Deutschland fliegt raus, obwohl die Mannschaft besser war. Gibt es einen Schuldigen? Die Einzelkritik.
Manuel Neuer
Jetzt ist es passiert: Wir haben einen klitzekleinen Fehler von Manuel Neuer gesehen. Live im TV. Das war bisher in etwa so realistisch, als würden wir einen Blauwal mitten in Heilbronn auf dem Fahrrad zum Einkaufen fahren sehen. Doch beim 2:0 sah der Unfehlbare leider auch nur aus wir ein verirrter Torwart, was blöd ist, aber auch nicht wehtut. Bis dahin ein starkes Turnier, danach auch.
Joshua Kimmich
Und jetzt werden sie aus ihren Löchern kommen, die „Ich habe es ja immer gesagt“-Menschen, die es ja immer gesagt haben, dass der Kimmich noch nicht so weit ist und schon gar nicht in einem Halbfinale der EM auf dem Platz stehen darf. Alles Idioten. Kimmich machte vor dem 2:0 einen Riesenbock, doch preschte danach wie eine echte Führungsfigur nach vorne. Hatte die zwei größten Chancen der deutschen Mannschaft und war auch sonst gut. Lehrgeld schmeckt eben immer ein bisschen nach altem Apfelsaft. Bitter.
Benedikt Höwedes
Als Höwedes diese Killergrätsche gegen Giroud in die Geschichtsbücher des Fußballs getackert hatte, aufstand und wie ein Gladiator in das krachend laute Stade Vélodrome brüllte, hatte er uns endgültig in seinen Bann gezogen. Der Schalker wirkt in diesem Team aus Superhelden ja immer ein bisscher raufasertapetig, doch gegen Frankreich spielte er bockstark in der Defensive. Kickernote: Überragend. Hühnerte leider vor dem 2:0 den Ball durch den Strafraum wie ein angetrunkener Kreisligalibero. Eine kleine Macke an einem ansonsten richtig starken Abend.
Jérôme Boateng
Wurde vor dem Spiel von Snoop Dogg via Twitter als „Boss“ geadelt. Unterschreiben wir sofort. Doch Boateng musste just in der heißesten Phase aus dem Spiel und verpasste damit dem deutschen Spiel den Knockout. Bleibt dennoch bester deutscher Spieler des Turniers.
Jonas Hector
Macht immer alles solide und ohne große Show. Das tut meistens gut, ist aber eben manchmal auch nur mittelmäßig und hilft einer Mannschaft im Taumel nicht weiter. Diese Niederlage war aber sicher nicht seine Schuld. Im Gegenteil, die französische Mannschaft erkannte, dass an Hector kein Weg vorbeiführt und konzentrierte sich deswegen auf Joshua Kimmichs Flanke. Was für ein Gütesiegel.
Bastian Schweinsteiger
Die Hand Schrottes. Wird sich die Szene vor dem 1:0 hoffentlich erst in sechzig Jahren noch mal ansehen, wenn er im Schaukelstuhl weilt und bei einem guten Glas Aloe-Vera-Smoothie an früher denkt. Als er den Zenit eben schon leicht überschritten hatte. Nicht sein Turnier, hätte einen anderen Abgang verdient gehabt.
Emre Can
Rückte überraschend in die Startelf und machte seine Sache fast gut. Brauchte 15 Minuten um ins Spiel zu finden und machte danach robust das Zentrum zu. Flog fast wegen Meckerns vom Platz und musste von Thomas Müller eingenordet werden. Um schließlich, als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war, für Mario Götze zu weichen. Ein Wechsel für die Mülltonne.