Aufregung im englischen Fußball: Eine Recherche der Mail on Sunday legt dar, dass englische Erstligaspieler aus der Saison 1965/66 deutlich öfter an neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz, Alzheimer oder Parkinson leiden. Warum ist darüber so wenig bekannt?
Um noch einmal die Häufigkeit neurodegenerativer Erkrankungen in dieser Generation herauszustellen, pickten sich Nick Harris und seine Kollegen für ihre Recherche die englische Erstligasaison 1965/66 heraus, die Spielzeit, die im Jahr vor der Weltmeisterschaft 1966 stattfand. Von den 475 Spielern aus 22 Vereinen aus dieser Saison recherchierten sie, vor allem mithilfe Verwandter oder ehemaliger Mitspieler, ob sie noch am Leben waren und wenn nein, ob sie vor ihrem Tod an Demenz erkrankt waren. Das Ergebnis: Von den Profis, die bereits gestorben waren, litten 42 Prozent an verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder anderen Demenzarten. Im Vergleich dazu sind nur 13 Prozent der Gesamtbevölkerung im Durchschnitt von Krankheiten dieser Art betroffen.
Besonders die Verwandten der Spieler und Gruppen ehemaliger Fußballprofis hätten sich bei der Recherche sehr kooperativ gezeigt, berichtet Nick Harris. Anders sei es wiederum bei den 22 damaligen Erstligaklubs selbst gewesen. „Ziemlich viele Vereine haben uns gesagt, dass sie uns nicht helfen würden – mit der Begründung, dass dies medizinische Informationen seien, die sie aus Datenschutzgründen nicht herausgeben könnten. Dabei hatten wir klar gemacht, dass wir diese Informationen nicht veröffentlichen würden, sondern nur genaue Zahlen benötigten“, so Harris. „Gut möglich, dass sie einfach nicht mit hohen Zahlen an degenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden wollten oder juristische Konsequenzen fürchteten.“
Auch die englische Spielergewerkschaft PFA, die Premier League oder der Fußballverband FA halten sich bei dem Thema bedeckt, erzählt der Journalist. „Es wurde bisher nur wenig Geld in die Forschung investiert, vielleicht ein paar hunderttausend Pfund für alle Studien in Großbritannien zu diesem Thema jemals“, so Nick Harris – deutlich zu wenig bei einem solch dringenden Problem. „Die Premier League ist ein Wirtschaftszweig, der Milliarden Pfund Ertrag jährlich einbringt. Und der Fakt, dass dieser insgesamt vielleicht ein paar hunderttausend Pfund in die Forschung zu diesem Thema gesteckt hat, ist besorgniserregend.“ Auf die Nachfrage bei der FA, wie viele Gelder in Studien zu diesem Thema investiert worden seien, bekam Harris Absichtsbekundungen, aber noch keine konkreten Antworten.
Dass die Gelder in diesem Bereich kaum fließen, könnte auch mit den möglichen Konsequenzen zusammenhängen, vermutet er. „Man muss sich auch fragen: Wollen die Verbände, die Spielergewerkschaften überhaupt wissen, ob es hier eine Verbindung gibt? Denn wenn es sie gibt, könnte das vielleicht bedeuten, dass sie möglicherweise rechtliche Schritte fürchten müssten, wie es der NFL in Amerika passiert ist.“ 765 Millionen Dollar zahlte die größte Sportliga der Welt im Jahr 2013 den Ex-Profis, die nachweislich an einer neurodegenerativen Erkrankung litten.