Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Dieses Inter­view erschien erst­mals in 11FREUNDE #229. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhält­lich.

Andreas Luthe, Sie för­dern mit Ihrer Orga­ni­sa­tion In safe hands“ die soziale, emo­tio­nale und inter­kul­tu­relle Kom­pe­tenz von Kin­dern über Sport. Sie sind Mit­glied im Spie­lerrat der Ver­ei­ni­gung der Ver­trags­spieler (VdV) und waren in diesem Sommer Initiator eines neuen Bünd­nisses von Pro­fi­spie­le­rinnen und ‑spie­lern. Der Task-Force der DFL zur Zukunft des Pro­fi­fuß­balls gehören Sie auch noch an. Woher kommt der Schwung für dieses Enga­ge­ment?
Themen, die mir wichtig sind, habe ich schon immer mit großem Enthu­si­asmus ver­folgt, darin ver­liere ich mich und ver­gesse die Zeit.

Viele Spieler betreiben inzwischen eigene Stif­tungen; Leon Goretzka und Joshua Kim­mich haben mit viel Ein­satz die Aktion We kick Corona“ gestartet. Spüren Sie ein wach­sendes Bedürfnis von Profis, sich zu enga­gieren?
Ich sehe erst einmal positiv, dass es pas­siert. Die Erkenntnis, dass man sich als Sportler enga­gieren kann, ist wichtig. Man sieht dabei ein großes Spek­trum vom Tier­wohl bis etwa Corona. Spie­lern sind eben ganz unter­schied­liche Dinge wichtig.

Welche sind das bei Ihnen?
Bei In safe hands“ geht es darum, welt­of­fenes Zusam­men­leben und Tole­ranz zu för­dern. Ich bin der festen Über­zeu­gung, dass Sport bei sol­chen Themen eine unglaub­liche Kraft ent­wi­ckeln kann.

Würden Sie im Bezug auf gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment von Profis von einem Gene­ra­ti­ons­wechsel spre­chen?
Ach, ich glaube, da ist noch Luft nach oben.

Bildschirmfoto 2020 12 23 um 17 50 25
Kathrin Leisch

Andreas Luthe, 33

Der Vor­stel­lung, dass Tor­hüter eine Macke haben, will er bewusst gegen­steuern“. Auch dadurch, dass Luthe sich seine drei Ver­eine (Bochum, Augs­burg, nun Union Berlin) aus­gesucht hat, weil ich auch etwas Fuß­ballkultur brauche, um mich wohl­zu­fühlen“.

Ver­hin­dert die Welt des Profi-fuß­balls gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment?
Nein, das sehe ich nicht so. Warum soll uns der Fuß­ball denn daran hin­dern? Leon und Joshua haben doch vor­ge­macht, dass es selbst für Spieler auf Top-Niveau mög­lich ist. Und ich als Bun­des­li­ga­spieler ohne inter­na­tio­nale Belas­tung habe es eben­falls geschafft, mir Zeit dafür frei­zu­räumen.

Das Gegen­bild dazu sind Spieler, die gol­dene Steaks bestellen oder mit dicken Autos protzen. Ärgern Sie sich dar­über?
Ich ärgere mich nicht dar­über, wenn ein Spieler ein Gold­steak isst, das ist eine pri­vate Ent­schei­dung. Aber ich ärgere mich, wenn das gene­ra­li­siert wird. Denn das ist nicht richtig.

In der Corona-Pause ist ein Spie­ler­bündnis ent­standen, in dem sich pro­mi­nente Spieler wie Neven Subotic, Mats Hum­mels, die Bender-Zwil­linge oder Sie zusam­men­getan haben. Wie ist es über­haupt zustande gekommen?
Es gab ein vir­tu­elles Mee­ting mit dem DFB und der DFL, an dem viele Spieler teil­ge­nommen haben, wo uns das erste medi­zi­ni­sche Kon­zept erklärt wurde, um den Spiel­be­trieb wieder auf­nehmen zu können. Das war zwar ein gutes Gespräch, aber wir haben dabei auch gemerkt, dass offen­sicht­lich zu keinem Zeit­punkt daran gedacht worden war, Aktive ein­zu­binden.

Sie kamen sich also vor wie Schul­kinder, denen der Lehrer einen Haus­auf­ga­ben­zettel gegeben hat.
Wir haben schon ver­standen, dass es schnell gehen musste. Aber wenn wir zwei Wochen früher ein­ge­bunden worden wären, hätten wir Punkte ein­bringen können, die allen geholfen hätten.


