Die bayrische Polizei sammelt seit Januar 2020 persönliche Daten von Fußballfans – ohne deren Wissen. Marco Noli, Mitglied der AG Fananwälte, erklärt, warum dieses Vorgehen nicht rechtens ist, welche Konsequenzen es für die Fans haben kann und was sie dagegen tun können.
Welche Folgen kann die Aufnahme in die Datei für diese Fans haben?
Eintragungen in die Datei können in repressive Maßnahmen umschlagen, etwa bei der Ausreise am Flughafen. Obwohl der Eintragung dann lediglich eine subjektive und unüberprüfte Einschätzung zugrunde lag, möglicherweise eines einzelnen Polizeibeamten, besteht die Gefahr, dass der Eintrag mit dem Label „Gewalt und Sport“ auf dem Polizeicomputer erscheint und dann so betrachtet wird, als ob es sich um eine objektive Tatsache handeln würde. Das birgt die Gefahr, dass in der Folge polizeiliche Maßnahmen wie das Verhängen von Aufenthalts- oder Ausreiseverboten umgesetzt werden können. Das hat sich bereits mehrfach in der Praxis gezeigt. Ich hatte mit solchen konkreten Fällen, in denen Fans auf Grund eines Eintrages in ihrer Reisefreiheit beschränkt wurden, schon mehrfach zu tun.
Inwiefern ist das Sammeln dieser Daten im Hinblick auf den Datenschutz der einzelnen Personen problematisch?
Derartige Datensätze stellen einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, das sich aus der Menschenwürde ergibt. Die systematische Speicherung derartiger hochsensibler persönlicher Daten würde klare und strenge rechtliche Voraussetzungen erfordern, die hier fehlen. Polizeicomputer sind keine rechtsfreien Räume. Es gelten strenge verfassungs- und europarechtliche Grundsätze.
„Klar ist nur, dass diese Datenerhebung bislang im Verbogenen passiert ist“
Ist denn bekannt, wie die bayrische Polizei diese Daten technisch erhebt?
Das ist genau der Punkt: Wir wissen es eben nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei um eine sogenannte „freihändige Identifikation“ handelt, sprich, dass die Feststellung der Daten aus der Ferne und nicht im direkten Kontakt geschieht. Die szenenkundigen Beamten könnten beispielsweise zivil im Stadion sein und beobachten, welche Personen wo stehen und mit wem sie zu tun haben. Oder es funktioniert über die Videoüberwachung, auch das ist möglich. Wir wissen ja, dass die Videoüberwachung in den Stadien von der Polizei bedient wird. Klar ist nur, dass diese Datenerhebung bislang im Verbogenen passiert ist.
Dass heißt, dass sich die Fans vor einem Eintrag in diese Datei beim Stadionbesuch effektiv nicht schützen könnten?
Genau. Die Beobachtungen und Speicherungen finden wie gesagt verdeckt statt. Wer nicht weiß, dass er eingetragen wird, kann sich auch nicht dagegen wehren. Die betrefflichen Personen erfahren momentan nur etwas, wenn sie selbst ein schriftliches Auskunftsersuchen stellen. Daher ist es unbedingt erforderlich, dass die eingetragenen Personen über die Eintragung benachrichtigt und umfassend über die Inhalte der einzelnen Einträge informiert werden. Auch der bayerische Datenschutzbeauftragte hat zu der Datei eine generelle Benachrichtigungspflicht gefordert. Dass die bayrische Staatsregierung das bislang aber ignoriert und weiter im Geheimen agiert, spricht Bände.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben die Fans, wenn Ihnen bestätigt wurde, dass Sie in der Datei eingetragen sind?
Zum einen können sicherlich die örtlichen Fanprojekte behilflich sein. Und auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte haben wir ein Musterformular veröffentlicht, mit dem man ein Auskunftsersuchen stellen kann. Wer gegen einen Eintrag vorgehen will, kann danach die Löschung bei der Polizeibehörde beantragen. Es besteht auch die Möglichkeit, eine Eingabe an den örtlich zuständigen Datenschutzbeauftragten zu machen, um den Eintrag überprüfen zu lassen.
Während die Aufnahmekriterien sehr geringschwellig sind, ist eine Löschung der Daten vor Ablauf der Speicherungsfrist von bis zu zehn Jahren nur möglich, wenn aus einer Entscheidung der Justiz hervorgeht, dass jeglicher Tatverdacht ausgeräumt sei. Einige der gespeicherten Personen haben aber eventuell gar keine Straftaten begangen. Wie passt das zusammen?
Das zeigt, dass es der bayrischen Polizei darum geht, möglichst viele Leute und ihre Daten zu speichern, unabhängig von den Feststellungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Dass Betroffene selbst beweisen sollen, dass sie unschuldig sind, widerspricht der Unschuldsvermutung und ist in der Praxis kaum möglich, da die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens ist.
Wie geht es mit der Datenbank nun weiter? Was kann zum Beispiel die Politik unternehmen?
Es wäre dringend erforderlich, dass eine generelle Benachrichtigungspflicht eingeführt wird, damit die Personen darüber informiert werden, dass über sie, teilweise jahrelang, Datensätze in polizeilichen Datenbanken geführt werden. In einigen Bundesländern, etwa in Bremen, gibt es die bereits. In Bayern aber noch nicht.