Einmal im Jahr, wenn der Profifußball pausiert, rufen Englands Amateurklubs zum Non League Day auf. Wir waren für unsere neue Ausgabe vor Ort.
Die Premier League macht Umsätze in Milliardenhöhe, aber englische Amateurklubs können sich oft nicht mal richtiges Flutlicht leisten. James Doe, ein 41-Jähriger Fußballfan aus London, erfand deswegen den Non League Day, eine Art Tag der Offenen Tür für britischen Amateurfußball. Er findet einmal im Jahr statt – stets an einem Wochenende, an dem die Profiklubs spielfrei haben. Für unsere neue Ausgabe haben wir ihn begleitet.
James Doe aus London ist Fan der Queens Park Rangers. Seine Jugendliebe heißt aber Harrow Borough FC, ein Siebtligist, der noch nie wirklich hoch gespielt hat. Am 3. September 2016 organisiert Doe mit ein paar Freunden den siebten Non League Day. Mittlerweile berichten alle großen Medien über den Tag (von »Mirror« über »Times« bis »Guardian«), bei Twitter trendet der Hashtag #NonLeagueDay stets auf den ersten Plätzen. So auch dieses Mal.
Die Amateurvereine lassen sich am Non League Day allerhand einfallen, um all die Zuschauer in die Stadien zu locken, die normalerweise zu den Premier-League- oder Championship-Klubs gehen. Mal verteilen sie Gastgeschenke an die Fans oder sie reduzieren die Eintrittspreise. Zum diesjährigen Non League Day hat der Sechstligist Alban City FC zwei besondere Gäste eingeladen…
Die beiden Ex-Profis Les Ferdinand (u.a. Queens Park Rangers, Tottenham Hotspur) und Alan Smith (u.a. FC Arsenal, Leicester City) schauen sich heute das Spiel zwischen St. Albans City und Hampton & Richmond Borough an. In der Halbzeit geben sie ein Interview. Ferdinand, der in der Nachbarschaft wohnt, sagt: »Vielleicht hat der Profifußball die Amateure zu lange vernachlässigt. Dabei gibt es hier bestimmt noch einige Vardys, die entdeckt werden wollen.«
St. Albans City hat heute zum ersten Mal ein Heimspiel am Non League Day. Normalerweise kommen 500 Fans zu den Spielen. Heute, am Non League Day, sind es über 1000. Sie bleiben auch, als es in der zweiten Halbzeit in Strömen regnet.
Alle Non-League-Day-Spiele finden am Samstag um 15 Uhr statt. Ein User schreibt auf Twitter: »Es ist wie früher.« Ein anderer: »An diesem heiligen Tag kann man als Amateurfan auf die Straße gehen, ohne von anderen blöd angeguckt zu werden. Happy NLD everyone!« Aber stimmt das eigentlich? Muss man sich als Amateurfan schämen, weil man nicht einen der großen Klubs supportet?
Amateurfußball ist in England in den vergangenen Jahren jedenfalls wieder populärer geworden. James Doe und sein Non League Day haben dazu beigetragen – aber auch die Premier League. Weil sich viele Fans die abstrusen Ticketpreise nicht mehr leisten können oder wollen, weil Fußballvereine heute kaum noch von großen Wirtschaftsunternehmen zu unterscheiden sind, weil ihre Ideen so bombastisch und gigantisch sind, dass sie wirken wie aus einer anderen Welt, ziehen sich viele Fans zurück und suchen die Fußballromantik wieder im Kleinen. Dort, wo alles angefangen hat: auf den Traversen und Grounds ihrer Nachbarschaft.
Ein Beispiel ist der Clapton FC, neunte Liga, East London. Der Verein hatte noch im Jahr 2012 einen Zuschauerschnitt von gerade mal 43 Fans. Eines Tages aber gründete sich eine linksalternative Szene samt Ultragruppe um den Klub, und die Besucherzahlen schnellten in den dreistelligen Bereich. Vor einem Jahr, beim Derby gegen Ilford, waren 800 Zuschauer im Old Spotted Dog.
Die Fans lieben die alten Stadien, das Familiäre, die Nähe. Hier können sie alles tun, was in den englischen Profiistadien verboten ist: rauchem, trinken, stehen und schimpfen.
Auch Claptons Stadion ist beim diesjährigen Non League Day gut gefüllt. Sowieso ist die Spielstätte seit einigen Jahren zu einem beliebten Ausflugsziel von Groundhoppern geworden: Der Old Spotted Dog ist das älteste Fußballstadion Londons, Baujahr 1888.
Über den Clatpon FC und seine Ultras haben wir bereits einige Male berichtet. Hier findet ihr eine Reportage aus dem Sommer 2015: Englische Fans im Kampf gegen Homophobie und Rassismus.
Auch für Dulwich Hamlet FC (Reportage im 11FREUNDE SPEZIAL »Calling London«) ist der 3. September 2016 ein großer Feiertag. Seit einigen Jahren gilt der Klub als der coole, neue Scheiß in Englands Hauptstadt. Der »Guardian« nannte ihn mal den »größten Hipster-Klub Englands«.
Dulwich Hamlets Fanszene ist bunt gemischt: Da gibt es alte Herren, die das Team schon in den Sechzigern gesehen haben – und da gibt es die Jungen, viele Studenten, Zugezogene, politisch engagiert, mit einem linken Selbstverständnis. 2014 platzte Dulwichs Stadion, der Champion Hill, aus allen Nähten. 3000 Zuschauer unterstützten den Siebtligaklub an diesem besonderen Tag. Und viele kamen auch danach wieder. Heute besuchen regelmäßig über 2000 Fans die Heimspiele von Hamlet.
Auch der Non League Day 2016 ist ein voller Erfolg. Zahlreiche Vereine vermelden auf Twitter, dass sie Zuschauerrekorde gebrochen haben. Und Ex-ManUnited-Spieler Paul Scholes schreibt zwei Tage nach dem Non League Day einen Artikel im Guardian. Titel: »Warum ich Amateurfußball lieber mag als Profifußball.« James Doe, dem Erfinder des Non League Day, gefällt das.
In 11FREUNDE #179: Unsere große Reportage über den Non League Day. Jetzt am Kiosk, bei uns im Shop sowie als Digital-Version im iTunes-Store und im Google-Play-Store.