunftsplan, vielleicht auch in puncto A‑Nationalelf?
Das kann man schwer vorhersagen. Ich möchte vielmehr alles für Bayer geben. Wir haben ehrgeizige Ziele. Und in Bezug auf die Nationalmannschaft: Ich möchte in zwei Jahren bei der EM dabei sein, da bin ich 21 und in einem guten Alter. Ich muss noch viel dafür arbeiten, aber es ist nicht unmöglich.