Wie tolerant ist der Nahe Osten? In Israel gibt es seit einem Jahr den ersten schwulen Fußballklub der Region. Wir waren zu Besuch.
45 Mitglieder zählt der im Juni 2012 gegründete Fußballclub Rainball Tel Aviv, mehr als 30 davon sind regelmäßig aktiv am Ball. Die Idee, ausgerechnet in Israel einen schwulen Verein zu gründen, hatte Ron Cohen. Der Torwart und Kapitän studierte einige Jahre in England und war begeistert, mit welcher Selbstverständlichkeit dort schwule Teams auch am offiziellen Spielbetrieb teilnehmen. Nach einem Gastspiel bei den Leftfooters in London stand der Entschluss fest. Mittlerweile nimmt das Team sogar am offiziellen Amateur-Spielbetrieb in Israel teil, zwei Mal pro Woche steht das Training an. Mindestens genauso wichtig sind die Aktivitäten außerhalb des Spielfeldes: Gemeinsame Party- und Pub-Besuche, Kinoabende und Ausflüge. Für Eitan ist der Verein „eine soziale Plattform und eine Familie“.
Israel ist „ziemlich fortgeschritten“ in Sachen sexuelle Toleranz
Religion, für die meisten Menschen in der Region ein fester und unverzichtbarer Bestandteil des Lebens, spielt bei den Rainball-Kickern übrigens eine untergeordnete Rolle: „Wir sind ein sehr liberales Team, in dem Religion kein Problem darstellt.“ So seien zwar die meisten Mitglieder gemäßigte Juden, dennoch sei man auch offen für orthodoxe Juden und Moslems. Neben Schwulen spielen wie selbstverständlich Heterosexuelle im Team mit. „Solange die Menschen akzeptieren, dass unser Team Toleranz, Respekt und Fairness lebt, ist uns der Glauben, das Geschlecht oder die sexuellen Orientierung egal“, sagt Eitan, der mit einer solchen Einstellung in einem tief religiösen Land wie Israel auch mal aneckt.
Eitan Baron bezeichnet die Situation für Schwule und Lesben in Israel als „ziemlich fortgeschritten – und es scheint, dass einige Regierungsparteien unsere Rechte weiter fördern möchten“. Tatsächlich entsprechen die Gesetze schon heute mitteleuropäischem Standard, lediglich bei orthodoxen Juden und konservativen Muslimen stoßen Lesben und Schwule noch auf Vorbehalte und Ablehnung. Nicht umsonst sei Tel Aviv zu einem beliebten Reiseziel von LGBT-Touristen (LGBT = Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, d. Red.) geworden. Ob Eitan und seine Freunde diesen Trend auch für das erste schwule Fußballturnier im Nahen Osten nutzen können, bleibt abzuwarten. Er rührt weiter die Werbetrommel. Fast schon flehentlich klingt sein Appell: „Nur vor Ort kann man sehen, wie sich die Realität von den vielen Geschichten, die man aus den Nachrichten kennt, unterscheidet.“ Die aus ganz Europa anreisenden Friedensbotschafter in kurzen Hosen können bei der Imagekorrektur ganz sicher nicht schaden.