Pablo Gil wurde mit Javi Martínez und Juan Mata U19-Europameister. Er hat Sport auf Lehramt studiert, ist ausgebildeter Ernährungsberater und kennt sich in der Welt der Finanzanlagen aus. Nun kämpft er mit der TSG Balingen gegen den Abstieg aus der Regionalliga. Wie ist er da nur gelandet?
Sie sind bei Sparta in zwei Jahren nur sehr selten zum Zuge gekommen. Welche Partie ist Ihnen dennoch besonders in Erinnerung geblieben?
Mein letztes Spiel für Sparta war in der Europa League bei Athletic Bilbao, das letzte Europapokalspiel im alten San Mamés. Ich sollte von Anfang an spielen, aber da habe ich schon die Verletzung bemerkt und konnte nicht auflaufen. Mein nächstes Spiel habe ich 25 Monate später gemacht. In der Tercera División (vierte Liga) vor 150 Zuschauern auf Kunstrasen. Das musste ich persönlich erstmal verarbeiten. Das letzte Mal sollte ich vor 50.000 Zuschauern auflaufen und nun stand ich da und kickte vor 150 Leuten. Ich war immer noch derselbe wie damals in Bilbao, habe mich aber umgeschaut und gesehen, dass sich alles verändert hat.
Ein Schlüsselmoment?
Absolut. In dem Moment war mir bewusst, dass ich nochmal alles versuchen wollte. So weit, wie es irgendwie geht und solange mein Körper nicht sagt: Bis hierher und nicht weiter. Und so halte ich es bis heute. Was mein Kopf sagt, gilt nur so lange, wie mein Körper nichts dagegen hat. Ich war dann bei verschiedenen unterklassigen Vereinen in Spanien unter Vertrag.
Wie sind Sie da aufgenommen worden? Als Spieler mit Ihrer Vergangenheit muss man in der dritten oder vierten Liga sicher ordentlich einstecken.
Es war nicht nur ein Kampf gegen die Gegenspieler, sondern auch ein Kampf gegen die Gesetze des Fußballmarktes. In Mérida zum Beispiel bat mich der Sportdirektor zum Gespräch und sagte mir, man hätte sich mehr von mir erwartet. Da habe ich ihm gesagt: „Ich weiß, was du willst. Du willst den Spieler, der ich bei Real Madrid war oder bei Sparta. Das kannst du vergessen. Vor 18 Monaten konnte ich nicht mal laufen! Wenn ich noch auf dem Niveau spielen könnte, das ich damals hatte, wäre ich logischerweise gar nicht hier.“
Sie haben sich dann nebenbei eine zweite Karriere aufgebaut.
Mein Studium hatte ich in der Tasche, nebenbei hatte ich mich noch zum Ernährungsberater ausbilden lassen. Ich habe dann in Madrid ein Fitnessstudio eröffnet, mich ganz der Geschäftsentwicklung gewidmet und nebenbei bei Inter Madrid gespielt, einem Viertligaklub, der ganz in der Nähe neu gegründet wurde.
Das hört sich ganz erträglich an. Wie kam es dann dazu, dass Sie zu einem Oberliga-Aufsteiger nach Deutschland wechselten?
Uns ging es gut, wir hatten uns in Madrid ein Leben aufgebaut. Ich hatte das Studio und den Fußball, meine Frau war berufstätig. Plötzlich meinte mein Berater, es gäbe ein Angebot aus der 5. Liga in Deutschland. Das konnte ich mir natürlich erstmal überhaupt nicht vorstellen. Die Leute vom FC Villingen waren aber sehr hartnäckig und haben mich direkt zum Probetraining eingeladen. Ich wollte gar nicht hin, aber meine Frau sagte: „Nimm dir vier Tage Urlaub, flieg hin, dann lernst du Deutschland kennen, kickst ein bisschen und dann kommst wieder nach Hause!“
Und lief es auch so ab?
Nach dem Training kamen der Präsident und der Trainer auf mich zu und meinten: „Was müssen wir tun, damit du zu uns kommst?“ Da habe ich nur mit dem Kopf geschüttelt. Auf keinen Fall. Ich musste zurück, ich hatte in Madrid doch ein Unternehmen. Aber die Verantwortlichen von Villingen haben einfach nicht locker gelassen. Ich habe meinem Berater gesagt: „Das geht gar nicht, die sind gerade von der Verbandsliga in die Oberliga aufgestiegen.“ Mein Berater meinte: „Die geben dir einen Profivertrag, als einzigem Spieler im Kader. Für deine Frau wird eine Arbeit organisiert. Du musst dich um nichts kümmern, die machen alles für dich.“ Da habe ich zum ersten Mal seit langem wieder gespürt, dass ein Verein mich wirklich haben wollte, und das hat gut getan. Also habe ich das Studio dicht gemacht, wir haben uns ins Auto gesetzt und sind nach Deutschland gekommen.
