Die neue Zweitligasaison verspricht Dramatik, große Gefühle und ein paar handfeste Überraschungen. Wir wagen eine Prognose.
Machen die Großen Vier den Aufstieg unter sich aus?
Unwahrscheinlich. Und das nicht nur wegen der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach es erstens anders kommt, und zweitens, als man denkt. Stuttgart, Hannover, Nürnberg und der HSV mögen, was Strahlkraft und Potential angeht, allen anderen Zweitligisten überlegen sein, doch haben die ersten drei eine wahrlich katastrophale Saison hinter sich, und der HSV… ach Gott, der HSV. Unabhängig vom schlechten Karma der jüngeren Vergangenheit schleppen alle vier ganz aktuelle Probleme mit in die neue Spielzeit, seien es Kreuzbandrisse von Schlüsselspielern (Stuttgarts Zwei-Meter-Stürmer Kalajdzic und Nürnbergs Misidjan), fortgesetzte interne Querelen (Hannover) oder ein paar zu viele Karteileichen im Kader (Hamburg). Vergleicht man die Teams, scheinen der HSV und der VfB dennoch aktuell besser aufgestellt zu sein als die Konkurrenz. Beim Club und 96 ist dagegen fraglich, ob sie überhaupt um den Aufstieg mitspielen können.
Wer kann sonst noch mitmischen?
Als Kronprinz hinter den vier Scheinriesen gilt Arminia Bielefeld. Die beste Zweitliga-Mannschaft des Jahres 2019 ist nahezu unverändert zusammengeblieben und hat lediglich einen Innenverteidiger ausgetauscht (Joakim Nilsson kam aus Schweden für den zu Sheffield Wednesday abgewanderten Kapitän Julian Börner). Holstein Kiel und Jahn Regensburg haben das Unterhaus in der letzten Saison spielerisch bereichert, aber die dafür verantwortlichen Übungsleiter Tim Walter (zum VfB Stuttgart) und Achim Beierlorzer (zum 1.FC Köln) verloren – und außerdem jeweils die halbe Stammelf. Stärker einzuschätzen sind da schon Darmstadt 98, das sich mit Spielern wie Dresdens Erich Berko und Kiels Mathias Honsak schlau verstärkt hat, und der VfL Bochum. Letzterer allerdings eher, weil er der VfL Bochum und damit immer noch ein gefühlter Erstligist ist – und weil er mit Saulo Decarli vom FC Brügge einen Abwehrchef geholt hat, der zu den Besten der Liga gehören dürfte. Bliebe der 1.FC Heidenheim, der sich zuletzt so nah an die Zweitligaspitze heran gerobbt hat wie nie. Klubikone Marc Schnatterer wird 34, wenn er noch mal in der Bundesliga spielen will, muss es bald sein. Eine Warnung sei allerdings all diesen Teams mit auf den Weg gegeben: Wie hart man als vermeintlicher Aufstiegs-Mitfavorit landen kann, hat gerade erst der FC Ingolstadt eindrucksvoll gezeigt.
Und wer könnte am Ende ins Gras beißen?
„80 Prozent aller Zweitligisten kämpfen ums Überleben“, sagt Aues Präsident Helge Leonhardt. Das ist ein bisschen übertrieben, aber es geht in die richtige Richtung. Zu sagen, dass die Aufsteiger es traditionell schwer haben, wäre deshalb wenig originell. Stimmt ja auch nicht in jedem Fall, siehe Paderborn, das sich zuletzt dreist in die andere Richtung verabschiedet hat. Einen heimlichen Durchmarschkandidaten sucht man in diesem Jahr vergeblich, doch zumindest dem Karlsruher SC ist ein Platz im gesicherten Mittelfeld zuzutrauen. Mit dem VfL Osnabrück und dem SV Wehen Wiesbaden gegen den Absturz kämpfen wird der traditionell für diese Rolle vorgesehene SV Sandhausen – diesmal allerdings unter verschärften Bedingungen, da ihm mit Andrew Wooten (in die MLS) und Fabian Schleusener (nach Nürnberg) der komplette erste Sturm abhanden gekommen ist. Wenn Aues Präses vom Überlebenskampf spricht, meint er natürlich auch seinen eigenen Verein, und das völlig zurecht. Das Fürther Kleeblatt und die von der Konkurrenz arg gerupften Regensburger sollten sich ebenfalls nicht zu sicher fühlen. Alles soweit vorhersehbar und ein bisschen langweilig, deshalb schnell noch etwas Tabasco in die Prognose geträufelt: Wenn der FC St. Pauli sich bis zum Ende der Transferperiode nicht wesentlich verstärkt, ist auch er ein heißer Abstiegskandidat.