Der FC Everton auf Platz 1? Nicht in der Tabelle, dafür aber in den britischen Charts. Schuld daran sind ein neuer Trainer, ein neuer Superstar und eine 36 Jahre alte Vereinshymne.
Billy Kinsley hat seine besten Tage längst hinter sich. So schien es zumindest. Der 73-jährige Ex-Frontmann von Bands wie „The Merseybeats“ und „The Merseys“ feierte seine größten Erfolge in den 1960er-Jahren, als die Beatmusik die britische Insel rockte. Einmal landeten Billy & Co. sogar einen Top-5-Hit mit dem Titel „Sorrow“. Es war die goldene Ära des Musikgeschäfts, die Sweet Sixties. Zuletzt aber litt Billy unter dem Rock-Opa-Syndrom: immer weniger Haare, immer weniger Power in den Hüften, kaum noch Groupies am Start. Niemand interessierte sich mehr für ihn – bis, ja bis zwei lustige Jungs witzige Tanzvideos mit der alten Everton-Klubhymne „Spirit Of The Blues“ unterlegten und auf Twitter hochluden.
Nach dem umjubelten 2:1 der „Toffees“ gegen Crystal Palace am vergangenen Samstag posteten @FinKitch und @NeilLafferty gleich mehrere Filmausschnitte und Memes, die sie mit dem schmissigen Fußballsong (offizieller Interpret: der FC Everton) gedubbt hatten. Andere Fans folgten ihrem Beispiel und unterlegten Tanzszenen aus Filmklassikern oder Zeichentrickserien mit „Spirit Of The Blues“. Schließlich setzte ein regelrechter Run auf den Song ein und die Downloadzahlen schossen dermaßen durch die Decke, dass der bis Sonntag auf Platz 1 der britischen i‑Tunes-Charts katapultiert wurde. Mal eben so. Auf Platz zwei folgte „Midnight Sky“ von Miley Cyrus.
„Ich bin absolut begeistert!“
Natürlich stand Billy Kinsleys Telefon nicht mehr still. Denn Billy und sein alter Rock-Kumpan Kenny Parry sind nicht nur die Songwriter hinter „Spirit Of The Blues“, sie liehen dem Lied auch ihre Stimmen – gemeinsam mit einigen anderen Musikern aus dem Großraum Liverpool. Und jetzt so ein Höhenflug in den i‑Tunes-Charts. Damit hätte Billy auf seine alten Tage nicht mehr gerechnet. „Ich hatte zuerst keinen blassen Schimmer von der aktuellen Entwicklung“, erzählt er dem Daily Mirror, „aber plötzlich riefen alle möglichen Leute bei mir an und fragten: ‚Hey, was geht da ab?‘ Ich bin absolut begeistert!“
1984, als Billy Kinsley & Co. den Song produzierten, gab es noch gar keine Download-Charts. Und der FC Everton war gerade eine ganz große Nummer in Liverpool. In der Vorsaison hatten die „Toffees“ den FA-Cup geholt, nun waren sie gerade auf dem Weg zur englischen Meisterschaft und zum Titelgewinn im Europacup der Pokalsieger (jeweils 1985). Eine Trophäe nach der anderen landete im Goodison Park. Heute, gut dreieinhalb Jahrzehnte später, rollt erneut eine Welle der Euphorie durch die blaue Hälfte der Stadt. Everton, trainiert vom italienischen Mastermind Carlo Ancelotti und verstärkt durch den kolumbianischen Superstar James Rodriguez, stürmte in die neue Premier-League-Saison wie einst die Beatles in die Plattencharts: ohne große Vorwarnung, aber mit unbändigem Drive.