Kevin Kühnert saß im Aufsichtsrat von TeBe, ist gebürtiger Berliner, Bundesvorsitzender der Jusos und trotzdem Fan von Bayern München. Warum das allerdings immer weniger Spaß, was Hertha falsch macht und wieso der Fall von Clemens Tönnies beschämend ist.
Sie selbst haben nie aktiv Fußball gespielt und trotzdem spielt er in Ihrem Leben eine so wichtige Rolle.
Ich war Handballer – aber auch als solcher kommt man am Fußball nicht vorbei. Alle in meinem Team haben sich auch für Fußball interessiert. Wenn Englisch die universelle Sprache ist, dann ist Fußball der universelle Sport. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich alles schaue, was mit Sport zu tun hat. Sport ist eine relativ inklusive Sache. Das finde ich daran so faszinierend. Alle können in irgendeiner Weise teilnehmen. Die einen als Akteure und die andern können als Fans Einfluss auf das Geschehen nehmen oder sich als Ehrenamtliche einbringen. So ein Sportverein ist gelebte Solidarität.
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum gerade der Fußball am populärsten ist?
Es ist ein einfach auszuführender Sport. Man braucht nicht viel: eine Wiese, einen Ball, und zur Not tun es auch Wasserflaschen als Tore. Die Regeln sind auch recht einfach. Beim Fußball kommen alle Schichten zusammen. Es ist der kleinste gemeinsame Nenner unserer Gesellschaft, der überall ähnlich gut funktioniert. Und er funktioniert als Smalltalkthema so gut wie das Wetter.
Würden Sie sich wünschen, dass Fußballprofis öfters mal zu gesellschaftspolitischen Themen Stellung beziehen?
Auf jeden Fall. Im Grundgesetz steht: Eigentum verpflichtet. Das gilt nach meinem Verständnis aber nicht nur für Grundbesitz,sondern auch für hohe Einkommen und Vermögen. Wer wie ein Fußballprofi so in der Öffentlichkeit steht und immer wieder in Mikrofone sprechen darf, ist auch in der moralischen Pflicht, gelegentlich etwas Sinnvolles damit anzufangen. Das Große wird im Kleinen verhandelt. Der Fußball hat zum Beispiel viel beim Thema Integration geleistet. Wenn dann aber ein Clemens Tönnies sich rassistisch äußert und nur mit einem dreimonatigen Amtsstopp belegt wird, ist das beschämend. Kein Wunder, dass das weit über den Fußball hinaus diskutiert wird.
Warum trauen sich die allermeisten Spieler nicht, Ihre Meinung öffentlich zu äußern?
Man darf nicht vergessen, dass es sich vielfach um junge Menschen handelt, die stark eingezwängt werden. Manche Berater trichtern ihnen ein, wie man sich möglichst konform verhält. Ich würde mir von den Spielern trotzdem mehr Mut und Engagement wünschen – zum Beispiel im Kampf gegen Rassismus und Homophobie. Es ist doch aberwitzig, dass sich noch kein homosexueller Bundesligaspieler geoutet hat. Das wird immer noch als geschäftsschädigend betrachtet und verursacht damit eine beklemmende Atmosphäre der Unfreiheit.