Es war eine grausame Woche für die Bundesligisten aus Mainz und Gelsenkirchen. Beide verloren nicht nur ihre Heimspiele, sondern scheinen de facto auch abgestiegen. Jedenfalls spricht dafür, dass mit sieben Punkten aus der Hinrunde in der Bundesliga-Geschichte noch keine Mannschaft die Rettung geschafft hat. Selbst wenn in dieser Saison 30 Punkte reichen sollten, um es zumindest in die Relegation zu schaffen, wirkt der Weg für Schalke und Mainz unendlich weit. In der Rückrunde müssten sie dazu nämlich in etwa so gut punkten wie Freiburg oder Stuttgart in der Hinrunde.
Natürlich werden wir in den kommenden Wochen trotzdem hören, dass niemand aufgibt. „Vielleicht kann genau das unsere Herausforderung sein, dass wir die Ersten sind, denen es gelingt“, sagte Mainz Sportdirektor Martin Schmidt mit Blick auf den Fakt, dass eine so schmale Punktzahl aus der Hinrunde noch nie gereicht hat. Und Schalkes Trainer Christian Gross teilte mit: „Die Hoffnung ist da bis zum Moment, wo es eventuell nicht mehr geht.“ So muss geredet werden, aber realistischer Weise sollten beide Klubs den einzigen Vorteil nutzen, der sich aus ihrer deprimierenden Situation ergibt: Sie haben weitgehende Planungssicherheit.
Mainz 05 hat sich in den letzten Wochen mit den Rückkehrern Christian Heidel und Schmidt in der Führung bereits neu aufgestellt, Trainer Bo Svenson wurde ausdrücklich auch für die Zweite Liga geholt. Außerdem hat der Klub am Donnerstag seinen besten Stürmer an Crystal Palace verliehen – mit anschließender Verkaufsoption. Das klingt erst einmal irre, denn Jean-Philippe Mateta hat sieben der 15 Bundesligatore der Mainzer in dieser Saison geschossen. Trotzdem ist sein Abgang zu Crystal Palace in mehrerlei Hinsicht der richtige Schritt.
Eine Leihgebühr von 3,5 Millionen Euro bringt etwas Spielraum für sofortige Verstärkungen. Eine Ablösesumme von noch einmal 14 bis 17 Millionen Euro im Sommer könnte die Kosten des Abstiegs absehbar reduzieren. Wichtiger ist aber noch das Signal, das von diesem Wechsel ausgeht. Mateta war bei all seinem prächtigen Talent auch ein Beispiel für die Fehlentwicklung der letzten Jahre. Er war ein Star in einem Klub, der eigentlich keine Stars gebrauchen kann, jedenfalls nicht nach konventionellem Verständnis. Mateta war ein herausragender Einzelkönner in einer Mannschaft mit viel Einzelkönnerschaft aber zu wenig Teamwork auf dem Platz – und wohl auch jenseits davon. Mit seinem Abgang und allen anderen Entscheidungen, die in Mainz zuletzt getroffen wurden, sagt der Klub: Mainz mag zwar nicht mehr Mainz gewesen sein, aber Mainz soll wieder Mainz werden.
Auch Schalke hat in dieser Woche einen Transfer mit Signalwirkung getätigt. Die Rückkehr des 37-jährigen Klaas-Jan Huntelaar hat bei einigen Fans verständlicherweise sentimentale Gefühle geweckt. Aber er ist eben so alt wie er ist, und schlimmer noch: Nach der Niederlage gegen Köln wirkte seine Rückkehr seltsam überflüssig. Die Wende wird der Holländer so wenig schaffen, wie den Weg in irgendeine Zukunft weisen. Auch der 66-jährige Gross wird über diese Saison hinaus bei Schalke keine Rolle spielen, und das trifft auch auf den glücklosen Sportvorstand Jochen Schneider zu. Seine Ablösung ist eigentlich längst beschlossen, aber er muss trotzdem immer noch weiter machen.
Sportliche Krisen, besonders so krasse wie in Mainz und Schalke, sind immer Identitätskrisen. Sie zeigen, dass Klubs nicht mehr wissen, wer sie sind und wofür sie stehen. In Mainz, so ist der Eindruck, ist das nicht nur verstanden worden, es wurde auch die Wende eingeleitet. Bei Schalke dürfte das ebenfalls jedem klar sein, aber zugleich wirkt der Klub total gelähmt. Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels, nichts was in die Zukunft weist. Wenn das aber so bleiben sollte, wird sogar der einzige Vorteil verschenkt, den es in all dem Elend gerade gibt.
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