In der EM-Quali liefen sechs Profis mit albanischen Wurzeln für die Schweiz auf. In der Heimat ihrer Eltern gelten sie oft als Verräter. Die Spieler gehen erstaunlich locker damit um.
Es musste alles ganz schnell gehen. Also nahm Hansruedi Hasler, Technischer Direktor im Schweizerischen Fußballverband, die Sache selbst in die Hand. Er brachte das Einbürgerungsgesuch von Milaim Rama, diesem Supertalent vom FC Thun, höchstpersönlich beim Departement Volkswirtschaft und Inneres vorbei. Es sollte, so erinnerte sich Hasler später in der „NZZ“, „ja nicht zuunterst auf dem Stapel landen“.
Wenige Tage später, an einem Montag Anfang Juni 2003, präsentierte Rama im Schweizer Fernsehen stolz den provisorischen roten Pass. Er war nun Schweizer – und der erste Kosovoalbaner im Kader der Eidgenossen. Zum ersten Mal saß er am 11. Juni 2003 auf der Bank der Nati, es war eines von diesen Ausgerechnet-Spielen: EM-Qualifikation gegen Albanien.
Seine ersten Länderspielminuten absolvierte er ein paar Wochen später gegen Russland, was vielerorts positiv gesehen wurde, aber Kritik nach sich zog. Auf die Frage, ob man denn wirklich auf die Hilfe von Ausländern angewiesen sei, sagte Hasler: „Es gibt viele sehr talentierte Spieler aus Ex-Jugoslawien, die hier aufwachsen.“ In einigen Jahren sei es sogar möglich, dass eine kleine Balkanauswahl für die Schweiz spielen werde.
Eine bis heute nicht sachliche Diskussion
Hasler sollte recht behalten. In der Qualifikation zur EM 2016 kamen sechs Spieler mit albanischen Wurzeln zum Einsatz: Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri, Valon Behrami, Blerim Dzemaili, Admir Mehmedi und Pajtim Kasami. Im März 2016 bestritt zudem der Schweizalbaner Shani Tarashaj sein erstes Länderspiel. Er steht nun im EM-Kader der Schweizer.
Als sich im vergangenen Jahr abzeichnete, dass sich Albanien erstmals für die EM qualifizieren sollte, war Milaim Rama wieder ein gefragter Gesprächspartner. In der „NZZ“ sprach er über seine Pionierarbeit: „Es gab Chapuisat, Frei, Rey – und ich stammte aus einem Land, das niemand kannte, brachte aber für die Schweiz Leistung, begeisterte die Leute.“
Womit Rama einerseits recht hatte, denn für Thun schoss er in der Saison 2002/03 zwanzig Tore. Aber nicht alle Leute waren begeistert, vor allem nicht die Fans in Albanien. Vaterlandsverräter nannten sie ihn. Die Diskussionen waren selten sachlich, und sie sind es bis heute nicht.
„Sie sehen uns als Verräter, und ich kann das verstehen.“
Vor dem WM-Qualifikationsspiel im September 2015 kursierte etwa ein Video auf Youtube, in dem ein albanischer Nationalspieler mit nacktem Oberkörper auf dem Zaun der Fankurve posiert, die Anhänger anpeitscht und ihnen Dinge zuruft. Es ging in der Ansprache um Stolz, Loyalität, Nationalität und den ganzen Rattenschwanz. Es war ein Seitenhieb gegen die Albaner im Schweizer Nationalteam.
Der albanische Publizist Mero Baze sagte dazu: „Wir sind ein armes und unterentwickeltes Land, das Fußballer als Verräter behandelt, wenn sie für andere Mannschaften spielen, oder als Patrioten, wenn sie für Albanien antreten.“
Die angegriffenen Spieler sagten entweder gar nichts oder sie reagierten recht entspannt. Wie etwa Granit Xhaka, der befand: „Wir müssen mit den Beleidigungen umgehen können. Sie sehen uns als Verräter, und ich kann das verstehen.“