Alexander Zickler galt als Prototyp des effektiven Jokerspielers. Auch den Champions-League-Triumph 2001 mit dem FC Bayern verfolgte er erst von der Bank. Hier erinnert er sich an seinen wichtigen Elfmeter im Finale und erklärt, weshalb Oliver Kahn seine Karriere frühzeitig beenden konnte.
Alexander Zickler, wie oft wurden Sie in den letzten Wochen nach Interviews gefragt?
Es hat in den letzten Tagen schon zugenommen. Zum einen natürlich die Anfragen aus Deutschland, aber auch die Salzburger Presse klingelt durch.
Wie sehr interessieren sich die Österreicher für das deutsche Champions-League-Finale?
In Österreich, gerade hier an der Landesgrenze, gibt es viele Bayern-Fans, die die Vorbereitungen auf das Finale natürlich intensiv verfolgen. Auch in der von mir trainierten U16 haben wir einige BVB- und Bayern-Fans, die sich verbal nichts schenken. In der Kabine gab es in den letzten Tagen schon einige Sprüche.
Haben Sie in den letzten Wochen noch einmal von Ihren eigenen Finalspielen geträumt?
Wenn wir in den letzten Tagen mit dem Trainerteam oder im privaten Kreis zusammengesessen haben, wurde schon häufiger über das Finale gesprochen. Da kamen die Erinnerungen an meine eigenen Finalspiele natürlich auch auf dem Tisch. Es ging aber nicht allein um das jetzige Endspiel in Wembley, sondern vielmehr um die letzten vier Jahre in denen der FC Bayern immerhin dreimal eine Hand am Henkelpott hatte.
Wie sehen Sie die Entwicklung des FCB?
Für mich ist der FC Bayern klarer Favorit, doch die Entwicklung der letzten Jahre spielt Dortmund in die Karten. Schließich wäre die dritte Niederlage eine Katastrophe für Lahm, Schweinsteiger und all die anderen.
Könnte der FC Bayern im schlimmsten Fall erneut eine Trotzreaktion in der nächsten Saison zeigen?
Ich denke, dass die Mannschaft gefestigt ist und durch die letzten Verstärkungen wie Mario Mandzukic, Javi Martinez oder Dante auch Spieler im Kader hat, die bisher noch kein Champions-League-Finale verloren haben. Ob es erneut zu einer solchen, den Ligaalltag dominierenden Trotzreaktion kommen kann, bleibt fraglich.
Im Gegensatz zu dieser Saison gewannen Sie im Bayern-Dress die Meisterschaft 2001 erst in letzter Sekunde. Ein positiver Umstand für das anschließende Finale?
Ja, für uns war das damals sicherlich eine kleine Hilfe. Wir hatten mit den Partien gegen Leverkusen, Kaiserslautern und Hamburg drei Endspiele in der Schlussphase der Saison, in der wir mental und körperlich auf höchstem Niveau spielen mussten. Nach vier Tagen kam das Finale gegen Valencia obendrauf, sodass es sich als ein Vorteil für uns entwickelte. Ich will aber nicht wissen, was in Mailand passiert wäre, wenn Patrick Anderssons Freistoß am Wochenende zuvor das Tor verfehlt hätte.
Wie haben Sie in den Tagen zwischen beiden Spielen die Spannung hochgehalten?
Wir haben auf das Finale nicht erst in den letzten Stunden hingefiebert, zusätzliche Spannung musste also nicht erzeugt werden. Man versucht eher die Abläufe nicht zu verändern, sondern die Mischung zwischen Regeneration und Training zu finden. Einzig die individuelle, taktische Einstellung auf den nächsten Gegner wird umgestellt. Das wird sich bis heute nicht geändert haben.
Anders als im verlorenen Finale 1999, mussten Sie zwei Jahre später auf der Bank Platz nehmen.
Ottmar Hitzfeld hat der Mannschaft die Entscheidung über die endgültige Aufstellung immer einen Tag vor dem Anpfiff mitgeteilt, damit sich die Startelf besonders vorbereiten konnte. Von der Bank aus ein Spiel zu beginnen, war aber nicht ungewohnt für mich. Ich kannte diese Situation und es zeichnete mich aus, dass ich nach den Einwechslungen schnell meinen Rhythmus fand.
Sie galten als erfolgreicher Joker. Hatten Sie sich schon vor dem Abflug mit der Rolle abgefunden?
