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Seite 2: Manu hat eine andere Ausstrahlung

Ter Stegen, 26, steht seit vier Jahren beim FC Bar­ce­lona unter Ver­trag, einem der größten Klubs der Welt. Nach einigen Anfangs­schwie­rig­keiten genießt er dort inzwi­schen aller­höchsten Respekt; die spa­ni­sche Presse hat ihn als Messi in Hand­schuhen“ gefeiert. Zumin­dest im Spiel­aufbau mit dem Fuß ist ter Stegen so gut wie Neuer. Und seine Leis­tungen in der Natio­nal­mann­schaft, anfangs schwan­kend, waren zuletzt eben­falls über jeden Zweifel erhaben. Dass er bei Bar­ce­lona so ein Stan­ding hat, das ist überaus toll und klasse. Das hat auch was mit seiner Per­sön­lich­keit zu tun“, sagt Joa­chim Löw. Er ist unheim­lich gereift. Er wirkt irgendwie so auch in der Mitte, sehr, sehr stabil und klar. Das hat mir schon impo­niert in den letzten zwei, drei Jahren.“

Manuel Neuer mit­zu­nehmen ist des­halb keine ratio­nale Ent­schei­dung. Neuer ist für den deut­schen Fuß­ball eine über­sinn­liche Erschei­nung und für Bun­des­trainer Löw der Faktor X im Unter­nehmen Titel­ver­tei­di­gung. Marc-André ter Stegen hat sich super ent­wi­ckelt“, hat Natio­nal­ver­tei­diger Jerome Boateng gesagt, aber Manu hat eine andere Aus­strah­lung als jeder andere.“

Neuer füllt das Tor kom­plett aus – mit seiner Per­sön­lich­keit.

Man muss nur mal ein Elf­me­ter­schießen mit oder gegen Manuel Neuer erlebt haben: wenn er seinen Platz auf der Linie ein­nimmt, kurz auf und ab hüpft und es scheint, als könnte er mit seinem Scheitel die Latte berühren; wenn er den rechten Arm aus­fährt und fast an den rechten Pfosten her­an­reicht. Und dann das Gleiche mit dem linken Arm macht. Das Fuß­balltor, 2,44 Meter hoch und 7,32 Meter breit, schrumpft in sol­chen Momenten auf die Größe einer Müll­tonne. Neuer füllt es scheinbar kom­plett aus, mit seiner Statur, vor allem aber mit seiner Per­sön­lich­keit.

Marc-André ter Stegen ist nur sechs Zen­ti­meter kleiner, sieben Kilo­gramm leichter, und selbst wenn man es unge­recht oder sport­lich unver­ant­wort­lich findet, dass er nun wieder hinter Neuer zurück­treten muss: Er ent­faltet nicht die­selbe Wir­kung, nicht in seine eigene Mann­schaft hinein, aber auch nicht auf die Spieler des Geg­ners.

Mit dem Fuß geht es wirk­lich gut.“

Was Neuer zu all dem denkt? Er äußert sich nicht. Auch nicht nach dem Spiel in Kla­gen­furt. Am Dienstag werde er spre­chen, ver­kündet die Medi­en­ab­tei­lung des Deut­schen Fuß­ball-Bundes, DFB. Am Tag nach der Kader­be­kannt­gabe. Neuer ist zwar der Kapitän, aber er hat auch in Eppan weder Inter­views gegeben, noch ist er bei einer der täg­li­chen Pres­se­kon­fe­renzen auf­ge­treten. Allein dem Fern­seh­mann des DFB spricht Neuer ein paar dürre Sätze in die Kamera. Ich bin wirk­lich guter Dinge“, sagt er. Und: Mit dem Fuß geht es wirk­lich gut.“ Auf der Inter­net­seite des Ver­bandes ist zu Beginn der Vor­be­rei­tung jeden Tag ein neues Video über den Tor­hüter zu sehen: Manuel Neuer – die Serie“, Folge eins bis fünf.

