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Ich liebe das Aben­teuer und habe schon viel erlebt im Fuß­ball­ge­schäft. Aber mein Enga­ge­ment in der Türkei – vor allem sein Ende – war auch für mich eine voll­kommen neue, gera­dezu gespens­ti­sche Erfah­rung. Burs­aspor war über eine Agentur an mich her­an­ge­treten. Die Gespräche liefen positiv ab, und ich war durchaus bereit, lang­fristig dort zu arbeiten. Schon im Vor­feld reiste ich in die Türkei, machte mir ein Bild von den Gege­ben­heiten und ver­pflich­tete schließ­lich Martin Span­ring, Marc Ziegler und Ion Lupescu.



Meine Familie zog auch nach Bursa, meine Kinder wurden an der inter­na­tio­nalen Schule ange­meldet. Ich sah diese Anstel­lung also kei­nes­wegs als kleine, lus­tige Zwi­schen­epi­sode. Erst­mals irri­tiert war ich jedoch, als man mir mein Gehalt in einer Plas­tik­tüte über­reichte. Zudem stellte sich die Erwar­tungs­hal­tung als extrem hoch heraus– man wollte sofort Titel gewinnen. Das war uto­pisch. Doch all das wer­tete ich noch als Sym­ptome einer mir fremden Men­ta­lität. Bursa, eine Drei­mil­lio­nen­stadt, liegt im asia­ti­schen Teil der Türkei, und ich hatte mich im Vor­feld zuge­ge­be­ner­maßen zuwenig mit den dor­tigen Gepflo­gen­heiten aus­ein­an­der­ge­setzt. Aber ich sah dar­über fürs Erste hinweg, schließ­lich waren die äußeren Bedin­gungen beinah per­fekt. Das Trai­nings­ge­lände war klasse, auch die Unter­brin­gung genügte höchsten Ansprü­chen. Wenn meine Frau in Istanbul lan­dete, wurde sie mit dem Heli­ko­pter abge­holt und nach Bursa wei­ter­ge­flogen. Doch das hörte schon auf, als wir die ersten beiden Spiel ver­loren hatten. Nun musste sie sechs Stunden mit dem Auto auf die andere Seite des Mar­ma­ra­meers fahren. Das zeigte mir: Wenn man gewinnt, ist alles mög­lich – wenn man ver­liert, bricht alles zusammen.

Genauso dachten die 19 Prä­si­denten, mit denen ich es zu tun hatte. Jeder von ihnen hatte einen Spieler gekauft und wollte, dass der auch spielt. Als ich ihnen erklärte, dass ich höchs­tens elf spielen lassen könne, nickten sie zwar ver­ständig, blieben aber bei ihrer For­de­rung. Anfäng­lich ließ ich gegen ihren Willen noch die deut­schen Spieler und Lupescu auf­laufen. Die sport­liche Ent­wick­lung ver­lief zwar sachte, stimmte mich aber opti­mis­tisch. Die 19 Prä­si­denten hörten den­noch nicht auf, mir rein­zu­reden. Sie wollten keine sta­bile Ent­wick­lung – sie wollten Titel. Irgend­wann sagte ich zu ihnen: Jetzt mach ich einmal die Auf­stel­lung so, wie ihr es wollt!“ Prompt ver­loren wir zu Hause 2:5 – und die Hölle brach los. Meine Frau und meine Kinder mussten unter Poli­zei­schutz aus dem Sta­dion geleitet werden. Es war beängs­ti­gend. In der Kabine erwar­teten mich schon drei der 19 Prä­si­denten und redeten auf mich ein: Das ist zu gefähr­lich, ver­lassen Sie besser das Land!“ Klar: Sie wollten mich los­werden, ohne mir eine Abfin­dung zahlen zu müssen. Aber ich bewahrte die Ruhe. Ich bleibe hier“, sagte ich. Ich habe einen Ver­trag.“

Wenige Stunden später war schon mein Handy tot, am nächsten Morgen fehlte das Num­mern­schild am Wagen. Das war wie psy­cho­lo­gi­scher Krieg. Aber ich wollte mich nicht davon­jagen lassen. Bei der nächsten Unter­re­dung mit den 19 Prä­si­denten for­derte ich auf Anraten meines Anwalts Chris­toph Schick­hardt, dass man mir eine schrift­liche Kün­di­gung aus­stellen solle. Warum?“, riefen sie. Wir sind Ehren­männer!“ Das Gespräch zog sich über Stunden. Dass ich dabei so ruhig blieb, störte einen von ihnen der­artig, dass er plötz­lich eine Pis­tole zog und sie auf den Tisch warf. Das ist die Sprache, die wir spre­chen“, schrie er. Mein Co-Trainer Jürgen Raab rückte ganz nah an meine Seite Jetzt geht ja gar nichts mehr“, dachte ich. Wir ent­fernten uns und fuhren in mein Haus. Es war ver­wüstet. Am Abend fuhr auch noch ein Bus mit Ran­da­lie­rern vor. Berger, ver­lasse Bursa!“, sangen sie und rüt­telten am Zaun. Das war nicht ohne.

Tags darauf war dann ein neuer Trainer da. Der schlach­tete erst mal eine Kuh im Mit­tel­kreis. Wir hin­gegen wurden nicht mehr aufs Ver­eins­ge­lände gelassen. Nun war der Punkt erreicht, an dem wir das Land wirk­lich ver­ließen. Wir fuhren mor­gens um sechs, schwer bepackt, mit der Fähre nach Istanbul und flogen von dort nach Deutsch­land. Es war wie auf der Flucht.

Chris­toph Schick­hardt wollte sich noch einmal mit den Offi­zi­ellen treffen. Sie hatten ihn in eine Absteige nach Istanbul bestellt – als er die sah, drehte er gleich wieder um. Das fol­gende Gerichts­ver­fahren zog sich über fünf Jahre. Erst vor Kurzem rief Schick­hardt mich an uns sagte: Wir haben gewonnen!“ Und den­noch: So schnell werde ich nicht wieder Trainer in der Türkei. 

Auf­ge­zeichnet von Dirk Gie­sel­mann