Mit dem FC Barcelona hat Lionel Messi alles gewonnen, mit der Nationalelf alle großen Endspiele verloren. Nun tritt er zurück. Vielleicht ist das eine gute Entscheidung.
Am 16. Juni 2006 wusste ich, wer die WM gewinnen würde, die wir heute das Sommermärchen nennen. Es gab nicht den Hauch eines Zweifels daran, dass Argentinien drei Wochen später beim Finale in Berlin triumphieren würde. Gegen wen auch immer.
Der 16. Juni 2006 war der Tag, an dem Argentinien das Team aus Serbien und Montenegro in Gelsenkirchen mit 6:0 überrollte. Es war der Tag, an dem Esteban Cambiasso einen Spielzug über 25 Stationen mit dem Tor zum 2:0 krönte. Es war der Tag, an dem Diego Maradona in der VIP-Loge vor Begeisterung über das Team auf- und abhüpfte.
Aber meine Überzeugung, dass nur Argentinien den Titel holen konnte, hatte nichts mit alldem zu tun. Es war vielmehr ein kleiner, schmächtiger Ersatzspieler, der mich fassungslos zurückließ.
Schon auf dem Weg zum Stadion hatte ich mir vorgenommen, ganz besonders auf einen 18-jährigen Burschen zu achten, der bei der U‑20-WM im Vorjahr für Furore gesorgt hatte. Deswegen war ich enttäuscht, als ich die Startaufstellung der Argentinier sah. Trainer José Pékerman hatte das Wunderkind gar nicht nominiert. Lionel Messi saß nur auf der Bank.
Erst als das Spiel beim Stand von 3:0 gegen einen auch noch in Unterzahl spielenden Gegner entschieden war, durfte Messi aufs Feld. Drei Minuten später rannte er in den Strafraum, hob kurz den Kopf und spielte den Ball durch sechs Gegner hindurch an den langen Pfosten, wo Hernán Crespo ihn nur noch zum 4:0 über die Linie drücken musste.
„Wer so jemanden von der Bank bringen kann, muss Weltmeister werden“
Den Schlusspunkt, das sechste Tor, erzielte Messi kurz vor dem Ende selbst. Während die Kollegen kamen, um ihm zu gratulieren, sagte ich zu meinem Sitznachbarn: „Wer so jemanden von der Bank bringen kann, muss Weltmeister werden.“
Es kam anders. Vielleicht weil Pékerman im Viertelfinale gegen Deutschland bei eigener Führung sich dagegen entschied, Messi ins Spiel zu bringen und die sich öffnenden Räume zu nutzen. Vielleicht weil Argentinien einfach nur Pech hatte, schließlich verlor man gegen den Gastgeber im Elfmeterschießen. Oder vielleicht weil die Elf ihre beste Leistung ganz einfach zum falschen Zeitpunkt abgerufen hatte.
„Ronaldo ist ein menschlicher Spieler, Messi ist ein Marsianer“
Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, dass diese paar Wochen in Deutschland Messis Länderspielkarriere vorwegnehmen würden – eine Mischung aus fragwürdigen Trainerentscheidungen, Elfmeterpech und schlechtem Timing.
Auf Pékerman folgte Alfio Basile. Von ihm stammt der Spruch: „Cristiano Ronaldo ist ein großer menschlicher Spieler. Aber Messi ist ein Marsianer.“ Das sollte Bewunderung ausdrücken, aber man konnte es auch anders verstehen – was macht man mit einem Außerirdischen in einem Team normaler Sterblicher? Stellt man ihn auf den Flügel? Oder vorne rein? Oder ist er gar ein Spielmacher?