Jeder Profi will von Beginn an auf dem Platz stehen, das ist eine Tatsache, die auch bei mir nie anders war. Nur wenige Vereine können ihren Spielern gleich zwei Champions-League-Teilnahmen zusichern, weshalb ich bereits dankbar war 1999 auflaufen zu können. In Mailand hoffte ich dann auf meine Chance.
Sie wurden in der 110. Minute eingewechselt. Damals galt sogar noch das Golden Goal…
… und es war ein sehr offenes Spiel. Beide Teams haben in der Verlängerung auf ihre Möglichkeiten gelauert, durften ihre Defensivaufgaben allerdings nie vernachlässigen. Als sprintstarker und zudem ausgeruhter Stürmer sollte ich mich vor allem bei Kontern in Szene setzen, auch wenn es in den verbliebenen zehn Minuten nicht mehr zum entscheidenden Treffer reichte.
Im Elfmeterschießen traten ebenfalls sie an. Woher haben Sie diesen Mut genommen?
Es war sogar der erste Elfmeter in meiner gesamten Karriere. Viele Spieler hatten nach dem Abpfiff ein aufreibendes Finale hinter sich, während ich noch frisch wirkte. Hitzfeld suchte zwischen den Spielern und fragte, ob ich schießen möchte. Erst nach meiner Zusage wurde mir bewusst, was ich da gerade gesagt hatte.
Wie ging es weiter?
Ich habe mich vor Beginn entschieden, dass ich in jedem Fall in die rechte Ecke schießen würde. Valencias Torwart Santiago Canizares war dafür bekannt, dass er die Schützen aus der Ruhe bringen wollte und sah vor meinem Elfmeter hierfür sogar die Gelbe Karte.
Mit Verlaub, der Elfmeter sah haltbar aus. Oder haben Sie Canizares „ausgeguckt“, als er in die falsche Ecke sprang?
Überhaupt nicht! In einer solchen Situation ist es falsch etwas auszuprobieren und zu spekulieren. Ich habe nicht darüber nachgedacht, ob es eine andere Option gibt und versuchte deshalb möglichst platziert durchzuziehen. Der Ball war drin und somit perfekt getreten! (lacht)
Sie sagten einmal: „Hätten wir in Mailand nicht gewonnen, hätte der Olli noch bis 50 weiterspielen müssen, um Barcelona zu vergessen“.
Ich kenne keinen ehrgeizigeren Fußballer als Oliver Kahn. Um den größten Titel in der Vereinsgeschichte zu gewinnen, hätte er ganz sicher noch einige Jahre drangehängt. So konnte er sich seine Karriere etwas schöner einteilen.
Wie sah es bei Ihnen aus?
Wäre ich vielleicht zwischendurch gewechselt, wäre diese Wunde für immer offengeblieben. Als würde man täglich auf dieses eine Spiel 1999 angesprochen werden, das wir nach 90 Minuten gewonnen und drei Minuten später verloren hatten. Doch wir haben uns eingeschworen und sind danach enger zusammengerückt. Jeder hatte daran zu knabbern, doch wir wollten unbedingt in den nächsten zwei bis drei Jahren den Pott holen.
Verspürten Sie in den Tagen nach dem Triumph eine besondere Erleichterung innerhalb der Mannschaft?
Eben nicht nur bei den Spielern, sondern im gesamten Verein. Aufgrund der intensiven Bundesliga-Saison waren wir bei den anschließenden Feierlichkeiten etwas müde und ich fühlte mich wirklich leer. Es war eine nette Feier, aber nicht mit der unglaublichen Frust-Party von 1999 zu vergleichen.
Dies soll angeblich die beste Party Ihrer Karriere gewesen sein. Würden Sie den Bayern von heute im Falle einer Niederlage auch jede Menge Alkohol empfehlen?
(lacht) Alkohol wird am Wochenende sicherlich ausgeschenkt, aber nur weil die Münchner gewinnen.
Borussia Dortmund hat seine ehemaligen Champions-League-Helden nach London eingeladen. Kam etwas vom FC Bayern?
Nachdem wir im vergangenen Jahr nicht die ganz großen Glücksbringer auf der Tribüne waren, konnte ich es sehr gut nachvollziehen nicht in London eingeladen worden zu sein. Deshalb feiere ich privat mit einigen Freunden und der Familie.
Ihr Tipp?
3:1 für meine Bayern.