Steckst du dich an und weißt nicht, ob es Spät­folgen für die Kar­riere gibt?“

An welche denken Sie dabei?
Anfangs war es uns zwi­schen den eng getak­teten Spielen nicht mög­lich, alle Rege­ne­ra­ti­ons­maß­nahmen zu benutzen.

In die Eis­tonne zu steigen oder in die Sauna zu gehen?
Genau. Das mag banal klingen, für Profis mit so einem Spiel­ka­lender ist so was aber essen­tiell. Uns haben schließ­lich ganz ele­men­tare Fragen beschäf­tigt: Belastet man sich über und ver­letzt sich mög­li­cher­weise schwer, was Aus­wir­kungen auf die Kar­riere hat? Oder steckst du dich an und weißt nicht, ob es Spät­folgen für die Kar­riere gibt?

Ins­ge­samt war die Unsi­cher­heit also groß, ob Sie den Sport, wie Sie ihn vorher aus­geübt hatten, noch weiter aus­üben können?
Das ist ja immer noch nicht völlig klar. Aber wir wissen zumin­dest, dass es gene­rell wei­ter­gehen kann.

Wobei zuletzt die Infek­ti­ons­zahlen im Pro­fi­fuß­ball nach oben gingen.
Ja, und es ist relativ neu, dass sich die Fälle inner­halb der Teams häufen. Aber da bildet sich ab, was in der Gesell­schaft pas­siert ist. Es zeigt mir aber auch, dass das DFL-Hygie­ne­kon­zept funk­tio­niert, man ein­zelne Spieler sepa­rieren kann, die infi­ziert sind. Dadurch ist nicht immer die ganze Mann­schaft betroffen.

Ist die Corona-Infek­tion der neue Mus­kel­fa­ser­riss?
Klingt lustig, aber man kann es nicht ver­glei­chen, weil es keine Sport­ver­let­zung ist. Es ist eine Krank­heit, und man ver­liert für zwei Wochen seine Spiel­be­rech­ti­gung, wenn man sie hat.

Nach den ersten Gesprä­chen mit der DFL im Früh­jahr, wollte das Spie­ler­bündnis fortan mit am Tisch sitzen?
Ja, denn uns war klar, dass Spieler Teil eines Dia­logs sein müssen. DFL-Geschäfts- führer Chris­tian Sei­fert hat sich zuletzt auch regel­mäßig Zeit für uns genommen. Er erkennt den Bedarf an, die­je­nigen ein­zu­binden, die Woche für Woche über den Rasen pflügen. Wobei da noch Luft nach oben ist!

Das Bündnis hat sich die Begriffe Soli­da­rität, Trans­pa­renz und Mit­be­stim­mung auf die Fahnen geschrieben. Aber ist Soli­da­rität unter Fuß­ball­profis nicht eher schwach aus­ge­prägt?
Das würde ich nicht gene­rell so sagen, sonst würde es das Spie­ler­bündnis nicht geben. Mit­be­stim­mung ist der Aus­gangs­punkt, weil wir zunächst nicht in Pro­zesse ein­ge­bunden waren. Und es soll trans­pa­rent sein, warum etwas wie ent­schieden wird, dann gibt es auch grö­ßere Akzep­tanz für die Ent­schei­dungen.

Das neue Spie­ler­bündnis ist keine Orga­ni­sa­tion. Es gibt keine Mit­glied­schaft, keine Wahlen, keinen Vor­sit­zenden, kein Mandat. Es gibt nicht einmal eine Web­site.
Das braucht es alles nicht. Das ist ein lockerer Zusam­men­schluss von Spie­le­rinnen und Spie­lern, ein Netz­werk, in dem man sich gele­gent­lich unter­ein­ander aus­tauscht.

Schade, dass wir den Aus­tausch mit den Spie­le­rinnen nicht schon in den letzten Jahren hatten“

Wird es denn mehr werden?
Das kann ich jetzt noch nicht abschätzen. Aber ich glaube schon, dass das Netz­werk und die VdV ihre Kräfte bün­deln müssen. Aber das ist meine ganz per­sön­liche Mei­nung.

Wo war die Spie­ler­ge­werk­schaft VdV eigent­lich die ganze Zeit?
Sie saß von Beginn an mit am Tisch.

Ver­treten durch Sie?
Nicht nur durch mich. Die VdV hatte dafür gesorgt, dass es besagtes erstes Gespräch von DFL und DFB mit den Spie­lern über­haupt gab.

