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Wir lieben den Abgrund. Das Leben am Limit. Typen, die Bruce oder Jack heißen. Bren­nende Autos, toll­kühne Poli­zisten. Und wir lieben: Welt­re­korde. Solche wie den von Kazu­hiro Watanabe, der einen 1,18 Meter hohen Iro trägt und des­wegen Autos oder geschlos­sene Räume nicht betreten kann. Oder diese legen­däre Hündin mit der 43 Zen­ti­me­tern langen Zunge, die Frau mit den 15.000 Barbie-Puppen, der Mann mit den 241 Pier­cings, den Jungen, der einmal 224 T‑Shirts über­ein­ander zog und damit sehr dick aussah. Und als kürz­lich ein Öster­rei­cher aus 39.000 Metern Höhe auf die Erde sprang, fanden die Men­schen das beson­ders groß­artig. Ein total crazy Typ. Kurz vor dem Sprung rief der Öster­rei­cher: I’m coming home“. Kurz danach sagte er, dass er eine gemä­ßigte Dik­tatur“ gar nicht so schlecht findet. Auf­stieg und Fall an einem Tag. 
 
Der Fuß­ball ist jeden Monat am Limit, denn im Fuß­ball wird jeden Monat ein Welt­re­kord geknackt. Die Men­schen lesen davon dann in der Zei­tung und denken wie beim crazy Baum­gartner Gibt’s doch gar nicht!“ Oder sie erzählen die Geschichten in den Mit­tags­pause ihren Kol­legen und dann sagen die: Gibt’s doch gar nicht!“ In Süd­ame­rika sagen die Men­schen sehr oft Gibt’s doch gar nicht!“, denn hier werden nahezu jeden Monat Platz­ver­weis­welt­re­korde gebro­chen.

17 Rote Karten? Das ist Kin­der­garten!
 
Am ver­gan­genen Samstag war es wieder mal so weit: Ein Fuß­ball­spiel in Mon­te­video endete mit 17 Platz­ver­weisen. Beim Stand von 3:3 hatte Schieds­richter Leodan Gon­zalez der Heim­mann­schaft Mon­te­video Wan­de­rers FC einen Straf­stoß ver­wei­gert. Kurze Zeit später kam es zu tumult­ar­tigen Szenen auf dem Platz, Spieler gingen auf­ein­ander los, Fans prü­gelten sich auf den Tri­bünen, flie­gende Steine und Fäuste. Das kom­plette Pro­gramm. Gon­zalez zeigte jeweils acht Spie­lern aus beiden Teams die Rote Karte, schon wäh­rend der regu­lären Spiel­zeit war ein Wan­de­rers-Profi des Feldes ver­wiesen worden. Die Presse schrieb von rekord­ver­däch­tigen 17 Roten Karten“. Doch so auf­re­gend das klingt: Das ist weder Rekord“ noch rekord­ver­dächtig“! Das ist Kin­der­garten!

Bereits im März 2009 hatte ein Schieds­richter 18 Spieler des uru­gay­ischen Klubs General Lam­a­drid vom Platz gestellt, weil sie auf Pro­vo­ka­tionen der Heim­fans mit Hand­greif­lich­keiten reagierten. Auch hier jubelte die Presse: Welt­re­kord!“ Doch auch hier stellte sich heraus, dass bereits 1993 eine Partie in Para­guay (Spor­tivo Ame­liano und General Cabal­lero) statt­ge­funden hatte, bei der es 20 Platz­ver­weise hagelte. Der Rekord, folgt man dieser Bericht­erstat­tung, wurde erst im Dezember 2011 in Antigua ein­ge­stellt. Das Spiel zwi­schen Wad­adli 5Ps und den CPTSA Wings musste der Schieds­richter nach 70 Minuten abbre­chen, weil es auch hier zu einer Mas­sen­schlä­gerei gekommen war. Hier flogen eben­falls 20 Spieler runter. Welt­re­kord! Nun aber!

Platz­ver­weis für über 30 Akteure?
 
Oder doch nicht? Es ist kom­pli­ziert. Denn mit einem Mal geis­terte da das Jahr 1990 durch die Alma­nache. Damals sollen im Mon­te­video-Derby zwi­schen Peñarol und Nacional alle 22 Spieler vom Platz geflogen sein. Und in der Nähe von Buenos Aires fand im März 2011 ein Spiel statt, bei dem über 30 Akteure die Roten Karte sahen. Doch der Fuß­ball­ver­band hob etliche Sperren nach­träg­lich wieder auf, da man Sorge hatte, einen Prä­ze­denz­fall zu schaffen.

Dann pas­sierte erst einmal nichts. Immerhin krachte es zwi­schen­zeit­lich end­lich mal in Europa. Ricky Broadley, Waliser in Diensten der Moun­tain Ran­gers, trat in einem Pokal­spiel gegen Cae­r­n­arfon Town FC seinen am Boden lie­genden Gegen­spieler, beschimpfte den Schieds­richter mit üblem Voka­bular, über­goss ihn noch mit Wasser und bedrohte ihn im Klub­heim. Dafür ver­diente er sich vier Rote Karten. Dabei blieb es aller­dings in dem Spiel, denn kein wei­terer Spieler wurde vom Platz gestellt.

Der Bru­talo-Kolum­bianer“ und der Rot-Rüpel“

Genau­ge­nommen passt Broadley also ebenso wenig in diesen Text wie Gerardo Bedoya. Der Kolum­bianer erhielt 41 Rote Karten – nicht in einem Spiel, son­dern in seiner gesamten Kar­riere. Die Namen stehen hier trotzdem, denn auch sie sind Welt­re­kord­halter und haben in Deutsch­land beson­ders tolle Kose­namen. Bedoya ist der Bru­talo-Kolum­bianer“ (t‑online), Broadley ist der Rot-Rüpel“ („Bild“). Wie lange werden sie diese Titel tragen?*

Zurück zu den Mas­sen­platz­ver­weis­re­korden. Denn vor einigen Wochen erreichte uns eine erlö­sende Nach­richt: Nach einer Schlä­gerei zwi­schen zwei Spie­lern von Teni­ente Farina und Libertad Club zeigte Referee Nestor Guillen zweimal Rot. Danach stürmten die rest­li­chen Spieler und Ersatz­spieler das Feld. Der Schieds­richter flüch­tete in die Kabine und notierte 36 Rote Karten. Einige Funk­tio­näre reagierten mit Unver­ständnis. Angeb­lich wollten die anderen Spieler den Streit schlichten.

Wich­tiger indes: Es gibt end­lich einen Welt­re­kord, der so absurd ist, dass er echt sein muss. 36 Spieler! Hieß einer von ihnen Bruce? Oder zumin­dest Rodri­guez? Brannten ihre Autos? So oder so: 36! Das ist end­lich mal eine Ansage! Das ist ein Leben am Limit. Am Abgrund. Zumin­dest so lange bis in der kom­menden Woche 37 Spieler bei einem Dritt­li­ga­spiel in Peru oder bei einem Ama­teur­spiel in Vene­zuela vom Platz fliegen.

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*Kurz vor Abschluss des Textes erreichte die Redak­tion diese Nach­richt.