Nach der abgelaufenen Saison beendete Edwin van der Sar seine Karriere zwischen den Pfosten dieser Welt. Er gilt als Prototyp des modernen Torwarts. Sein Entdecker Frans Hoek erklärt, wie sein Schüler zum Vorbild einer Generation wurde.
Ich habe Keeper kennengelernt, die nervös wurden, wenn sich der Ball in ihren Händen ungewohnt anfühlte. Edwin war da unkomplizierter, er war kein Materialfreak und hätte im Grunde mit jedem Handschuh spielen können. Er achtete nur auf das Finger-Save-System, den einzigen Schutz für seine empfindlichsten Körperteile. Doch mit den Händen war er ohnehin nur halb so gut wie mit seinen Füßen. Ich kenne kaum einen anderen Torwart, der so präzise passen kann, ein so perfektes Timing besitzt und nahezu immer die richtige Entscheidung trifft. Er vertraute seinem inneren Speicher, denn dank jahrelanger Erfahrung durch moderne Spielanalyse konnte er Situationen blitzschnell lesen. Spielte der Gegner mit einem Stürmer, baute er über die zentralen Verteidiger auf. Wurde er mit zwei Angreifern unter Druck gesetzt, suchte Edwin den Pass nach außen oder den direkten Weg ins defensive Mittelfeld. Ein langer Ball war für ihn eine Notlösung.
Die Angst vor einem Heber haben wir Edwin genommen
So behielt er in Stresssituationen eine fast schon stoische Ruhe. Er war ein Eiskaninchen, äußerlich cool bis in die Haarspitzen, aber innerlich stand er immer unter Strom. Er hatte alle Optionen abgespeichert und besaß die Klasse, sie wie ein Computer blitzschnell abzurufen. Edwins Spiel war das Ergebnis jener spielintensiven Ajax-Ausbildung, die ständig Spielsituationen simuliert, um Lösungsmuster verfestigen zu können. Im Alter hat Edwin zudem gelernt, sich flexibel an verschiedene Spielsysteme anzupassen und sein Spiel individuell umzustellen.
Für viele Torhüter ist der Fünfmeterraum die Schutzzone, in der sie sich vor ihrer größten Angst absichern: dem Gegentor durch einen Heber. Diese Angst haben wir Edwin genommen, indem wir jeden Tag bis zu 100 Lupfer über ihn gespielt haben. Er musste Vertrauen in seine veränderte Position entwickeln, erkennen, dass er mit gutem Stellungsspiel gegnerische Aktionen antizipieren und im Keim ersticken kann. Nur ohne Angst kann der moderne Torwart ein Gefühl für seine neue Zone bekommen. Edwin war lange ein durchschnittlicher Torwart, aber er bewies Mut, sein innovatives Spiel konsequent weiterzuentwickeln. Vielleicht wusste er, dass ihn nur die Schritte in das Spielfeld an die Weltspitze führen können. Meter für Meter schlich Edwin van der Sar aus seinem Tor und wurde so zum Fixstern eines ganzen Torwartuniversums.