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Grimmig schaut er drein, der Mann, der von der Außen­seite des Ost­kurven Ober­ringes mit ver­schränkten Armen und sorg­fältig gepflegter Vin­tage-Voll­bart-Schnauzer-Mischung auf die ein­ge­trof­fenen Besu­cher des Olym­pia­sta­dions hin­ab­blickt. Hertha BSC hat ihm das neue Heim­trikot ange­zo­genen, diesem Mann, der wohl ein Hybrid aus Ber­liner Härte und Ber­liner Hip-Sein reprä­sen­tieren soll. Nur einen Kat­zen­sprung vom Sta­dion ent­fernt wird man vor der Geschäfts­stelle der alten Dame von einem großen Plakat begrüßt. Auf­schrift: Ber­liner Start-Up seit 1892“. Auf den Wer­be­flä­chen eben­falls zu lesen: Der neue, eng­lisch­spra­chige Slogan We try. We fail. We win“. Wäh­rend­dessen werden die sieben Ber­liner Fan­shops des Ver­eins mit neuer Ware ein­ge­deckt. Fortan im Handel: Das grell-pinke Aus­weicht­rikot und Trai­nings­be­klei­dung in knal­ligem Neon-Orange, welche das Trai­ner­team fortan bei jedem Spiel tragen wird.

Mit Tra­di­tion allein werden wir nicht einen ein­zigen neuen Fan gewinnen“

Der als chro­nisch unat­traktiv ver­schriene Haupt­stadt­klub möchte neue Akzente setzen, hip sein, urbanen Prenz­lauer-Berg-Flair ins West­ber­liner Nie­mands­land bringen. In der Pres­se­mit­tei­lung zur 250.000 Euro teuren Image­kam­pagne spricht der Verein vom Schul­ter­schluss mit der Ber­liner Grün­der­szene“, Geschäfts­führer Michael Preetz glaubt ein Mar­ke­ting­leit­motiv gefunden zu haben, das auf den Zeit­geist zutrifft und hinter dem sich alle ver­sam­meln können“. Neue Zuschauer sollen akqui­riert werden, vor allem Neu-Ber­liner und inter­na­tio­nale Gäste sollen sich auf den Weg Rich­tung Olym­pia­sta­dion machen.

Wie ernst es der Verein mit dem neuen Mar­ke­tingweg meint, zeigt allein der Blick auf das dafür zustän­dige Per­sonal. Mit der renom­mierten Agentur Jung von Matt und Paul Keuter, ehe­mals ver­ant­wort­lich für Twit­ters welt­weite Sport-Stra­tegie, zog die alte Dame zwei dicke PR-Fische an Land. Im Inter­view mit der B.Z.“ sagte Keuter über die Kam­pagne: Mit Tra­di­tion allein werden wir nicht einen ein­zigen neuen Fan gewinnen. Und das müssen wir drin­gend“. Ein scheinbar pro­gres­sives Vor­haben, das beim ersten Heim­spiel der neuen Saison gegen den SC Frei­burg jedoch eine herbe Tracht Prügel von den Fans ein­ste­cken musste, die bereits seit Jahren da sind.

Hertha lass das Hip­stern sein“

Poster mit der Auf­schrift Nur echt in Blau Weiß“ beglei­teten den Sta­di­on­be­su­cher auf dem Weg vom U‑Bahnhof Olym­pia­sta­dion bis kurz vor den Ein­lass. Ein großes Banner mit der glei­chen Aus­sage schmückte die Ost­kurve, große Teile der dort ste­henden Fans trugen Motto-Shirts mit eben jenem Slogan. Mit zahl­rei­chen Spruch­bän­dern pro­tes­tierte die aktive Fan­szene gegen die neuen Tri­kots und Trai­nings­shirts, sowie die neue Image­kam­pagne. Die Aus­sagen auf den Trans­pa­renten machten deut­lich, wie tief­ge­hend die Abnei­gung der eigenen Anhänger gegen die Mar­ke­ting-Umori­en­tie­rung des Ver­eins ist: Vom Tra­di­ti­ons­verein zum Mar­ke­ting­schwein – Hertha lass das Hip­stern sein“.

Man nehme diese Kritik ernst, so Keuter, der die Kam­pagne als selbst­iro­ni­schen Umgang mit den eigenen Unzu­läng­lich­keiten“ bezeichnet. Witzig finden die Fans das jedoch gar nicht. Die Ultra Grup­pie­rung Har­le­kins Berlin 98 macht auf der eigenen Web­site deut­lich, was man von den neu­esten Ent­wick­lungen hält: Wir haben den Glauben an die Ver­nunft im Verein auf­ge­geben und werden (…) alles dafür tun, um zumin­dest unsere Werte und die wenigen noch vor­han­denen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­merk­male unserer Hertha zu ver­mit­teln.“