An diesem Wochenende startet die neue Saison mit dem Supercup. Zeit, ein letztes Mal auf die vergangene Saison zurückzublicken. Denn sie hat uns eines gelehrt: Die Hoffnung stirbt nicht immer zuletzt, manchmal geht sie auch einfach in Erfüllung!
Wo der schönste Dialog der Saison stattfand, hat Kevin-Prince Boateng nicht verraten. War es im Mannschaftshotel von Eintracht Frankfurt in Berlin? Auf der Busfahrt ins Olympiastadion? Oder erst dort, direkt vor dem Pokalendspiel gegen den FC Bayern? Ante Rebic jedenfalls, so verriet Boateng beim Empfang der Pokalsieger in Frankfurt vom Balkon herunter, sei mit einem deutlichen Wunsch an ihn herangetreten. „Der hat vorm Spiel gesagt mit seinem super Deutsch: ‚Bruder, schlag den Ball lang.‘ Und ich hab’ gesagt: ‚Bruder, ich schlag den Ball lang.‘“
Tausende am Frankfurter Römer lachten und jubelten, denn genau so war es gekommen. Nach einer guten halben Stunde des Finales hatte Boateng dem schläfrigen James den Ball abgenommen und ihn lang in den Lauf von Rebic gespielt. Der Stürmer mit der Rückennummer Vier traf zum 1:0. In der zweiten Halbzeit schlug den langen Ball dann ein anderer Bruder, Danny da Costa, und Rebic schoss sein zweites Tor.
„Manchmal geht die Hoffnung auch einfach in Erfüllung“
In ihrem Jubel über den ersten Titelgewinn seit drei Jahrzehnten waren die Frankfurter nicht allein. Fast alle Fans in Deutschland freuten sich mit ihnen. Mit Antipathien gegen den Rekord-Allesgewinner oder plötzlich aufflammender Sympathie für die Eintracht hatte das wenig zu tun. Der sensationelle Pokalsieg der Frankfurter bedeutete eine Befreiung. Was ihn so wertvoll machte, war das: Er war sensationell. Wenigstens hier wurde das Prinzip der Erwartbarkeit durchbrochen, das sich so bleischwer über den Fußball gelegt hat – nicht nur in Deutschland, aber auch hier. Ein immer kleinerer Kreis von Mannschaften räumt die Titel ab, der Rest gibt nur noch die Komparsen.
„Aber die Hoffnung stirbt eben nicht nur zuletzt, manchmal geht sie auch einfach in Erfüllung“, schrieb unser überwältigter Kollege Stephan Reich am Tag nach dem Pokalsieg, den er als Fan der Eintracht im Stadion bejubelt hatte. Wenn man diese Saison auf den Begriff bringen möchte, war es Sehnsucht. Eine wachsende Sehnsucht danach, dass die Hoffnung öfter in Erfüllung geht und die gigantisch gewordenen Unterschiede zwischen Klein und Groß, zwischen Arm und Reich doch überwunden werden können. Auch die Wahl der Besten dieser Saison zeugt in vielerlei Hinsicht von der Sehnsucht nach dem anderen im Fußball.
Nun sind die Sehnsüchte der meisten Fans einfach. Sie wollen Spaß haben mit ihrer Mannschaft, ob die nun Meister werden kann oder nicht. Im Alltag ergeben sich dadurch genug Aufregungen, doch wenn man sich umschaut, welcher Bundesligist in dieser Saison seine Anhänger vom ersten bis zum letzten Spieltag durchgehend glücklich gemacht hat, bleibt nur einer übrig: Schalke 04. Dass deren Freude eher wenige Fans anderer Vereine zu teilen wussten, hatte viel mit der spröden Spielweise unter Domenico Tedesco zu tun.
Eine Zeit des Leidens für den Rest der Liga
Der 32-Jährige wurde in seiner ersten Bundesligasaison, die zugleich auch seine erste komplette Spielzeit als Profitrainer war, ein Zauberlehrling, der Blei in Siege zu verwandeln verstand. In Gelsenkirchen kratzte das niemanden, denn nach vier Jahren kehrte Schalke wieder in die Champions League zurück, erstmals seit 2010 als Vizemeister. Emotional noch wichtiger waren die Platzierung vor dem Rivalen aus Dortmund und die Erfolge im direkten Vergleich mit der Borussia. Das 4:4 in Dortmund hat schon heute seinen Platz in der ewigen königsblauen Ruhmeshalle sicher, das spektakulärste Spiel der Saison war die Vier-Tore-Aufholjagd überdies.
Dass gerade der Brasilianer Naldo den vierten Schalker Treffer per Kopf ins Dortmunder Tor schmetterte, war kein Zufall. Genauso wenig, dass er die Borussia im Rückspiel per donnerndem Freistoß besiegte. Es sagt viel über diese Saison, dass ein 35 Jahre alter Innenverteidiger zum besten Spieler gewählt wurde. Damit wurden nämlich nicht nur seine Klasse und professionelle Haltung, Teamgeist und Siegeswille geehrt, sondern auch Bescheidenheit und Freundlichkeit im Auftreten. Übrigens et- was, das den Zweitplatzierten Nils Petersen ebenfalls auszeichnet und was in dieser Mischung seltener anzutreffen, als man es sich wünschen würde.
Die Behauptung, dass allein Schalke durchgehend glücklich durch die Saison segelte, bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass der Rest der Liga eine Zeit des Leidens erlebte. Etliche aber schon: Bei den Absteigern Köln und Hamburg war das so und beim VfL Wolfsburg auch. Er rettete sich zwar, aber seine Saison war eine Blamage. Das war sie in Freiburg nicht, aber eine Quälerei für alle Beteiligten, wie es auch in Mainz bis zur Belastungsgrenze knirschte. Hertha verlor sich in der Graumausigkeit, in Gladbach murrte das Publikum leise vor sich hin, und beendete RB Leipzig eine eigentlich doch gute Saison nicht seltsam missgestimmt? Bei Borussia Dortmund bestand daran kein Zweifel: Nach dem Raketenstart unter Peter Bosz lag bald ein Mehltau aus Frust über allem.