Der moderne Fußball produziert viele Kapriolen. Eine davon sind grob falsch verstandene Vorstellungen über Fußballfans. Bei der gescheiterten Super League zeigten sich die Irrtümer.
Wie wir Fußballspiele anschauen, ändert sich beständig, und die Klubs, die Ligen und Verbände müssen darauf reagieren. Aber ihre Logik ist manchmal rätselhaft, etwa bei der besessenen Fixierung auf die NFL und vor allem den Super Bowl. Für viele Bosse der Superklubs scheint er der Heilige Gral zu sein, obwohl das Finale der Champions League viel mehr Menschen erreicht. Und warum muss man sich den Fan der Zukunft suchen, wenn man schon in der Gegenwart so viele hat? Warum riskiert man sogar, diese Leute zu vergraulen?
Als sich am Tag nach der Ankündigung der Super League Fans des FC Chelsea am Stadion ihres Klubs zum Protest versammelten, hielt einer von ihnen ein Protestplakat hoch, auf dem stand: „WE WANT OUR COLD NIGHTS IN STOKE!“ Das war eine Anspielung darauf, dass das Stadion von Stoke City in England als besonders kalt und zugig gilt und dass dort gerade Spitzenmannschaften immer wieder so in Schwierigkeiten gerieten, dass gerne an Spieler die Frage gestellt wurde: „But can he do it on a cold night in Stoke?“ Dass gerade Stoke, das in England als besonders unattraktive Stadt gilt, als Sehnsuchtsort beschworen wurde, zeigte aber auch, wie wenig die Propagandisten der Super League ihr Publikum kannten. Denn es waren nicht ergraute Alt-Fans, die da protestierten, sondern es dominierten die jungen Gesichter.
Pérez hat aber nicht nur über die vermeintlichen Wünsche junger Zuschauer klare Vorstellungen, er weiß vor allem, auf welche Kundschaft er insgesamt zielt. „Wir haben Fans in Singapur, in China, auf der ganzen Welt, das sieht man in den sozialen Medien. Das bringt das Geld rein“, sagte er. Aus solchen Bemerkungen und aus dem Begriff „Legacy Fans“ sprach eine erstaunliche Geringschätzung. Außerdem zeigte sich dabei ein ziemlich unterkomplexes Verständnis vom Zusammenspiel des Lokalen und des Globalen.
Die chinesischen Fans von Real Madrid oder des FC Bayern finden an diesen Klubs gerade auch liebenswert, was vor Ort entsteht. Aber es wirkte fast so, als ob den Machern der Super League ihr bisheriges Publikum auf die Nerven ging und sie gerne ein anderes hätten. Oder warum spielte Pérez die Satelliten-Fans gegen jene aus, die in seinem Stadion sitzen? Auf jeden Fall hinterließ die Idee der Super League den Eindruck, dass deren Macher ein bemerkenswert schlichtes Bild ihrer Kundschaft und von deren Wünschen hatten. Lag es vielleicht daran, dass sie das Business gar nicht so richtig verstanden, das sie da betrieben? Oder war an diesem Geschäft grundsätzlich etwas faul?