„Auf einmal war ich ein Idol“
Wie war das erste Jahr in Villingen?
Meine Frau und ich konnten nicht einmal die Sprache. Aber wir haben eine tolle Stadt vorgefunden, in der ich auf einmal eine Art Idol war. Alle haben sich fantastisch um mich gekümmert. Und man hat mir die Chance gegeben, mit 29 Jahren und bei meiner Vorgeschichte nochmal wieder vom Fußball leben zu können. Das war unglaublich. Auf dem spanischen Markt war ich ja schon als verletzungsanfällig gebrandmarkt.
Bei Sparta Prag, Ihrer ersten Auslandsstation sind Sie gescheitert. Warum waren Sie sich sicher, dass es in Deutschland klappen würde?
Weil meine ganze Einstellung von vornherein eine andere war. Ich hatte mir fest vorgenommen, die Sprache zu lernen und auf keinen Fall wieder so schnell aufzugeben wie in Prag. Die Sprachbarriere sollte nicht noch einmal der Grund dafür sein, dass ich in die ganze Lebensphilosophie, die ganze Fußballphilosophie und die Art zu arbeiten nicht eintauchen konnte.
Sie hatten mit dem Team aus Villingen direkt sportlichen Erfolg, das hat sicher auch geholfen.
Klar. Wir haben uns als Liganeuling direkt für die Aufstiegsrunde qualifiziert, sind dann aber leider gescheitert. Die Oberliga wurde mir dann aber doch etwas zu klein und deshalb habe ich mich nach Alternativen umgeschaut. Ich hatte mehrere Angebote aus der Regionalliga, unter anderem aus Frankfurt und Homburg.
Ihr nächstes Ziel war dann Ihr aktueller Klub, die TSG Balingen. Die erste Saison lief ganz gut, aber in dieser Spielzeit sieht es nicht so rosig aus. Sie liegen 17 Punkte vom rettenden Ufer entfernt auf einem Abstiegsplatz.
In meinem ersten Jahr haben wir die Klasse gehalten. Ich habe das Angebot erhalten, meinen Vertrag um ein weiteres Jahr zu verlängern und musste da mit meinen 30 Jahren nicht lange überlegen. Die erste Saison habe ich trotz einer Knieverletzung durchgespielt, musste aber nach der Saison unters Messer. Acht Monate lang bin ich dann ausgefallen bis kurz nach Weihnachten. Ich war gerade wieder eingestiegen, da ging die aktuelle Problematik los.
Haben Sie noch Hoffnung auf dem Klassenerhalt?
Unmöglich ist ja bekanntlich nichts, aber sportlich dürfte das äußerst schwierig werden. Wir warten jetzt natürlich gespannt darauf, was der Verband entscheidet. Ein Saisonabbruch mit Aufsteigern aber ohne Absteiger wäre für uns natürlich optimal.
Wie sieht Ihre Zukunft im Verein aus?
Für den Klub ist es momentan natürlich finanziell schwierig. Eventuell bin ich ab Sommer vereinslos, da der Verein möglicherweise mein Gehalt nicht mehr stemmen kann. Das hat man mir von Beginn an ganz klar gesagt und das weiß ich sehr zu schätzen. Ich habe aber in jedem Falle ligaunabhängig noch ein Jahr Vertrag. Meine Frau hat eine unbefristete Stelle und wenn es bei mir und beim Verein hinhaut, hängen wir auf jeden Fall noch ein Jahr dran. Wenn ich im Sommer etwas anderes finde, kann ich aber den Verein verlassen. Wir gehen da sehr offen miteinander um.
Wie stellen Sie sich Ihr Leben nach dem Fußball vor? Sie haben Sport auf Lehramt studiert, wäre das eine Option?
Auf dem Schulhof sehe ich mich ehrlich gesagt momentan nicht. Wenn es etwas außerhalb des Fußballs sein müsste, dann schon eher Anlageberater. Ich beschäftige mich mit dem Thema Investment seit ich etwa 18 Jahre alt bin und kenne mich da ziemlich gut aus. Eigentlich will ich aber unbedingt in der Welt des Fußballs bleiben, sehr gern als Trainer. Ich habe eine Lizenz auf UEFA-B-Level und dabei soll es nicht bleiben.