Unser Autor wurde einst von seinem Onkel mit zu Eintracht Frankfurt genommen. Nun war es an der Zeit, die Fackel an seine Neffen weiterzureichen. Bei einem biederen 0:2 gegen Woolfsburg an einem diesigen, kalten Novembertag. Könnte es schöner sein?
Wohl kaum. Mein erstes Spiel war gegen Waldhof Mannheim im Pokal, dessen zweite Runde 1992 sich die Eintracht in der Verlängerung errumpelte. Ich erinnere lebhaft den Matsch an meinen Schuhen, den Stolz, mit der ich meine Kinderfahne schwenkte, die tausend Gerüche, Farben, Menschen, Gesänge, Tony Yeboahs Oberschenkel, deren Konturen wahrscheinlich sogar die Passagiere in den Flugzeugen über uns deutlich erkennen konnten. Mit diesem prägenden Ereignis an diesem grauen Tag 1992 übergab mein Onkel die Fackel der Fußballliebe an mich, und nun war ich bereit, sie weiterzugeben.
Und ich war voller Vorfreude. Während also die Familie im Zug gen Frankfurt saß, sah ich freudig all den Gelegenheit entgegen, den Kleinen all die winzigen Details und versteckten Freuden des Fußballfanseins näherzubringen. Wie man dem Schiri richtig „Du Blinder“ entgegengiftet und wann (jederzeit). Wann es ok war, den Eltern des ein oder anderen Gegenspielers einen zweifelhaften Verwandtschaftsstatus zu unterstellen (immer). Klar, die Eltern der Kleinen waren dabei, aber vielleicht würde ich ja dennoch Gelegenheit dazu bekommen, den beiden zu zeigen, wie man einen Bierbecher mit seinen Fäkalien füllt und in den Gästeblock wirft, über dem unsere Sitze waren.
Und so zogen wir ins Waldstadion ein
Und so zogen wir ins Waldstadion ein, aßen eine Wurst, sangen ein paar, auf Drängen der anderen Erwachsenen in der Runde, jugendfreie Fanlieder, besuchten den Fanshop und das Museum. Und stiegen schließlich die Stufen des Stadions hoch, was ich mittlerweile bestimmt fünfhundert Mal gemacht habe. Und was dennoch noch immer ein besonderer Moment für mich ist.
Und für meine Neffen anscheinend auch. „Boah“, war die einhellige Meinung der beiden, die mit tellergroßen Augen und aufgesperrten Mündern auf das gigantische Gewusel starrten, das ein Bundesligastadion am Spieltag ist. Tausend Gerüche, Farben, Menschen, Gesänge, dann all die Momente, die einem der Herzensverein so schenkt. Das Singen der Hymne vor Anpfiff etwa, das Mitbrüllen der Aufstellung oder der unnötige Patzer des Ersatztorwarts zum 0:1 gegen einen absolut biederen Gegner, der seit fünf Spielen nicht mehr gewonnen hatte.
„Es ist trotzdem schön“
„Ist nicht so schlimm, wenn die Eintracht nicht gewinnt. Es ist trotzdem schön“, sagte der ältere von beiden nach dem 0:2, als ich gerade mein Gesicht frustriert in meinen Handflächen vergrub. Das war natürlich völliger Quatsch, wollte ich entgegnen, und das man gegen so eine Pisstruppe selbstredend gewinnen müsse. Aber dann verkniff ich es mir, in dem Wissen, dass das eine Wahrheit über den Fußball ist, die man sich selbst erarbeiten muss. Und hoffentlich wird. Die Fackel ist zumindest weitergegeben, und dass das ganze Spaß machen würde, habe ich nie behauptet.