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Eidur Gud­johnsen, Sie haben die Pri­mera Divi­sion, die Pre­mier League und die Cham­pions League gewonnen. Wel­chen Stel­len­wert hat EM-Qua­li­fi­ka­tion mit Island?
Sie fühlt sich bei­nahe wie ein Titel an. Auch weil Island das kleinste Land ist, das je an einer EM teil­ge­nommen hat.
 
Sie hatten 2013 unter Tränen Ihren Rück­tritt aus der Natio­nalelf erklärt. Wieso sind Sie jetzt wieder dabei?
Das war kurz nach Aus im WM-Playoff gegen Kroa­tien. Die Nie­der­lage war so bitter, denn wir hatten die WM um Haa­res­breite ver­passt. In diesem Moment fiel alles ab, und ich glaubte, dass es mein letztes Spiel für Island gewesen sein könnte. Dass ich meine letzte Chance ver­passt hatte, mal bei einem großen Tur­nier mit­zu­spielen.
 
Sie waren zu dem Zeit­punkt bereits 35 Jahre alt.
Aber ich fühlte mich eigent­lich noch fit. Kurze Zeit später wech­selte ich zu den Bolton Wan­de­rers, machte gute Spielem und eines Tages über­re­dete Heimir Hall­grimsson (gemeinsam mit Lars Lager­bäck Trainer Islands, d. Red.) mich zu einem Come­back.
 
Island hat gerade mal 320.000 Ein­wohner. Ist die EM-Qua­li­fi­ka­tion ein Wunder?
Nein. Island hat im Fuß­ball große Schritte gemacht, gerade im Bereich der Infra­struktur hat sich eine Menge getan, was einen enormen Ein­fluss auf die jün­gere Gene­ra­tion hat. Die Kinder können heut­zu­tage täg­lich in großen Fuß­ball­hallen trai­nieren und spielen – auch im tiefsten Winter. Dadurch haben sie ein bes­seres Spiel­ver­ständnis.
 
Und durch das Wetter sind die Isländer robuster?
Durchaus. Außerdem haben wir immer eine gute Ein­stel­lung zum Spiel. Wir sind Kämpfer. Nicht nur im Fuß­ball.
 
Nerven Sie eigent­lich diese stän­digen Fragen nach dem Wetter oder der Ein­woh­ner­zahl Islands?
Die Jour­na­listen brau­chen eben Geschichten. Es wurde ja auch oft und gerne über die Neben­jobs einiger Profis berichtet. Aber das ist okay. Mich macht mich es jeden­falls viel­mehr stolz, als dass es mich nerven würde.
 
Der islän­di­sche Schrift­steller Jón Kalman Ste­fánsson sagte mal: In Island gibt es mehr Chor-Mit­glieder als Leute, die in einem Fuß­ball­verein spielen.“
(Lacht.) Ich mag dieses Zitat, wobei ich nicht genau weiß, wie viele Chöre wir in Island haben. Ich kann mir vor­stellen, dass die Zahlen unge­fähr gleich sind.
 
Fuß­ball ist also so beliebt wie Singen?
Sport im All­ge­meinen ist größer. In Island wachsen Kinder oft mit mehr Sport­arten auf, sie spielen Fuß­ball im Sommer und Hand­ball oder Bas­ket­ball im Winter. So war es auch bei mir.
 
Wer war Ihr Idol?
Mein Vater. Er spielte lange Zeit für den RSC Ander­lecht in Bel­gien. Außerdem mochte ich den FC Bar­ce­lona und Romario. Er war extrem explosiv und ver­mit­telte den Ein­druck, dass Tore schießen gar nicht so schwer sei. Romario ließ den Fuß­ball ein­fach aus­sehen, das gefiel mir.
 
Wollte Ihr Vater Arnor Gujohnsen, dass Sie in seine Fuß­stapfen treten?
Ich konnte völlig unbe­schwert und ohne Druck auf­wachsen, was nicht immer ein­fach war, denn ich war der Sohn eines sehr bekannten islän­di­schen Fuß­ball­profis.
 
Wann hat Ihr Vater Ihr Talent erkannt?
Ich war neun Jahre alt. Wir wohnten damals in Bel­gien, und ich spielte für ein Dorf-Team. Eines Tages orga­ni­sierte der Klub meines Vaters, der RSC Ander­lecht, ein Freund­schafts­spiel gegen meine Jugend­mann­schaft. Sie hatten meinen Vater davor immer wieder gefragt, wann ich denn end­lich zu Ander­lecht wech­seln würde, aber mein Vater wie­gelte immer ab, weil er mich noch nicht so weit sah. Eines Tages fuhren wir also zum Freund­schafts­spiel nach Ander­lecht. gewannen mit 5:0 – und ich schoss alle fünf Tore.
 
Das war Ende der acht­ziger Jahre. Wie haben Sie die islän­di­sche Natio­nalelf dieser Zeit in Erin­ne­rung?
Wenn ich konnte, war ich bei jedem Spiel. Ich wollte meinen Vater spielen sehen. Ich finde, dass die Fuß­ball­ge­schichte Islands oft ein wenig ver­kehrt erzählt wird. Viele Leute denken, dass die EM-Qua­li­fi­ka­tion eine große Sen­sa­tion sei, da wir vor 20 Jahren nie gewonnen haben.
 
Stimmt das nicht? In den Acht­zi­gern verlor Island sogar Spiele gegen Bah­rain oder Kuwait.
Trotzdem: Wir haben in den letzten Jahren kon­stant auf einem guten Niveau gespielt, 2003 trotzten wir dem mehr­fa­chen Welt­meister Deutsch­land sogar ein 0:0 ab.
 
Es war das Spiel, auf das Rudi Völ­lers legen­däre Weiß­bier-Wut-Rede folgte. Haben Sie davon etwas mit­be­kommen?
Nein, aber ich kenne die Geschichte. Auch sie ist das Resultat dieser fal­schen Wahr­neh­mung: Die Deut­schen dachten, wir sind Kano­nen­futter, und jede Mann­schaft der Welt müsste zwei­stellig gegen uns gewinnen. Dabei waren unsere Spieler damals schon in den euro­päi­schen Ligen unter­wegs und ver­dienten mit Fuß­ball ihr Geld. Es war jeden­falls nicht so, dass wir Isländer mor­gens zur Arbeit gingen und nach Fei­er­abend kurz mal gegen Deutsch­land spielten.