Deutschland schafft es ins Achtelfinale – allerdings nur mit Ach und Krach. Warum wurde es ausgerechnet gegen die vermeintlich schwächste Truppe der Gruppe so furchtbar knapp? Unser Newsletter „11FREUNDE am Morgen“.
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Die große Flatter. Das hatte sich die deutsche Nationalelf anders vorgestellt. Mit dem Schwung aus dem Portugal-Spiel sollte auch der letzte Gruppengegner Ungarn überrollt und der Einzug ins Achtelfinale sichergestellt werden. Stattdessen rannte die Truppe von Joachim Löw zweimal einem Rückstand hinterher und konnte froh sein, dass der eingewechselte Leon Goretzka sich nach einem Getümmel im Strafraum endlich mal ein Herz fasste und den Ball aus 14 Metern in die Maschen drosch (84.). Zuvor schien es lange Zeit so, als würde sich die Geschichte der WM 2018 wiederholen – als Farce, weil die deutsche Mannschaft diesmal über neunzig Minuten spielbestimmend war und trotzdem auf kurios anmutende Weise zwei Tore kassierte, die auf dem Niveau eigentlich nicht mehr passieren: Erst verwertete der Mainzer Szalai eine weite Flanke in den Rücken der verdutzten Hummels und Ginter (11.), und in der zweiten Hälfte war die deutsche Abwehr nach dem Ausgleich durch einen ins Tor gedrückten Kopfball von Havertz (66.) offenbar noch so damit beschäftigt, die Gruppenkonstellation durchzurechnen, dass der eingewechselte Schäfer plötzlich frei vor dem hilflos vorbeisegelnden Keeper Neuer auftauchte und einköpfte.
Der Rest war Anrennen und Zittern und schlussendlicher Jubel, der allerdings gedämpft ausfiel. Weil die deutsche Defensive bei den wenigen ungarischen Vorstößen wieder einmal nicht sonderlich sattelfest wirkte. Weil Jogi Löws Plan, wie schon Portugal auch die Ungarn über die Flügel unter Druck zu setzen, grandios scheiterte. Weil Leroy Sané über neunzig Minuten völlig sich neben sich stand und einmal einen Eckball auf so groteske Weise über alle Köpfe hinweg ins Niemandsland bolzte, dass sogar der ZDF-Kommentator pietätvoll schwieg. Und weil vorne wieder einmal jene Durchschlagskraft fehlte, die gegen die nun kommenden stärkeren Gegner den Unterschied machen wird. (Den Liveticker zum Spiel in der Nachlese gibt es hier.)
Um nicht nur zu mosern: Der zweite Platz, auf dem die deutsche Elf mit vier Punkten eingelaufen ist, sorgt dafür, dass es erst im etwaigen Halbfinale gegen die starken Holländer gehen würde. Zuvor wartet England, eine Mannschaft, die der Löw-Elf deutlich mehr liegen dürfte als defensive Truppen wie die Ungarn. Und ganz generell ist Deutschland nun im nominell etwas leichteren Turnierzweig gelandet. Belgien, Spanien, Italien oder Frankreich sind erst im Finale mögliche Gegner. Bis dahin allerdings ist es noch ein weiter Weg.
Er kickt wie Zinédine Zidane und lacht wie Buster Keaton. Für Kai Havertz könnte das noch zum Problem werden. Denn damit landet man in der deutschen Öffentlichkeit schnell in der Mesut-Özil-Falle.
Aus dem Gestüt Fährhof. Die Älteren werden es schon bei der Erwähnung des Pferdefreunds Adi Furler gewusst haben: Natürlich wurde gestern der „Galopper des Jahres Acatenango“ gesucht. Vielen war der Spitzname „Acker“ des kickenden Gerd Schröder nicht geläufig, also phantasierten sie Abkürzungen wie „AKA“ für „Altkanzler“ herbei. Auch nicht schlecht. Heute lassen wir es ganz leicht angehen und suchen eine Vereinigung, die wie die Kollegen vom Fährhof auch ein paar preisgekrönte Jungtiere hervorgebracht hat. Lösungen auch heute an die diskrete Postfachadresse philipp@11freunde.de.
„Aufgrund der Popularität des Fußballs wird zu oft versucht, Sportverbände für eigene Zwecke zu missbrauchen.“
Zurück in Berlin. Neulich, als wir ein Antrittsinterview mit Fredi Bobic führten, hatte der neue Hertha-Manager es bereits angedeutet, gestern nun wurde Kevin-Prince Boateng tatsächlich als Neuzugang bei Hertha BSC vorgestellt. Doch natürlich ist es vor allem eine Rückkehr, die manch einen Berliner Anhänger wehmütig werden lassen kann. Denn Boateng gehörte mit Patrick Ebert, Ashkan Dejagah, Chinedu Ede und dann auch mit Bruder Jerome zu einer begnadeten Generation von Jugendkickern, die 2006 und 2007 in den Profikader der Hertha aufrückten und den etablierten Bums mit Weddinger Straßenslang und Bolzplatzhärte aufmischten. Damals konnte der Klub nichts mit den kantigen Nachwuchsleuten anfangen und schickte sie weg – eine grandios verpasste Großchance, das aseptische Großklub-Image abzustreifen. Nun ist zumindest Kevin-Prince wieder da. „Ich bin in all den Jahren viel rumgekommen und habe viel lernen können, aber all das, meine ganze Karriere, habe ich diesem Verein zu verdanken“, sagte Boateng gestern. „Ich bin hier, um etwas zurückzugeben“. Wurde auch Zeit.
Hand angelegt. Eigentlich hatte sich die chilenische Nationalelf über ein 1:0 gegen Bolivien bei der Copa Améric freuen wollen. Stattdessen bestimmte ein bizarrer Streit mit Ausrüster Nike die Schlagzeilen. Angeblich hat der Konzern stolze 4,2 Millionen US-Dollar aus der Spielzeit 2019/20 nicht überwiesen, was dazu führte, dass das Team den Nike-Swoosh kurzerhand mit der chilenischen Flagge überklebte. Ein Schiedsgericht in New York soll nun schlichten, bevor in Chile der Textilkleber knapp wird.
Alles geht schief. Das Aus der Schotten ist eh schon deprimierend genug, da braucht es solch demütigende Bilder, wie sie BBC ausstrahlte, auch nicht mehr. Zu sehen ist die Reaktion der schottischen Fans auf das Ausscheiden, einer versucht voller Frust gegen eine Tischkante zu treten – und nicht mal das gelingt.
Der erste turnierfreie Tag. Was unseren Blick auf die Copa América lenkt, die auch schon auf Hochtouren läuft und heute abend (23 Uhr) immerhin noch den Kick Bolivien-Uruguay bereithält, das Kellerduell der Gruppe A, in der Argentinien und Chile vorwegmarschieren. Weiter geht´s erst am Samstag mit den ersten Achtelfinal-Spielen, nämlich Wales – Dänemark und Italien – Österreich.
Einen entspannten Mittwoch wünscht euch und mir