Meister Leicester City steckt mitten im Abstiegskampf. Claudio Ranieri ist Favorit auf den nächsten Rauswurf. Auf den Fluren im Stadion zeigt sich das Dilemma des Klubs.
Ausgerechnet die Stetigkeit war noch in der vergangenen Saison das große Plus von Leicester gewesen: Mehr als sieben Spieler bestritten da 33 der 36 Spiele, das 4−4−2 war wie eingemeißelt in das Taktikbrett. Aus einer kompakten, tiefen Defensive schaltete die Mannschaft in wahnwitziger Schnelligkeit in den Angriff um. Die Konter wirkten wie perfekt geplante Überfälle mit den Safeknackern Riyad Mahrez und Jamie Vardy.
Doch Mahrez, der einer Umfrage unter allen Premier-League-Akteuren zufolge „beste Spieler der Premier League 2016“, steckt wie Toptorjäger Jamie Vardy seit Saisonbeginn in einer Formkrise. Sie scheinen die nun hartnäckigeren Gegenspieler noch schwieriger abschütteln zu können als das Konfetti aus dem Meisterjahr. Doch beide bekommen auch weniger Gelegenheiten zu glänzen. „Man kann nicht sagen, dass sie kein Glück vor dem Tor haben, denn das müsste man erzwingen. Leicester kreiert im Moment nicht einmal Torchancen, das ist das Problem“, sagt Rob Tanner vom „Leicester Mercury“.
Wo ist das Laufwunder?
Keine der Mannschaften, die in dieser Saison zu Leicester reist, bietet ihnen noch Räume zum Kontern. Selbst Manchester United reichte eine kompakte Vorstellung und die nötige Geduld, bis es Leicesters Lücken im Zentrum kaltblütig ausnutzen konnte. Genau an der Schnittstelle zwischen Viererkette und Mittelfeld hatte der Franzose N’Golo Kanté im Meisterjahr nahezu jeden Angriffsversuch kompromisslos abgeräumt. Er war der Spieler mit den meisten Ballgewinnen der gesamten Liga – und wohl auch dem größten Laufpensum. „70 Prozent des Planeten sind von Wasser bedeckt“, witzeln sie in England. „Der Rest von N’Golo Kanté.“ Es ist kein Zufall, dass Chelsea nun mit Kanté die Tabelle anführt, während Leicester ohne ihn im Abstiegskampf steckt.
Am Mittwoch immerhin kam Leicester im FA-Cup eine Runde weiter. Gegen den Zweitligisten Derby bot Ranieri eine B‑Elf auf, die sich in der Verlängerung mit 3:1 durchsetzte. Neuzugang Wilfred N’Didi und Demarai Gray schossen zwei sehenswerte Treffer zum Sieg und empfahlen sich für das Abstiegsduell am Sonntag. Die größte Preisung allerdings erfuhr der Trainer im Stadion: Leicesters Fans sangen unentwegt Ranieris Namen.
Er selbst gibt sich so gelöst wie gewohnt. Ranieri scherzt mit den Journalisten und Spielern in den Räumlichkeiten am Stadion, als habe es die Negativserie nie gegeben. Er beantwortet die Fragen mit dem ihm eigenen großväterlichen Charme, selbst als die Sprache auf einen Boulevardbericht kommt, wonach er den Spielern die Hähnchenburger verboten habe. „Ich habe nie Hähnchenburger gesehen, sondern ‚deep-fried chicken‘. Ich liebe es und die Spieler auch, sie essen es auch vor den Spielen.“ Danach gackerte Ranieri sein Meisterlachen und schaute vergnügt in die Runde. Auch er weiß, dass Leicester im Februar 2017 weit mehr ändern muss als nur die Ernährung.