Vor 25 Jahren zieht die Miliz des serbischen Unterweltkönigs Arkan eine blutige Spur durch Kroatien und Bosnien. Unter den Freischärlern sind zahlreiche Hooligans von Roter Stern Belgrad. Die Geschichte einer Verwandlung.
Vor allem aber spricht er mit den Anhängern, mit den hartgesottenen und in ganz Europa wegen ihrer Brutalität und Entschlossenheit gefürchteten Hooligans. Viele von ihnen stammen aus den trostlosen Hochhaussiedlungen am Stadtrand von Belgrad, sind schlecht ausgebildet und halten sich mit Gaunereien und Gelegenheitsjobs über Wasser. Schon seit Monaten schwenken sie neben den Fahnen des Klubs auch serbische Flaggen. Arkans nationalistische Tiraden finden großen Anklang bei den Schlägern der „Delije“, der „Tapferen“, die nicht nur für ihren Klub kämpfen wollen, sondern auch für ein starkes, großes und mächtiges Serbien. Viele von ihnen sind Parteigänger der SPS von Milosevic, viele tummeln sich aber auch im ultranationalistischen Umfeld.
Den immer radikaleren und feindseligeren Nationalismus haben sie mit ihren Kontrahenten der anderen großen jugoslawischen Klubs gemein. Die „Bad Boys Blue“ aus der Kurve von Dinamo Zagreb etwa radikalisieren sich ebenfalls, hier ist es Franjo Tudmans Partei HDZ, die das Volk mit nationalistischen Parolen vor allem gegen die serbische Bevölkerung in der Krajina-Region aufhetzt. Die Propaganda trifft auf offene Ohren. In der Dinamo-Fankurve wehen seither zahlreiche Fahnen der Ustascha, des faschistischen kroatischen Regimes im Zweiten Weltkrieg. Viele Zagreber Hooligans werden später die vierte Brigade der kroatischen Armee bilden, nicht wenige tragen ihre Fanschals zur Uniform.
Gegen die „Bad Boys“ und gegen die „Torcida“ aus Split sollen die Belgrader Hooligans ihren Mann stehen, so will es Arkan, der die Fans zu Soldaten ausbildet und sie in einfachen militärischen Taktiken schult. Noch haben sie keine Gewehre, dafür sollen sie mit ihren Fäusten, mit Steinen und Eisenstangen kämpfen. „Ich sorgte dafür, dass sie sich die Haare kurz schnitten und jeden Tag rasierten, außerdem hörten sie auf zu trinken“, prahlt Arkan später selbstzufrieden. „Und dann nahm alles seinen Lauf.“
Radikale Krawalle
Den nimmt es tatsächlich. Am 13. Mai 1990 fahren tausende Anhänger aus Belgrad nach Zagreb, zum Spiel gegen den Konkurrenten Dinamo. Die Stimmung ist aufgeheizt. Die ersten freien Wahlen in Kroatien sind erst ein paar Wochen her. „Zagreb ist serbisch“, grölen die Fans aus den geöffneten Zugfenstern, und: „Slobodan, schick uns Salat! Es wird Fleisch geben, wenn wir die Kroaten schlachten.“ Bereits vor dem Spiel kommt es in der Stadt zu wilden Schlägereien, die im Maksimir-Stadion nahtlos fortgesetzt werden. Die Polizei greift nur zögerlich ein, was ihr in den kroatischen Tagezeitungen den Vorwurf eintragen wird, die Krawalle noch befördert zu haben. Ein dichter Steinhagel geht auf die serbischen Anhänger nieder, die daraufhin Sitzschalen aus der Verankerung reißen und mit Messern auf die Dinamo-Fans losgehen. Arkan, der Mitorganisator der Krawalle, betritt erst mit der Mannschaft das Stadion. Videos zeigen ihn, wie er zufrieden hinauf zu den Krawallen auf die Tribünen blickt. „Wie der Dirigent eines Orchesters, der sein Werk betrachtet“, schreibt sein Biograf Christopher Stewart. Die Ausschreitungen wollen nicht abebben, die Belgrader Spieler ziehen sich schließlich in den Umkleideraum zurück, die Dinamo-Spieler liefern sich auf dem Rasen Scharmützel mit der Polizei. Dinamo-Kapitän Zvonimir Boban tritt nach dem Polizeioffizier Refik Ahmetovic und wird anschließend von Zagreber Hooligans vom Platz geleitet – eine Attacke, die Boban zu einer Ikone kroatischer Nationalisten macht und das Ende des gesamtjugoslawischen Ligafußballs einläutet.
Erst nach Stunden bekommt die Polizei die Lage unter Kontrolle. Die Spieler von Roter Stern Belgrad werden mit einem Helikopter ausgeflogen. Dem Belgrader Coach prügelt Arkan höchstpersönlich den Weg durch eine Gruppe von Dinamo-Hooligans frei. Mit stolzgeschwellter Brust fahren die Belgrader Hooligans heim. Die Krawalle im Maksimir sind nur der Auftakt.
Die Auftritte von Roter Stern im Europapokal der Landesmeister werden von Ausschreitungen überschattet. Als der DDR-Meister Dynamo Dresden im Viertelfinale in Belgrad gastiert, machen die einheimischen Anhänger in den Straßen Jagd auf die Dynamo-Anhänger, die sich im Rückspiel mit Leuchtraketen und Steinwürfen revanchieren.