Sie hat es in Deutsch­land nicht geschafft, nam­hafte Spieler an sich zu binden, wäh­rend
etwa in Ita­lien mit Giorgio Chiel­lini der Kapitän der Natio­nal­mann­schaft vor­an­geht. Wo sind die deut­schen Natio­nal­spieler?
Ich kenne die Mit­glie­der­liste der VdV nicht, viel­leicht sind sie ja dabei.

Aber man hört sie nicht.
Warum das so ist, dürfen Sie mich nicht fragen. Ich stelle gerade aber fest, dass ein Bedarf vor allem am Aus­tausch der Aktiven unter­ein­ander besteht. Übri­gens nicht zuletzt zwi­schen Spie­le­rinnen und Spie­lern, den es vorher über­haupt nicht gegeben hat. Ich habe in der letzten Zeit häufig nach Video­mee­tings mit Natio­nal­spie­le­rinnen gedacht: Schade, dass wir das in den letzten Jahren nicht schon hatten. Dieser Aus­tausch steht für mich im Moment sogar über allem.

Für mich ist die Task Force ein Test­ballon“

Was finden Sie daran so wichtig?
Es ist teil­weise erschre­ckend, wie wenig deut­lich wird, dass die Frauen auf abso­lutem Welt­ni­veau spielen. Es gab zum Bei­spiel Spie­le­rinnen, die als Poli­zis­tinnen beschäf­tigt sind und sich auf­grund von Corona ent­scheiden mussten, ob sie Fuß­ball spielen oder ihren Beruf aus­üben wollten. Wenn du als Beamtin im Dienst bist, kannst du dich näm­lich nicht gleich­zeitig von deiner Umwelt abschließen, um Infek­tionen zu ver­hin­dern. Und noch einmal: Wir reden hier von Sport­le­rinnen auf Welt­ni­veau. In sol­chen Situa­tionen merkt man schon, dass die Bun­des­liga der Männer ihre eigene Blase ist.

Sie sind Mit­glied der DFL-Task Force zur Zukunft des Fuß­balls, die sich im Oktober, November und Dezember traf bzw. trifft. Was wollen Sie da errei­chen?
Um mich per­sön­lich und meine Ansichten geht es nicht. Robin Him­mel­mann vom FC St. Pauli und ich sind dort als Reprä­sen­tanten der Spieler, um das Gesamt­bild der Ansichten der Aktiven in die Dis­kus­sion ein­zu­bringen. Für mich ist die Task Force auch ein Test­ballon, inwie­fern die Inte­gra­tion von Spie­le­rinnen und Spie­lern in solche Gre­mien sinn­voll und ziel­füh­rend ist. Aber wir haben beim ersten Treffen aus­ge­macht, dass wir uns bis zum Ende nicht dazu äußern werden.

Die Bun­des­liga erlöst durch die Ein­nahmen im Sta­dion eine halbe Mil­li­arde Euro, die in dieser Saison ver­mut­lich zu großen Teilen fehlen wird. Die Bezah­lung der Spieler macht unge­fähr 1,5 Mil­li­arden aus, das sind ein Drittel der Kosten. Wird es auch ange­sichts erneuter Geis­ter­spiele um einen mög­li­chen Gehalts­ver­zicht gehen?
Ich kann nicht ein­schätzen, ob es Thema der Dis­kus­sion sein wird. Im Prinzip ent­scheidet das eigent­lich jeder Verein für sich, alle suchen eigene Lösungen.

Aber ist es auf der anderen Seite nicht ein liga­weites Pro­blem, das liga­weit gelöst werden könnte?
Wenn die DFL das mit ihren Mit­glie­der­ver­einen dis­ku­tiert, würde ich es begrüßen. Man müsste natür­lich erst einmal sehen, ob das sinn­voll ist, aber dar­über zu spre­chen, wäre es sicher­lich.

Gibt es eigent­lich am Ver­hältnis zwi­schen Fans und Pro­fi­fuß­bal­lern etwas zu ver­bes­sern?
Da sind wir wieder beim Thema Dialog. Den gibt es fast überall in der Bun­des­liga, wenn Mit­glieder des Mann­schafts­rats sich etwa mit Ver­tre­tern von Fan-Orga­ni­sa­tionen treffen. Das ist gut so. Es lohnt sich aber auch sonst immer, mit­ein­ander zu reden, gerade wenn nach einem schlechten Spiel die Emo­tionen hoch­ko­chen. Geht man dann zum Zaun …

… müssen Sie sich anhören, was für ein Depp Sie sind?
Nein, eben nicht. Da stehen dann zwei erwach­sene Men­schen, die Fuß­ball lieben, und sind sich kom­plett darin einig, wie kacke gerade alles ist. Auch von so etwas lebt der Fuß­ball.