Bochums Trainer Robin Dutt kritisiert den Schweigeboykott der deutschen Fanszenen – und wittert einen kruden Plan aus Dresden. Er ist nicht der Einzige, der das Anliegen der aktiven Fans nicht verstanden hat. Ein Kommentar.
Trainer und Spieler sind unmittelbar nach dem Spiel nicht immer die weisesten Menschen des Planeten. Niemand sollte nach emotional aufwühlenden 90 Minuten soziokulturelle Diskursanalysen von Fußballern erwarten. Am Mikrofon kann also manches verbale Luftloch vorkommen. Doch bleibt man in diesem Bild, dann hat Bochums Trainer Robin Dutt am Dienstag nicht nur ein solches geschlagen, sondern beim Rettungsversuch auch über den Ball getreten, mit ausgestrecktem Bein den eigenen Mitspieler umgehauen und dann formvollendet per Flugkopfball zum Eigentor getroffen.
Dutt wurde nach der Heimniederlage gegen Dresden zum Protest der beiden Fanszenen befragt. VfL- und Dynamo-Fans hatten sich wie viele andere Kurven in Deutschland dazu entschieden, als Zeichen gegen die Gängelungen der Verbände 20 Minuten lang zu schweigen. Dutt kritisierte auf der Pressekonferenz ausführlich das Vorgehen – und jeder einzelne Satz geriet kapriziös.
„So ein Protest hat im Stadion nichts zu suchen.“
Das wirft die Frage auf, wo denn Fans ansonsten etwa gegen die Anstoßzeiten, die Sportgerichtsbarkeit oder Montagsspiele protestieren sollten? Wäre es besser, am Stadionvorplatz die Meinung kundzutun – oder könnte das die Vorbereitung der Mannschaft stören? Sind Banner und Schweigen schon zu viel der Meinungsäußerung von Fans? Wäre ein gehauchtes „Menno!“ beim Abendbrot daheim der geeignete Rahmen?
„Ich hoffe, dass unsere Fans auch so clever waren und 20 Minuten Schweigen für das Rückspiel vereinbart haben. Es war sehr clever von den Dresdner Fans, das bei einem Auswärtsspiel zu initiieren.“
Der Duttschen Logik zufolge hatten die Dynamo-Fans eine Idee: Wenn die Bochumer Fans nämlich beim Protest mitschweigen, schwächt das vor allem die Bochumer Mannschaft. Dieser Plan muss demzufolge vor anderthalb Jahren entstanden sein: Damals begann mit einem Auswärtsspiel von Dresden in Karlsruhe der Protest gegen die Verbände, dem sich bundesweit Fanszenen anschlossen. Daraufhin kamen DFB und Fanvertreter an einen Tisch zusammen, bevor der Dialog in diesem Jahr abgebrochen wurde. Dynamos Fans (und unzählige andere Fanszenen) müssen also anderthalb Jahre lang einen perfiden Plan durchgezogen haben, um schlussendlich die ganz großen Fische am Haken zu haben: den VfL Bochum. Und zwar 20 Minuten lang.
„Grundsätzlich geht mir das in dieser Gesellschaft total auf den Geist, wie jeder protestiert gegen alles und jeden – völlig undifferenziert.“
Ein formschöner Satz wie „Ich hasse diese Pauschalisierungen – vor allem von DEN Medien und DEN Politikern.“ Dutt kritisiert die völlig undifferenzierten Proteste, die er völlig undifferenziert als Proteste gegen alles und jeden klassifiziert. Ganz egal ob es nun Proteste für mehr Kita-Plätze, gegen die Zeitumstellung oder für mehr Inhalt in Pressekonferenzen sind – alles total nervig. Immerhin kann niemand Dutt vorwerfen, er habe keinen Lösungsansatz. Der lautet nämlich:
„Sollen doch alle selber ein bisschen mehr anpacken und Ehrenamt leisten.“
Wie nun ein Ehrenamt die Zerstückelung des Spieltages stoppen soll, ließ Bochums Trainer leider offen. Wohl aber offenbarte er eine merkwürdige Unkenntnis der Fanszenen. Man mag gerade Ultragruppen so einiges vorhalten wie das Abbrennen von Pyrotechnik oder mehr als grenzwertige Banner. Nur: Es gibt wohl keine Gruppe, auch nicht in Bochum, die sich nicht ehrenamtlich engagiert, Spenden sammelt oder in der jeweiligen Stadt wohltätige Projekte angestoßen hat. (Die Aussagen von Robin Dutt im Video, hier »>)
Zu guter Letzt kriegen Fans auch kein Geld, wenn sie ihrem Klub durchs ganze Land an einem Montag hinterherreisen. Sie sind auch keinen Vertrag eingegangen, der sie zur kritiklosen Unterstützung ihrer Mannschaft verpflichtet. Sie haben das Recht, zu schweigen oder friedlich zu protestieren, wenn sie sich übergangen fühlen. Das hat nichts mit Illoyalität gegenüber ihrem Klub oder ihrer Mannschaft zu tun.
Dies sind dermaßen banale Sätze, doch sie scheinen vielen Spielern und Funktionären nicht klar zu sein. Robin Dutts Ausführungen kamen eben nicht nur aus der Emotion heraus nach einem verlorenen Spiel. Er hatte die gleichen Gedanken schon in aller Ruhe vor der Partie formuliert – auch wenn er am Mittwoch in Teilen zurückruderte. Sein Kollege Maik Walpurgis von Dresden pflichtete Dutt in der Kritik an den Fans bei. Freiburgs Präsident Fritz Keller sagte: „Fans müssen überlegen, was sie machen, ob sie damit dem eigenen Klub schaden.“ Viele Spieler klagten über die fehlende Stimmung und die schlechte Atmosphäre. Das hatte eine gewisse Ironie; denn genau darauf wollten die Fanszenen einen Vorgeschmack geben: Das Schweigen wird Programm, wenn nur das Fernsehen zählt.
Vielleicht aber liegt das Problem in der Definition. Wenn die Leute im Stadion nur artig klatschen und Fähnchen schwingen sollen, dann muss ein anderer Begriff her. Dann wollen Spieler und Vereinsvertreter nicht Fans im Block, sie wollen Cheerleader.