Man sieht Neuer bei der Ankunft in Süd­tirol mit falsch herum auf­ge­setzter Basecap, man sieht ihn in Trai­nings­kla­motten, beim Fahr­rad­fahren und beim Schuh­an­ziehen – vor allem aber sieht man ihn beim Springen und Hechten, beim Fangen und Fausten, beim Laufen und Grät­schen. Die Bot­schaft lautet: Macht euch keine Sorgen! Flan­kiert werden die Bilder von ent­spre­chenden Aus­sagen aus dem Trai­ner­team und aus der Mann­schaft. Im Trai­ning hat man von der Sprung­kraft, von der Beweg­lich­keit über­haupt keine Unter­schiede gesehen“, sagt Andreas Köpke, der Bun­des­tor­wart­trainer. Es war, als wäre er nie weg­ge­wesen.“

Köpke, 56, war selbst Natio­nal­tor­hüter. Auch er hat nichts erkennen können bei Neuer, keine Ein­schrän­kungen, keine schiefen Bewe­gungen, keine Schon­hal­tung, keinen fal­schen Respekt. Die Natio­nal­mann­schaft zeichnet jede Trai­nings­ein­heit per Kamera auf. Köpke hat die Video­bilder noch mal in Zeit­lupe an seinem Laptop seziert. Auch da: keine Auf­fäl­lig­keiten. So erzählen es alle. Ich habe schwer aus der Röhre geguckt, wie er im ersten Trai­ning die Bälle raus­ge­kratzt hat“, berichtet Innen­ver­tei­diger Niklas Süle. Das habe ich so noch nicht erlebt.“

Tor­hüter sind eine eigene Spe­zies. Mal kommen Neuer und die anderen drei – Marc-André ter Stegen, Bernd Leno und Kevin Trapp – ein biss­chen früher auf den Platz als die Feld­spieler, mal später. Sie absol­vieren ihr eigenes Auf­wärm­pro­gramm, jeder so, wie er es für richtig hält. Neuer läuft par­allel zur Tor­aus­linie, er schmeißt sein Bein, gerade wie eine Zaun­latte, in die Luft, die Fuß­spitze schießt über seinen Kopf hinaus. Nach ein paar Bahnen setzt er sich am Straf­raumeck auf den Boden.

Manuel Neuer ist etwas Beson­deres

Trapp jon­gliert den Ball auf seinem Fuß, Leno schießt schep­pernd gegen eine Wand, die im Fünf­me­ter­raum auf­ge­baut ist, und ter Stegen plau­dert mit Köpke. Als der Tor­wart­trainer seine Übungen beginnt, sitzt Neuer immer noch auf dem Rasen. Er dehnt und streckt sich. Schon dieser kurze Ein­blick genügt, um zu erkennen, dass Manuel Neuer etwas Beson­deres ist.

Er ist unser Mann­schafts­ka­pitän, wir sind 2014 Welt­meister mit ihm geworden, des­halb ver­su­chen wir auch bis zum Schluss alles, damit es hun­dert­pro­zentig funk­tio­niert“, sagt Köpke. Die Deut­schen haben ihre Tor­hüter schon immer für die besten der Welt gehalten, egal ob Sepp Maier, Toni Schu­ma­cher oder Oliver Kahn.

Er ist eigent­lich in allen Berei­chen kom­plett“

Auf Manuel Neuer, viermal Welt­tor­hüter des Jahres, kann sich auch der Rest der Welt ver­stän­digen. Weil er nicht nur gut auf der Linie ist, wie viele deut­sche Tor­hüter der Ver­gan­gen­heit, son­dern mit seiner offen­siven Inter­pre­ta­tion des Tor­wart­spiels stil­bil­dend gewirkt hat. So wie Neuer – vor­aus­schauend, mutig, ball­si­cher auch mit dem Fuß – muss man heut­zu­tage als Tor­hüter auf­treten. Er ist eigent­lich in allen Berei­chen kom­plett“, findet Thomas Schneider, Löws Assis­tent, unfassbar gut“.

Die Erfah­rung zeigt, dass es bei einem großen Tur­nier wie einer WM immer ein Spiel gibt, in dem es für die Mann­schaft nicht so läuft wie erhofft. Ein Spiel, das der Tor­hüter mehr oder weniger allein gewinnen muss. Vor vier Jahren in Bra­si­lien hat Manuel Neuer den Deut­schen zwei Spiele gewonnen. Das erste war das Ach­tel­fi­nale gegen Alge­rien. Der krasse Außen­seiter über­rum­pelte den Favo­riten aus Deutsch­land immer wieder mit simplen Kon­tern. Neuer sprin­tete in Serie aus seinem Straf­raum, er grätschte jeden Angriff weg. Manu, der Libero, wurde er anschlie­ßend genannt.