Fans der schottischen Nationalelf trotzen gut gelaunt allen Misserfolgen ihres Teams. Ende August 2014 besuchten wir sie – kurz vor dem EM-Quali-Hinspiel gegen Deutschland.
Von hier aus werden sie nach Dortmund aufbrechen, von der West Nile Street im Herzen von Glasgow. Am Freitag, dem 5. September werden sie im Iron Horse Pub noch ein paar Biere trinken, und vielleicht wird Dougie Wotherspoon doch seinen Dudelsack mitbringen. Obwohl ihm das 5000 Euro teure Stück eigentlich zu wertvoll ist, um es mit auf Auswärtsfahrt zu nehmen. Auch Natalie Sharp, 24, wird dabei sein, die so kleine wie resolute Pharmazieassistentin, und Gareth Finn, 33, der für einen Abgeordneten der Scottish National Party arbeitet. Alles im Auge haben wird Jim Brown, 57, der früher mal in Köln bei einer Kabelfirma gearbeitet hat, montags hinflog und donnerstags zurück zur Familie nach Glasgow. Er hat den Trip organisiert. John Daly, 57, der Metalllegierungen entwickelt hat, wird seine Visitenkarten in der Tasche haben. Darauf steht: „Tartan Army Footsoldier“.
Der Bus, der sie nach Dortmund bringt, wird voll mit unbewaffneten Fußsoldaten der freundlichsten Armee der Welt sein. Die Tartan Army ist keine marodierende Soldateska, sondern seit Jahrzehnten schon eine Avantgarde von Fußballpassion ohne Nebenwirkungen. Sie rühmt sich nicht, Städte einzunehmen, sondern deren Kneipen leerzutrinken. Sie will nicht kämpfen, sondern singen und auf den Tischen tanzen. Deshalb werden sich ihre Truppen am Vorabend des Spiels in Dortmund auch wieder zur großen Party vor Ort treffen, wie bei jedem Auswärtsspiel.
„Wir sind nicht wie die!“
Doch jetzt sitzen acht Fußsoldaten und eine Fußsoldatin im Klubraum des Iron Horse an einem langen Tisch, um davon zu erzählen, was es eigentlich bedeutet, zur bekanntesten und beliebtesten Fan-Gruppe der Welt zu gehören. Und wie sie dazu wurde. Denn die Älteren am Tisch können sich noch an die Zeiten erinnern, in denen sich schottischen Fans kaum von denen aus anderen Ländern unterschieden. Erst im Zeitalter des Hooliganismus begann sich das zu ändern. „Um uns von unseren Cousins in England abzusetzen, wurden wir immer besser, je schlimmer sie wurden“, sagt John Daly, der 1965 zum ersten Mal ein Spiel des schottischen Teams sah. Hinter dieser Entwicklung gab es keine erklärte Strategie, es wurden auch von niemandem Regeln aufgestellt oder große Worte geschwungen. „Es ging darum, klar zu machen: Wir sind nicht wie die!“
Im Laufe der achtziger Jahre begannen schottische Fußballfans sich auch optisch vom Rivalen aus England abzusetzen. Früher hatten sie bestenfalls mal eine Mütze oder einen Schal mit dem Schottenmuster, dem Tartan, getragen. Doch nun kamen sie im Kilt zu den Spielen. „Das hat für uns viele Türen geöffnet, denn man kann inzwischen fast überall auf der Welt in eine Kneipe gehen, und die Leute denken sofort: Das müssen Schotten sein!“, sagt Jim Brown, als er mit einer Runde Bier zurückkommt.
Zur globalen Verbreitung trug auch der Blockbuster „Braveheart“ mit Mel Gibson in der Hauptrolle des freiheitskämpfenden William Wallace bei. Danach wussten auch Leute in Tokio oder Hongkong, dass es keine Form sexueller Verwirrung war, wenn diese haarigen Männer ihre Kilts trugen.
Die beste desorganisierte Organisation
Alle hier über dem Schankraum des Iron Horse Pub gehören zu WESTA, der West of Scotland Tartan Army, was aber einen Grad von Organisation nahelegt, den es nicht gibt. Der Zusammenschluss diverser lokaler Gruppen ist so lose wie die berühmten Märsche der Tartan Army zum Stadion spontan. „Wir sind die am besten desorganisierte Organisation, die es gibt“, sagt Jim Brown. Besonders legendär war der Marsch 2007 in Paris, als 20 000 Schotten vom Eiffelturm zum Prinzenpark-Stadion liefen. Richtig abgesprochen sind die Märsche nie, irgendwie ergeben sie sich einfach.